BERLIN. Die psychische Belastung von Kindern und Jugendlichen nimmt dramatisch zu – und mit ihr die Forderung nach entschlossenen Gegenmaßnahmen. Die Krankenkasse DAK-Gesundheit reagiert auf die neuesten Ergebnisse ihres Präventionsradars mit einem klaren Appell: Deutschland brauche dringend ein Schulfach „Gesundheit und Prävention“. „Das Thema duldet keinen Aufschub mehr, jetzt muss gehandelt werden“, sagt DAK-Vorstandschef Andreas Storm.
Storm begründet die Forderung mit alarmierenden Daten: „Unsere Studie zeigt, dass Mädchen und Jungen ohne eine ausgeprägte Gesundheitskompetenz häufiger erschöpft, traurig oder einsam sind. Deshalb besteht dringender Handlungsbedarf. Um unsere Kinder zu stärken und zu schützen, ist Schule ein wichtiger Ort. Wir müssen zwingend die Gesundheitskompetenz verbessern.“ Ein eigenes Unterrichtsfach sei notwendig, „um unsere Kinder zu befähigen, im Alltag Entscheidungen für eine gesunde Zukunft zu treffen.“
Die Zahlen, die der DAK-Präventionsradar für das Schuljahr 2024/2025 vorlegt, sprechen für sich. Fast zwei Drittel der befragten Schülerinnen und Schüler (65 Prozent) gaben an, sich mindestens einmal pro Woche erschöpft oder müde zu fühlen – im Jahr zuvor waren es noch 55 Prozent. Ein Drittel fühlt sich oft einsam und ohne Freunde (33 Prozent). Besonders stark betroffen sind Mädchen: 41 Prozent klagen über Einsamkeit, bei den Jungen sind es 25 Prozent.
Auch die Bundesregierung sieht Handlungsbedarf. Mareike Wulf, Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesbildungs- und Familienministerium, erklärte: „Diese Zahlen rütteln auf. Wir möchten, dass sich etwas ändert. Darum stärken wir Eltern, Pädagogen und Fachkräfte, denn sie können Gesundheitskompetenz vermitteln. Darum bündeln wir gesamtgesellschaftlich alle Kräfte in einer gemeinsamen Allianz gegen Einsamkeit. Darum entwickeln wir gemeinsam eine Strategie ‚Mentale Gesundheit für junge Menschen‘.“
„Gesundheitskompetenz ist ein wichtiger Baustein in der Entwicklung junger Menschen – fehlt er, steigt das Risiko für langfristige gesundheitliche Probleme“
Noch bedrückender fällt der Blick auf depressive Symptome aus. 17 Prozent aller Befragten berichten, regelmäßig unglücklich zu sein, häufig zu weinen oder sich niedergeschlagen zu fühlen. Bei den Mädchen trifft dies mit 27 Prozent fast viermal so häufig zu wie bei Jungen (7 Prozent). In der Gruppe der 14- bis 17-jährigen Mädchen mit niedrigem Sozialstatus erreicht der Anteil der Betroffenen sogar 43 Prozent – der höchste Wert der vergangenen Jahre, höher noch als während der Pandemie.
Ein zentrales Ergebnis der Studie: 84 Prozent der Schulkinder zwischen Klasse fünf und zehn verfügen nur über eine niedrige oder moderate Gesundheitskompetenz. Sie schaffen es nicht, ausreichend Verantwortung für die eigene Gesundheit zu übernehmen – sei es durch gesunde Ernährung, ausreichend Schlaf oder regelmäßige Bewegung. Nur 16 Prozent gelten als hoch kompetent und fühlen sich befähigt, aktiv Entscheidungen zu treffen.
„Gesundheitskompetenz ist ein wichtiger Baustein in der Entwicklung junger Menschen – fehlt er, steigt das Risiko für langfristige gesundheitliche Probleme“, warnt Studienleiter Professor Reiner Hanewinkel vom Institut für Therapie- und Gesundheitsforschung (IFT-Nord) in Kiel. Die vorliegenden Ergebnisse seien „frühe Warnsignale für Überforderung, Stress oder unerkannte psychische Erkrankungen“. Schulen müssten deshalb gezielt zur Stärkung der Gesundheitskompetenz beitragen.
Die psychischen Probleme spiegeln sich auch körperlich wider. Ein Drittel der Kinder leidet regelmäßig unter Schlafstörungen, rund 16 Prozent unter häufigen Kopfschmerzen. Auch hier zeigt sich der Unterschied in Abhängigkeit von der Gesundheitskompetenz: Wer mehr Wissen und Motivation im Bereich Gesundheit mitbringt, berichtet seltener von solchen Beschwerden.
An der aktuellen Befragungswelle des DAK-Präventionsradars nahmen von November 2024 bis Februar 2025 insgesamt 26.586 Schülerinnen und Schüler aus 1.712 Klassen in 14 Bundesländern teil. Damit gehört die Erhebung zu den umfassendsten Schulstudien zur Gesundheit junger Menschen in Deutschland. News4teachers / mit Material der dpa