
Ein Schulleiter aus dem brandenburgischen Kreis Potsdam-Mittelmark hatte ein Schülerbetriebspraktikum für einen Zehntklässler in der AfD-Fraktion des Landtages untersagt, wie das Bildungsministerium bestätigte.
Bekannt machte den Fall in der vergangenen Woche die AfD-Abgeordnete Lena Kotré bei einer Pressekonferenz. Der besagte Schüler hatte nach ihren Angaben bereits ein Praktikum bei der AfD gemacht und wollte nun noch ein weiteres absolvieren. Und sie teilte ein Video auf ihren Social-Media-Kanälen. Darunter sammelten sich tausende Kommentare. Das rechtsextreme Compact-Magazin veröffentlichte Kotrés Ausführungen auf Youtube, wo sie über 200.000 Mal aufgerufen wurden. Die AfD in Brandenburg wird vom Verfassungsschutz des Landes als «gesichert rechtsextremistisch» geführt. Auch die Rechtsanwältin Kotré persönlich wird entsprechend eingestuft, wie der Tagesspiegel berichtet.
Zahlreiche Nutzerinnen und Nutzer beleidigten daraufhin laut tageschau den Schulleiter der Grace-Hopper-Gesamtschule, etwa mit den Worten: “So ein dreckiger Pädagoge, er hat als Leiter total versagt.” Mehrere Personen forderten, Kontaktdaten des Schulleiters zu veröffentlichen. Unter dem Youtube-Video schrieb etwa jemand: “Namen und Adressen der Entscheider, dessen Ehepartner und Angehörige bekanntmachen! Der Rest erledigt sich von selbst.” Eine andere Person schrieb, der Schulleiter solle abgeschoben und aufgehängt werden. Laut Bildungsministerium in Potsdam gab es auch E-Mails mit «unangemessenen verbalen Angriffen». Mehrere Medien berichteten über den Fall.
Bildungsministerium unterstützt Schulleiter
Auch die Behörde des brandenburgischen Bildungsministers, Steffen Freiberg (SPD), hält die Entscheidung der Schulleitung gegen das Praktikum für richtig. Sie sei mit der Einstufung des AfD-Landesverbandes Brandenburg durch den Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistische Bestrebung begründet.
Lehrkräfte müssten sich an der freiheitlich-demokratischen Grundordnung, dem Grundgesetz sowie den Schulgesetzen der Länder orientieren, sagte die Universitätsprofessorin Kolleck. Da die AfD in Brandenburg vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistische Bestrebung eingestuft werde, könne eine Schulleitung im Rahmen ihres pädagogischen Ermessens und zur Wahrung des Schulfriedens entscheiden, ein solches Praktikum nicht zu genehmigen und dies fachlich begründen.
Gibt es eine Neutralitätspflicht? Nicht wenn es um Grundwerte geht
Eine Bildungsexpertin der Universität Potsdam hält die Haltung eines Schulleiters für richtig und nachvollziehbar. «Der Schulleiter ist seinem Bildungs- und Schutzauftrag nachgekommen, indem er die Würde des Menschen als obersten Maßstab ernst nimmt und Schülerinnen und Schüler vor menschenfeindlichen Ideologien schützt», sagte die Universitätsprofessorin für Erziehungs- und Sozialisationstheorie, Nina Kolleck.
Eine gesetzlich normierte allgemeine Neutralitätspflicht für Lehrkräfte gebe es nicht, so Kolleck. Es gelte das parteipolitische Neutralitätsgebot des Staates und für Lehrkräfte eine Pflicht zu professioneller Zurückhaltung im Amt. Indoktrination – etwa Werbung für Parteien oder die Vorgabe, eine bestimmte Partei zu wählen – sei unzulässig.
Im Unterricht gehe es darum, kontroverse Meinungen abzubilden, Lehrkräfte müssten aber auch Haltung zeigen, wenn Grundwerte verletzt würden. Es sei für Lehrkräfte aber auch schwierig, im Spannungsfeld zwischen Meinungsfreiheit und Schutzauftrag der Schule zu agieren.
Bildungsministerium prüft juristische Schritte
Der Parlamentarische Geschäftsführer der AfD-Landtagsfraktion Dennis Hohloch, der selbst namentlich vom Verfassungsschutz als Rechtsextremist geführt wird, sagte, wenn eine bestimmte Partei ausgeschlossen werde, sei Schule auf dem Kurs der Unterdrückung der Meinungsfreiheit und der Bildung der eigenen Persönlichkeit von Schülern. Ein Praktikant lerne in der Faktion, wie der Landtag aufgebaut sei, wie Anträge geschrieben werden und wie ein Gesetzgebungsverfahren laufe. Der Schulleiter müsse sich der Kritik aussetzen. «Wenn Kritik Bedrohung bedeutet, ist die Grenze natürlich überschritten».
Das Bildungsministerium teilte mit, die verbalen Angriffe gegen den Schulleiter könnten nicht hingenommen werden. Die Schulaufsicht habe die Polizei informiert und behalte sich vor, «gegen beleidigende und ehrabschneidende Aussagen juristische Schritte einzuleiten». News4teachers / mit Material der dpa
AfD-Hetze gegen Lehrkräfte: “Gefährliche Typen, die Schüler auf Linie bringen wollen”