KÖLN. Deutschland investiert im internationalen Vergleich weiterhin deutlich weniger in Bildung als andere europäische Staaten – während zugleich ein immer größerer Teil der öffentlichen Gelder in das Sozialwesen fließt. Kostentreiber sind vor allem Renten und Pensionen. Das zeigt eine neue Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), die die Staatsausgaben von 2001 bis 2023 in Deutschland, den Benelux-Staaten, Österreich und der Schweiz sowie den nordischen Ländern analysiert. Der Verein Deutscher Ingenieure (VDI) mahnt dringend einen Kurswechsel an.
Nach den Zahlen des IW gab Deutschland im Jahr 2023 41 Prozent der Gesamtausgaben für die soziale Sicherung aus und liegt damit erstmals sogar vor klassischen Wohlfahrtsstaaten wie Schweden, Dänemark oder Finnland, die auf 40 Prozent kommen. Besonders ins Gewicht fällt dabei die Demografie: Knapp die Hälfte der gesamten Sozialausgaben fließt mittlerweile in Ruhestandbezüge. Laut IW-Experte Björn Kauder ist die Alterssicherung damit der größte Kostentreiber im Bundeshaushalt.
Er verweist auf Schweden, das bereits vor 25 Jahren mit einer Mischung aus umlagefinanzierter und kapitalgedeckter Rente Reformen eingeleitet habe. Ohne ein solches Vorgehen drohten in Deutschland „explodierende Kosten – zulasten der Steuerzahler“.
Während die Sozial- und Verwaltungsausgaben wuchsen, stagnieren die Aufwendungen für die Bildung – und bleiben im Vergleich weiterhin niedrig. Deutschland wendete 2023 nur etwa neun Prozent seiner öffentlichen Mittel für das Bildungswesen auf. Damit liegt die Bundesrepublik im internationalen Vergleich seit Jahren am unteren Rand. Die Studie zeigt, dass Österreich und die Schweiz konstant 12 bis 13 Prozent, die nordischen Länder rund 12,5 Prozent ihrer Haushalte in Bildung investieren. Auch die Benelux-Staaten erreichen mit 11 bis 12 Prozent deutlich höhere Werte. Der EU-Durchschnitt fällt zwar ebenfalls, liegt aber mit 9,6 Prozent immer noch über dem deutschen Niveau.
Deutschland ist bei den Bildungsausgaben im Verhältnis zum BIP Schlusslicht unter den betrachteten Staaten
Auch bei einem zweiten zentralen Maßstab – den Bildungsausgaben gemessen am Bruttoinlandsprodukt – zeigt sich ein deutlicher Rückstand. Die nordischen Länder investieren 6 bis 7 Prozent ihrer Wirtschaftsleistung in Bildung, die Benelux-Staaten rund 5,5 Prozent. Deutschland kam zuletzt lediglich auf 4,5 Prozent, also weniger als der EU-Durchschnitt. Besonders im tertiären Bildungsbereich – Hochschulen und berufliche Bildung – ist laut Studie über zwei Jahrzehnte hinweg kaum Bewegung erkennbar. Die Bundesrepublik bleibt damit insgesamt Schlusslicht unter den betrachteten Staaten.
Parallel dazu steigen in Deutschland andere Ausgabenbereiche. Die Mittel für die öffentliche Verwaltung kletterten zwischen 2001 und 2023 von 7,2 auf 11 Prozent der Gesamtausgaben – ein im internationalen Vergleich hoher Wert. Auch bei den öffentlichen Investitionen liegt Deutschland am Ende der Rangliste: Nur rund sechs Prozent der Gelder flossen 2023 in Infrastruktur und Modernisierung. Die nordischen Länder erreichen über neun Prozent, Österreich und die Schweiz mehr als acht Prozent.
Das IW zieht ein klares Fazit: Angesichts der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Herausforderungen müsse die Bundesregierung den weiteren Anstieg der Sozialausgaben bremsen und Prioritäten neu setzen. Notwendig sei „eine grundlegende Ausgabenkritik sowie ein effizienterer Einsatz öffentlicher Mittel“. Entscheidend sei vor allem, den Investitionsstau zu beheben und die Bildungsausgaben zu erhöhen. Diese seien im internationalen Vergleich „niedrig“ und verhinderten, dass Deutschland zu Ländern mit dynamischerer wirtschaftlicher Entwicklung aufschließen könne.
„Gute Bildung trägt zum Erhalt unserer sozialen Sicherungssysteme maßgeblich bei“
„Es ist bedauerlich zu sehen, dass ein so reiches Land wie Deutschland nicht mehr in die Zukunft investiert, indem es Investitionen in das dringend sanierungsbedürftige Bildungssystem einen höheren Stellenwert einräumt“, sagt Thomas Kiefer, Bereichsleiter Beruf, Bildung und Netzwerke im VDI. „Gute Bildung trägt zum Erhalt unserer sozialen Sicherungssysteme maßgeblich bei. Sie führt zu geringeren Gesundheitsausgaben und gut ausgebildeten Fachkräften mit potenziell gut bezahlten Jobs. Das ist eine wichtige Stütze für ein beitragsfinanziertes Sozialsystem.“
Und, so betont er: „Wenn wir den jungen Menschen zeigen, dass in sie investiert wird und welche Möglichkeiten sich für sie persönlich dadurch ergeben, dann werden wir ihre Bereitschaft erhöhen, der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Das ist in Zeiten schwieriger demografischer Entwicklungen wichtiger denn je.“
Die Studie erscheint kurz vor den Haushaltsberatungen im Bundestag – und mitten in einer breiten politischen Debatte über die Finanzierung der Renten, die Ausstattung des Bildungssystems und den Investitionsbedarf im öffentlichen Sektor. Für Schulen, Kitas und Hochschulen ist die Botschaft eindeutig: Während Deutschland bei Sozial- und Verwaltungsausgaben Spitzenreiter ist, bleibt die Finanzierung des Bildungswesens seit Jahren hinter vergleichbaren Staaten zurück. News4teachers
