HANNOVER (Mit Kommentar). Das für 2014 angekündigte gemeinsame Abitur von sechs Bundesländern stößt auf Kritik vor allem in Niedersachsen – und bringt den dortigen Kultusminister Bernd Althusmann (CDU) unter Druck. Befürchtet wird ein unfairer Vergleich, unter dem die Schüler zu leiden haben.
Im Abitur 2014 sollen Abiturienten aus sechs Bundesländern erstmals die gleichen Aufgaben oder Aufgabenteile in den Fächern Deutsch, Englisch und Mathematik bearbeiten. Mit dabei sind – neben Niedersachsen – Bayern, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Schleswig-Holstein.
„Eine neue Beschäftigungstherapie für die Oberstufen an Gymnasien und Gesamtschulen hat sich Kultusminister Dr. Althusmann ausgedacht, als hätten wir nicht gerade die curriculare Planung für G8 und die Umsetzung der Kerncurricula mit den neuen Schullehrplänen hinter uns gebracht”, schimpft Henner Sauerland, Gymnasialexperte der niedersächsischen Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) . Er betont: „Durch die Vorgaben des niedersächsischen Zentralabiturs wird unser Unterricht schon kleinteilig gegängelt. Nun kommen zusätzliche Vorgaben, die unsere Arbeit pädagogisch weiter einschränken. Diese Entwicklung geht in die falsche Richtung.“ Es sei ein Irrtum, über die stärkere Zentralisierung von Prüfungen zu einer besseren Vergleichbarkeit der Studierfähigkeit zu kommen. „Stärkere Zentralisierung bedeutet zumeist, dass der Anforderungsbereich I, also das einfache Reproduzieren, in der Prüfung und damit auch im Unterricht eine größere Bedeutung erhält. Wissenschaftspropädeutik ist aber mehr im Bereich des selbstständigen methodischen Arbeitens, des Vergleichens und des Bewertens, also in den Anforderungsbereichen II und III verortet”, erklärte der Gewerkschafter und sagte voraus: Das Niveau des Unterrichts an den niedersächsischen Oberstufen werde sinken.
Als „puren Aktionismus” kritisierte die schulpolitische Sprecherin der Grünen im niedersächsischen Landtag, Ina Korter, das von Althusmann öffentlich gemachte Vorhaben. „Erst sollten die Probleme mit dem Turbo-Abi gelöst werden, bevor der Minister sich neue Aufgaben vornimmt”, sagte die Abgeordnete. Statt den Schulen schon wieder neue Prüfungsvorgaben zu machen, sollte Niedersachsen die beschlossenen, länderübergreifenden Bildungsstandards umsetzen, forderte Korter. „Zentralismus allein löst weder Gerechtigkeits- noch Qualitätsprobleme.” Es sei zu befürchten, dass durch eine weitere Vereinheitlichung der Prüfungen die Schulen die pädagogischen Freiräume verlören.
“Schüler als Versuchskaninchen”
„Minister Althusmann setzt seine Politik der Experimente im Schulbereich fort. Schon wieder müssen sich Niedersachsens Schüler nach Turboabitur und Oberschule auf tiefgreifende Neuerungen einstellen. Sie werden erneut zu Versuchskaninchen gemacht, weil der Minister im letzten Jahr seiner Amtszeit noch ein Vorzeigeprojekt braucht“, meinte die schulpolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Frauke Heiligenstadt. „Damit soll eine Vergleichbarkeit der Abiturnoten herbeigeführt werden. Diese Vergleichbarkeit ist aber nur vordergründig gegeben, da die Ausgangslagen in den sechs Ländern vollkommen unterschiedlich sind. Wer glaubt, dass diese Vergleichbarkeit der Qualitätssteigerung dient, der irrt, weil dafür die Grundlage fehlt. Grundlage für eine Vergleichbarkeit von Abiturnoten müssen gleiche Bildungsstandards sein. Die Lern- und Arbeitsbedingungen, wie zum Beispiel Klassengrößen und Ausstattung von Ganztagsschulen, müssen vergleichbar sein. Und hier gibt es noch etliche Hausaufgaben vonseiten Herrn Althusmanns zu machen“, meinte sie.
In Mecklenburg-Vorpommern hat sich die SPD für die Teilnahme an dem länderübergreifenden Abitur entschieden. Dort meldete sich der Landeselternrat zu Wort. Für das gemeinsame Zentralabitur „müssten zunächst die Bildungsstandards in den Ländern vereinheitlicht werden“, sagte die Vorsitzende Yvonne Tabel-Blaumann gegenüber der „Ostsee-Zeitung“. Mit dem gemeinsamen Abitur bereits in zwei Jahren zu starten, sei viel zu früh. NINA BRAUN
Zur Meldung “Sechs Bundesländer starten 2014 mit einem gemeinsamen Abitur”
