KARLSRUHE. Der Koblenzer Fall eines Freispruchs für einen Vertretungslehrer, der eine Affäre mit einer 14-jährigen Schülerin hatte, schlägt Wellen: Jetzt muss ein Prozess in Bochum um einen Lehrer, der ebenfalls Sex mit einer 14-jährigen Schülerin hatte, neu aufgerollt werden. Die Justizministerkonferenz will sich heute und morgen mit dem Thema beschäftigen.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hob jetzt die Verurteilung des 42-Jährigen zu zwei Jahren Haft auf Bewährung durch das Bochumer Landgericht auf. Das teilte der BGH in Karlsruhe mit. Umstritten ist, ob die Schülerin in dem Maße Schutzbefohlene ihres Vertretungslehrers war, wie die Richter in Bochum das in ihrem Urteil festgestellt hatten.
Der Angeklagte hatte das unter familiären Problemen leidende Mädchen zunächst getröstet, dann geküsst, und schließlich hatten sie Geschlechtsverkehr. Das Urteil hatte auf sexuellen Missbrauch von Schutzbefohlenen in zwölf Fällen gelautet.
Der 42-Jährige hatte die Realschulklasse der 14-Jährigen an einer Schule in Herne im Tatzeitraum zwischen Oktober 2010 und März 2011 nur vertretungsweise unterrichtet. Gleichzeitig bildete er sie als Schulsanitäterin und DRK-Jugendmitglied aus.
Laut BGH legte das Bochumer Landgericht den Umfang, die Dauer und das Ausmaß dieser gemeinsamen Aktivitäten jedoch nicht ausreichend dar, um festzustellen, wie sehr das Mädchen in der Obhut des Mannes stand.
Das Koblenzer Oberlandesgericht hatte in einem ähnlichen Fall einen 32-jährigen Lehrer freigesprochen, der wiederholt Sex mit einer 14-jährigen Schülerin hatte. Der Mann sei nicht der Klassen- oder Fachlehrer der Schülerin gewesen, sondern nur als Vertretungslehrer eingesprungen. Der Angeklagte habe auch keinen Einfluss auf die Notengebung gehabt, weshalb kein „Obhutsverhältnis“ bestanden habe, hieß es.
“Unerträgliche Gesetzeslücke”
Die bayerische Justizministerin Beate Merk (CSU) hat angesichts dieses Falles eine Initiative angekündigt, um Schüler besser vor Übergriffen durch Lehrer zu schützen. Auf der Frühjahrskonferenz der Justizminister aus Bund und Ländern in Wiesbaden will sie einen Vorschlag zur Ergänzung des Strafgesetzbuchs vorlegen.
Aus Merks Sicht besteht eine „unerträgliche“ Gesetzeslücke. Merk: „Es kann nicht sein, dass der Schutz von Schülerinnen und Schülern vor sexuellem Missbrauch davon abhängt, ob der Lehrer Vertretungslehrer ist oder nicht.” FRAUKE KÖNIG, mit Material von dpa
(12.6.2012)
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