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“Datenhuberei”: Lehrerverbände machen gegen VerA mobil

BERLIN.  In der kommenden Woche werden wieder Hunderttausende von Schülern in Deutschland getestet. Schneidet eine Schule bei diesen bundesweiten flächendeckenden Vergleichsarbeiten (VerA) besonders schlecht ab, so bleibe das folgenlos, klagen allerdings die Lehrergewerkschaften. Weder gebe es mehr Stellen noch mehr Fortbildung für Pädagogen. Sie fordern deshalb die Abschaffung.

Was bringt VerA? Lehrerverbände meinen: nichts. Foto: Marniejoyce flickr (CC BY 2.0)

Die beiden größten Lehrergewerkschaften machen gemeinsam gegen zu viele Tests und Leistungsvergleiche an den Schulen Front. Die vor zehn Jahren als Folge des deutschen Pisa-Schocks bundesweit eingeführten flächendeckenden Vergleichsarbeiten (VerA) in den 3. und 8. Jahrgangsklassen verschärften lediglich den Leistungsdruck und belasteten Lehrer wie Schüler gleichermaßen, hieß es bei einer gemeinsamen Pressekonferenz der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) und des Grundschulverbandes (GSV). Die Kultusministerkonferenz (KMK) wies die Kritik zurück.

Die GEW-Vorsitzende Marlis Tepe sprach von «reiner Datenhuberei». In keinem Bundesland hätten bisher die mit dem Test an einzelnen Schulen in sozialen Brennpunkten zu Tage getretenen Lernprobleme zu mehr Lehrereinstellungen oder zu mehr Weiterbildung der Pädagogen geführt. Auch seien die VerA-Effekte in Sachen Qualitätsverbesserung «nie von unabhängigen Forschern evaluiert worden». Laut einer Studie der GEW sähen 70 Prozent der Lehrer keinen Nutzen in den kosten- und zeitaufwendigen VerA-Tests.

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Der Name VerA steht für verbindliche Vergleichsarbeiten in allen Bundesländern, die inzwischen vom ländereigenen Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) in Berlin betreut werden. Getestet werden die Kompetenzen in Deutsch (Lesen, Orthografie und Sprachgebrauch) sowie in Mathematik (Zahlen und Operationen, Wahrscheinlichkeit).

VBE-Chef Udo Beckmann kritisierte: «VerA engt den Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schulen unzulässig ein und verdeckt die schulischen Bedingungen vor Ort.» Es sei «ein Segeln unter falscher Flagge, aus den flächendeckenden Tests den Lehrern Impulse für ihr künftiges Unterrichten zu versprechen». Kein VerA-Test habe bisher zu mehr Möglichkeiten individueller Förderung für Schüler geführt. Stattdessen bedeute VerA für die Lehrer zusätzlichen Zeitaufwand, der besser für die Schul- und Unterrichtsentwicklung eingesetzt werden könnte.

Tepe beklagte, dass die KMK bisher nur unzureichend Bereitschaft zeige, auf die Kritik einzugehen. «Für alle Tests gilt der alte Satz: Eine magere Sau wird allein durch Wiegen nicht fetter.» Auf Nachfrage äußerte sich die GEW-Vorsitzende auch kritisch zu den Pisa-Untersuchungen und den Bundesländer-Leistungsvergleichen auf der Basis der von den Kultusministern vereinbarten bundesweiten Bildungsstandards. «Pisa hat zwar die deutsche Bildungsdebatte voran gebracht, nicht aber die Hilfen für die einzelnen Schulen.»

Wörtlich heißt es in der gemeinsamen Erklärung der GEW, des VBE sowie des GSV: „VerA ist inklusionsfeindlich. Die Vergleichsarbeiten, die bundesweit in Klasse 3 und 8 geschrieben werden, verschärfen den Leistungsdruck. Sie belasten Lehrkräfte sowie Schülerinnen und Schüler, ohne dass wir in der Umsetzung der Inklusion einen Schritt weiter kommen. Schulen brauchen Unterstützung – keine Testeritis“. Und weiter: „Gute Schule ist ein Lern‐ und Lebensort, der Kindern und Jugendlichen eine umfassende Bildung und bestmögliche Entwicklungschancen bieten soll. Deshalb darf die Qualitätssicherung nicht auf eine standardisierte Leistungsmessung verkürzt werden.“

Die KMK-Präsidentin, Nordrhein-Westfalens Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne), sagte dagegen, VerA biete Lehrern die Chance, die Leistungen ihrer Schüler mit den Ergebnissen von Parallelklassen oder den jeweiligen Landeswerten zu vergleichen. Nach einer IQB-Umfrage würden Grundschullehrer die Ergebnisse sehr wohl für ihre Unterrichtsentwicklung nutzen.

Die nächste bundesweite VerA-Runde startet am 13. Mai. Seit 2010 nehmen auch Südtirol und die deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens teil. Ähnliche obligatorische Tests sind in Österreich und der Schweiz geplant. Die Kritik wird auch von Lehrerorganisationen in diesen Ländern geteilt. dpa

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