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Vor dem Runden Tisch: Organisierte Eltern und Lehrer wollen G8 in NRW erhalten

DÜSSELDORF. Am Abend tagt ein “Runder Tisch” in der Düsseldorfer Staatskanzlei, zu dem NRW-Schulministerin Löhrmann eingeladen hat. Das Thema: G8. Wird Nordrhein-Westfalen im Ergebnis wieder zum neunjährigen Gymnasium zurückkehren? Wohl eher nicht. Zwar stößt die verkürzte Schulzeit bei vielen Eltern auf Widerstand. Die maßgeblichen schulpolitischen Akteure aber – von den Lehrerverbänden bis hin zur Landeselternschaft der Gymnasien – wollen lieber das bestehende System verbessern, als es zu kippen. 

In der Staatskanzlei der NRW-Landesregierung – die im Düsseldorfer Stadttor residiert – findet der Runde Tisch zu G8 statt. Foto: Frank Vincentz / Wikimedia Commons (CC BY-SA 3.0)

In Nordrhein-Westfalen wird weiter über Schulzeitverkürzung und «Turbo-Abitur» gestritten. Vor einer Gesprächsrunde, zu der NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) für den späten Montagnachmittag geladen hatte, brachten Befürworter und Gegner erneut ihre Argumente ins Feld. Der Geschäftsführer der Industrie- und Handelskammer NRW, Franz Roggemann, warnte im Westdeutschen Rundfunk vor zeitraubenden Schulstrukturreformen bei einer Rückkehr zu neun Jahren Gymnasium (G 9). Neue Unruhe und Reibungsverluste an den Schulen könne sich das Land angesichts des Fachkräftemangels nicht leisten, sagte er dem Sender WDR 2. «Die deutschen Schulabgänger sind im internationalen Vergleich zu alt.»

Auch die GEW wandte sich gegen eine Rückkehr zu G9. „Ein Zurück zum alten Halbtagsgymnasium mit 13 Schuljahren bis zum Abitur kann es aus Sicht der Bildungsgewerkschaft nicht geben; offenkundige Mängel im derzeitigen G 8 müssen allerdings beseitigt werden“, sagte die Landesvorsitzende Dorothea Schäfer.

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Aus Sicht der GEW muss die Landespolitik kurzfristig drei Baustellen in den Blick nehmen, um G 8 in seiner jetzigen Form einer Reparatur und Weiterentwicklung zu unterziehen. Gymnasien in NRW bräuchten den verbindlichen Ganztag und alle Gymnasien müssten schrittweise zu Ganztagsgymnasien werden. Für die Umstellung des Lehrens und Lernens an Gymnasien auf der Grundlage Kompetenz-orien­tierter Kernlehrpläne müssten die Lehrer besser unterstützt werden. Hier mangele es an systematischer Unterstützung und guter Fortbildung. Schulrechtlich sei zudem zu ermöglichen, dass am Gymnasium die Vergabe des mittleren Schulabschlusses nach der zehnten Klasse möglich wird. „Bayern ist nicht NRW. In NRW gibt es mehr als 300 Schulen, die in 13 Jahren zum Abitur führen“, so Schäfer weiter. Hektische Reformschritte verböten sich daher.

Der Sprecher der Elterninitiative «G9 jetzt in NRW», Marcus Hohenstein, lässt das nicht gelten. Spätestens mit Abschaffung der Wehrpflicht sei die Klage über zu späten Eintritt in die Arbeitswelt hinfällig, sagte er WDR 2. Er befürchtet gesundheitliche Beeinträchtigungen der Schüler durch überlange, zu dicht vertaktete Schultage. Dies lasse sich auch daran ablesen, dass die Zahl der Kinder, die in NRW wegen einer Depression klinisch behandelt werden mussten, sich vom Jahr 2000 bis 2012 fast verzehnfacht habe, sagte Hohenstein.

Die Initiative hatte in der vergangenen Woche eine Volksinitiative gegen das «Turbo-Abitur» gestartet. Innerhalb eines Jahres sollen rund 70 000 Unterschriften für die Rückkehr zu G9 gesammelt werden. Laut einer repräsentativen Umfrage für die Bürgerinitiative «G-ib-8» sind in NRW 76 Prozent der Bürger dafür. «Man kann nicht gegen dreiviertel der Bevölkerung Politik machen», sagte Hohenstein. Am «Runden Tisch» in der Düsseldorfer Staatskanzlei nehmen Vertreter aus Schule, Wissenschaft, Wirtschaft und Politik teil.

Der Vorsitzende der CDU-Landespartei und Landtagsfraktion, Armin Laschet, warnte Löhrmann vor einem kompromisslosen Festhalten am «Turbo-Abitur». «Öffnungen zu mehr Wahlfreiheit beim Gymnasium darf man nicht von vornherein abbügeln», sagte er der «Westdeutschen Allgemeinen Zeitung». Beim CDU-Landesparteitag Ende April hatte Laschet Löhrmann aufgefordert, G8 so umzusetzen, dass Eltern, Schüler und Lehrer zufrieden seien. Die Schulzeitverkürzung war in der schwarz-gelben Regierungszeit ab 2005 eingeführt worden. Dabei seien handwerkliche Fehler gemacht worden, kritisierte IHK-Geschäftsführer Roggemann. «Es wurde versäumt, die Lehrpläne zu entschlacken.»

Ministerin Löhrmann selbst will G8 verbessern statt abschaffen. Dafür stehen auch die organisierten Lehrer- und Elternverbände in NRW. SPD- Landtagsfraktionschef Norbert Römer hatte die Genossen in der vergangenen Woche aber in einem Schreiben gebeten, bei dem «hochemotionalen Thema» auch denen genau zuzuhören, die sich nicht gebunden haben. Auch innerhalb der SPD ist das Turbo-Abitur umstritten. Die Jusos wollen «Abschaffung statt Symptombehandlung». Der Landesparteichef der NRW-Grünen, Sven Lehmann hat ebenfalls mehrfach angemahnt, Druck von den Schülern zu nehmen, um ihnen mehr Freiräume zu geben.

Die Schulzeitdebatte wird derzeit in mehreren Bundesländern geführt. In Hessen können die Gymnasien wieder zwischen G8 und G9 wählen. Niedersachsen kehrt zum Schuljahr 2015/16 komplett zu G9 zurück. Was eine solche Rolle rückwärts in NRW kosten würde, kann das Schulministerium nicht beziffern. News4teachers / mit Material der dpa

Zum Bericht: Auch in Nordrhein-Westfalen startet Volksinitiative gegen «Turbo-Abitur»

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