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Streit um die Inklusion: Jetzt schreiben auch Eltern einen Brandbrief

BONN. Inklusion wird zunehmend zum Reizthema. Immer mehr Schulen schreiben Brandbriefe an ihre Aufsichtsbehörden und Landesregierungen – mit dem Tenor: Die Eingliederung von Förderschülern ist mit den bereitgestellten Personalressourcen nicht zu bewerkstelligen. Jetzt hat der Streit auch die Elternschaft erfasst. Erstmals haben die Elternpflegschaften aller fünf Gesamtschulen in Bonn sich zusammengeschlossen und ein geharnischtes Protestschreiben an die Stadt und die Bezirksregierung gesandt. Der Bonner „General-Anzeiger“ schreibt von einer Zäsur.

Die Stimmung in vielen Kollegien – und jetzt auch unter den Eltern – ist explosiv. Foto: Wurfmaul / flickr (CC BY-NC-SA 2.0)

„Wir haben es satt. Inklusion geht alle an. Aber wie schon in den vorherigen Schuljahren zeichnet sich auch für das kommende Schuljahr ab, dass in Bonn die fünf Gesamtschulen neben den Haupt- und einzelnen Realschulen die Verantwortung für Inklusion übernehmen sollen”, schreiben die Elternvertreter einem Bericht der Zeitung zufolge. Dabei müssten endlich auch die Gymnasien Mitverantwortung übernehmen.  „Es muss auch hier eine ‚Willkommenskultur‘ entwickelt werden, bei der für Kinder mit Förderbedarf und für deren Eltern sichtbar eine Perspektive mit attraktiven pädagogischen Konzepten angeboten wird. Auch an Gymnasien kann leistungsdifferenziert unterrichtet werden”, so heißt es in dem Schreiben. Gesamtschulen würden dagegen verpflichtet, alle Schüler aufzunehmen, die von anderen Schulformen „abgeschult” oder „exkludiert” werden. „Unglaublich”, empören sich die Elternpflegschaften.

Bei den Gesamtschulen müsse für zusätzliche personelle Ausstattung gesorgt werden. In den letzten zehn Jahren habe sich der Anteil der Förderkinder im Gemeinsamen Lernen in Bonn mehr als verdreifacht. Sie, die Bonner Gesamtschulen also, seien dazu noch kurzfristig verpflichtet worden, drei statt wie bislang zwei Kinder mit Förderbedarf pro Klasse aufzunehmen, erläutern die besorgten Elternvertreter in ihrem Schreiben. Das entspreche einer Steigerung um 50 Prozent, die für diese Klassen kaum zu stemmen sei –  das traurige Ergebnis einer „totalen Fehlplanung”. „Wir sind stolz, dass an unseren Schulen Inklusion gelebt wird. Wir sind auch bereit, die Verantwortung weiterhin zu tragen”, schreiben die fünf Pflegschaften. Aber jetzt müssten die Alarmglocken geläutet werden: „Irgendwann ist das Maß voll.”

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Die Inklusion führt offenbar auch immer mehr Lehrer an die Grenzen ihrer Belastungsfähigkeit. Immer häufiger wendeten sich verzweifelte Pädagogen an seine  Rechtsabteilung, so berichtete unlängst der Bayerische Lehrerinnen- und Lehrerverband (BLLV). Mehrere Brandbriefe von Lehrerkollegien, die die Einbeziehung von behinderten Schülern  in den Regelunterricht kaum bewerkstelligt bekommen, hatten zuvor bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Erst war es das Kollegium einer Gesamtschule aus dem hessischen Kassel, das sich aufgrund von unzureichenden Rahmenbedingungen an die Politik wandte. Dann wurden zwei weitere Fälle bekannt, in denen sich Schulen mit Hilferufen an ihre jeweiligen Bildungsbehörden wandten: In Berlin warnten Grundschulleiter eindringlich vor dem Scheitern der Inklusion. In Hamburg forderten Lehrer- und Elternschaft einer Stadtteilschule gemeinsam mehr Unterstützung.  Newsteachers liegen Informationen zu weiteren solcher Schreiben von Schulen aus Schleswig-Holstein vor. Tenor: immer mehr verhaltensauffällige Kinder und eine Lehrerschaft, die auf dem Zahnfleisch geht. News4teachers

Zum Bericht: “Schulen nicht gut vorbereitet”: Evangelische Kirche kritisiert Umsetzung der Inklusion

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