BERLIN. Die große Koalition im Bund will die digitale Bildung im Unterricht voranbringen. Die Fraktionen von SPD und CDU/CSU fordern dafür unter anderem einen Breitbandanschluss für alle Schulen, ein neues Urheberrecht für eine digitale Lehrmittelfreiheit sowie einen „zeitgemäßen und altersgemäßen Informatikunterricht ab der Grundschule“. Dies geht aus einem gemeinsamen Antrag hervor, den Union und SPD am kommenden Donnerstag im Bundestag zur Abstimmung stellen werden. Dies berichtet die „Süddeutsche Zeitung“. Eine Zustimmung gilt als sicher.
Anlass der politischen Initiative sei, so schreibt die „Süddeutsche“, das mäßige Abschneiden Deutschlands bei der internationalen ICIL-Studie, die im November veröffentlicht wurde. Deutsche Achtklässler liegen danach im internationalen Vergleich bei den computer- und informationsbezogenen Kompetenzen nur im Mittelfeld – vergleichbar mit Russland und damit deutlich von der Spitze entfernt. Die Bundesrepublik belegt unter den 21 Bildungssystemen, die in die Studie ICILS (International Computer- and Information Literacy Study) einbezogen waren, lediglich Platz 11. Die vorderen Plätze nehmen die Tschechische Republik, die kanadische Provinz Ottawa sowie Australien ein. Hinten rangieren Thailand und die Türkei.
„Die Ergebnisse machen deutlich, dass die weit verbreitete Annahme, Kinder und Jugendliche würden durch das Aufwachsen in einer von neuen Technologien geprägten Welt automatisch zu kompetenten Nutzerinnen und Nutzern digitaler Medien, nicht zutrifft“, so schreiben die Autoren des deutschen Teils der Studie, ein wissenschaftliches Konsortium unter Leitung der Bildungsforscher Wilfried Bos (Institut für Schulentwicklungsforschung an der TU Dortmund) und Birgit Eickelmann (Universität Paderborn). Rund 30 Prozent der Jugendlichen in Deutschland erreichen nur die unteren beiden Kompetenzstufen. „Diese Schülergruppe wird es voraussichtlich schwer haben, erfolgreich am privaten, beruflichen sowie gesellschaftlichen Leben des 21. Jahrhunderts teilzuhaben“, so heißt es in dem Bericht. Der Anteil der leistungsstarken Schüler ist hingegen nicht groß. Nur 1,5 Prozent der Jugendlichen in Deutschland erreichen hingegen die höchste Kompetenzstufe V.
„Computer-Kompetenzen lassen sich nun mal nicht mit dem ‚Faustkeil‘ vermitteln“, sagt Udo Beckmann, Landesvorsitzender NRW und Bundesvorsitzender des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE). Bei einer Umfrage unter Lehrern in Deutschland parallel zu ICILS hatte der VBE festgestellt: Schulen sind weit davon entfernt, dass der PC für Lehrkräfte zum alltäglichen persönlichen Arbeitsgerät am Arbeitsplatz Schule zählt. PCs stehen in der Regel als Einzelexemplar im Lehrerzimmer, bei der Schulleitung oder in Computerräumen. Vor allem die Grundschulen seien abgehängt, so hieß es: Ein schnelles Internet würden nur 59 Prozent der befragten Grundschullehrkräfte für ihre Schule angeben. Den Zugang an der Grundschule zu einer geschützten Online-Plattform für Unterricht, Hausaufgaben oder Elternkontakte bestätigte nur ein knappes Drittel.
Die zuständige Politik müsse dringend ihre Verweigerungshaltung aufgeben und das Geld für eine zeitgemäße IT-Ausstattung aller Schulen einschließlich der Grundschulen bereitstellen, forderte Beckmann: „Die Bereitstellung der notwendigen Rahmenbedingungen für die Schulen gehört ganz oben auf die digitale Agenda des Staates.“
Jetzt scheint Bewegung in das Thema zu kommen. In dem Antrag, der der Süddeutschen Zeitung vorliegt, heißt es, das schlechte Abschneiden bei ICILS stehe “im Widerspruch zum Anspruch Deutschlands, eine fortschrittliche Bildungsnation zu sein”. Bisher spielten der Umgang mit dem Internet und die Arbeit mit digitalen Lernmaterialien im Unterricht leider “oft noch eine eher untergeordnete Rolle”. Union und SPD wollen das ändern. Sie haben sich deshalb auf einen Forderungskatalog an die Bundesregierung verständigt.
Die beiden Fraktionen verlangen laut Bericht unter anderem einen Breitbandanschluss für alle Schulen, ein bildungsfreundliches Urheberrecht als Grundlage für eine digitale Lehrmittelfreiheit sowie einen “Pakt für Digitale Bildung”. Mit diesem Pakt sollen “die unterschiedlichen Aktivitäten von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft gebündelt” werden, um die digitale Ausstattung und Infrastruktur der Schulen zu verbessern. Außerdem sollen “didaktisch sinnvolle Projekte” genauso unterstützt werden wie Schüler, die sich aus finanziellen Gründen kein eigenes “digitales Endgerät” anschaffen können.
Wegen des Kooperationsverbots in der Schulpolitik habe der Bund aber nur begrenzte Möglichkeiten, direkt aktiv zu werden, heißt es. Deswegen regten die beiden Koalitionsfraktionen den Abschluss eines Länderstaatsvertrags an. In diesem sollen dann “die Förderung eines zeitgemäßen und altersgerechten Informatikunterrichts ab der Grundschule”, eine bessere Aus- und Fortbildung der Lehrer sowie die Entwicklung bundeseinheitlicher Mindeststandards “zur digitalen Informations-und Medienkompetenz für die unterschiedlichen Altersstufen” der Schüler vereinbart werden. In dem Antrag heißt es, das “Verständnis der Informatik und der Logik von Algorithmen als der Sprache der digitalen Welt” sei für einen selbstbestimmten Umgang mit der Digitalisierung von herausragender Bedeutung. Wichtig sei den beiden Fraktionen, dass die digitalen Lerninhalte “fächerübergreifend und verpflichtend” in den Bildungsplänen aller Schulstufen verankert werden. Nur dadurch lasse sich “eine breite und vertiefte und damit nachhaltige Medienbildung” erreichen. News4teachers
Zum Kommentar: Der “ICILS-Schreck”: Alles halb so schlimm? – Leider doch
