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Sexuelle Vielfalt im Unterricht: Stuttgart erwartet neue Bildungsplan-Proteste

STUTTGART. Ab 2016 sollen in Baden-Württemberg neue Bildungspläne gelten in denen auch das Thema sexuelle Vielfalt stärkeres Gewicht erhalten soll, als bislang. Der Streit darum und eine Online-Petition hatten wochenlang für Schlagzeilen gesorgt. Am Samstag will das Aktionsbündnis „Demo für Alle“ erneut in Stuttgart auf die Straße gehen. Ein Aktionsplan gegen sexuell begründete Diskriminierung sorgt für zusätzlichen Unmut.

Auseinandersetzung um das Thema sexuelle Vielfalt und ein geplanter Aktionsplan zur Gleichstellung von Homosexuellen mit Heterosexuellen treibt am Samstag wahrscheinlich Hunderte Menschen auf die Straße. Die Gegner rund um das Aktionsbündnis «Demo für alle» rufen für Samstag in Stuttgart zu einer Protestkundgebung auf. Es werden bis zu 1 000 Teilnehmer erwartet, wie ein Sprecher der Stadt sagte. Außerdem seien Gegenkundgebungen geplant.

Das Bild zeigt eine Szene aus einer Demonstration gegen “Sexuelle Vielfalt” im Unterricht am 28. Juni 2014 in Stuttgart.) Foto: Demo für Alle / flickr (CC BY-SA 2.0)

Bildungspläne regeln allgemein, welche Kompetenzen die Schüler erwerben sollen – und zwar fächerübergreifend. Im neuen Bildungsplan, der in Baden-Württemberg von 2016 an gelten soll, gibt es sechs sogenannte Leitperspektiven. Eine davon beschäftigt sich mit der Vielfalt und definiert, dass die Schüler lernen sollen, sexuelle, ethnische, kulturelle und religiöse Vielfalt zu akzeptieren. Der Aktionsplan soll die Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung in der Gesellschaft unterbinden.

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«Wir gehen am Samstag wieder auf die Straße, weil sich die Absichten der Landesregierung, die mit dem Bildungsplan verbunden sind, in keinster Weise geändert haben», sagt die Sprecherin der Initiative Familienschutz, Hedwig Beverfoerde. «Durch die Maßnahmen des Aktionsplanes ist jetzt erst recht klar geworden, dass das Vorhaben der Landesregierung noch sehr viel weitergehend ist: Es geht darum, die sexuelle Vielfalt als Pflichtprogramm in alle Strukturen des Landes hineinzubringen.» Das Thema Sexualität sei «sehr, sehr sensibel, gerade für Kinder». Sie seien gezwungen, sich mit dem Thema «auf eine Weise zu beschäftigen, die sie vielfach überfordert». Das Wichtigste wäre, den Eltern die Möglichkeit einzuräumen, ihre Kinder vom Unterricht freizustellen.

Die Bewegung ist stark geprägt von konservativ-christlichen Gruppierungen, auch aus der pietistischen Tradition. Der Professor für systematische Theologie und Ethik an der Universität Heidelberg, Klaus Tanner, verweist darauf, dass diese Gruppierungen bereits im 19. Jahrhundert als Gegenbewegung zur Modernisierung der Gesellschaft entstanden seien. «Darauf reagieren diese Verbände, dazu gehört auch der Umgang mit Sexualität, gleichgeschlechtliche Lebenspaare, die Diskussion um Schwangerschaftsabbrüche.»

Das Aktionsbündnis «Demo für alle» wird von 23 Gruppen getragen. Mit von der Partie sind mehrere Evangelische Arbeitskreise (EAK) der Südwest-CDU. Grünen-Landeschef Oliver Hildenbrand kritisiert, diese CDU-Verbände stellten sich an die Seite der AfD und anderer ultrakonservativer Verbände und Personen, für die allein die traditionelle Familie eine gute Familie sei und Homosexualität eine Krankheit. EAK-Landesvorsitzende Sabine Kurtz, zugleich Abgeordnete zeigt Verständnis für die Kritik am Bildungsplan.

Ende 2013 wurde ein Arbeitspapier aus dem Kultusministerium bekannt. Darin stand unter anderem, wie das Thema Homosexualität und sexuelle Vielfalt im neuen Bildungsplan gestärkt und Akzeptanz dafür vermittelt werden könnte. Daraufhin startete ein Realschullehrer aus Nagold (Kreis Calw) eine Online-Petition. Die Pläne der Landesregierung zielten «auf eine pädagogische, moralische und ideologische Umerziehung an den allgemeinbildenden Schulen». Letztlich unterzeichneten mehr als 192 000 Menschen die Petition, zwei Gegenpetitionen unterstützten allerdings sogar mehr als 221 000 Menschen. Die Bildungsplan-Gegner riefen erstmals zu Demonstrationen auf. Grün-Rot lehnte die Petition des Lehrers ab. Kultusminister Andreas Stoch (SPD) fasste allerdings als Reaktion auf die Kritik den Gedanken der Toleranz weiter. Das Inkrafttreten des Bildungsplans wurde um ein Schuljahr verschoben.

Seit eineinhalb Jahren testet das Ministerium an Schulen in Baden-Württemberg die Bildungspläne – zunächst nur für die unteren Klassenstufen und einzelne Fächer, mittlerweile in den Klassenstufen eins bis acht. Regelmäßig geben die Lehrkräfte an den 21 Grundschulen und den 74 weiterführenden Schulen innerhalb von Workshops Rückmeldungen an das Kultusministerium. Vom 14. September bis zum 30. Oktober soll es eine Anhörung unter anderem von Vertretern der Wirtschaft und der Wissenschaft geben. (Stefanie Järkel, Oliver Schmale, dpa)

• zum Bericht: Kulturkampf im Ländle um „sexuelle Vielfalt“ – Philologen-Chef gibt sich unschuldig
• zum Kommentar von Nina Braun: Streit um „sexuelle Vielfalt“: Ein Scheinheiliger und viele Ideologen
• zum Bericht: Fast 200.000 Unterstützer für Online-Petition gegen Homosexualität im Unterricht

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