Streit um „sexuelle Vielfalt“: Ein Scheinheiliger und viele Ideologen

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Ein Kommentar von NINA BRAUN.

Die Bildungsjournalistin Nina Braun. Foto: Bildungsjournalisten.de
Die Bildungsjournalistin Nina Braun. Foto: Bildungsjournalisten.de

Um das Thema Sexualaufklärung in den Schulen in Baden-Württemberg ist ein Streit ausgebrochen, der auf andere Bundesländer überstrahlt – und mittlerweile fast hysterische Züge trägt. Der Krach gipfelte (vorläufig) in einer detailreichen Aufzählung sexueller Praktiken durch Philologen-Landeschef Saur, die jedem Normaldenkenden bei dem Gedanken, Schüler würden stundenlang im Unterricht damit behelligt, Schauer über den Rücken laufen lässt. Das war natürlich Kalkül. Deshalb ist der Rückzieher Saurs, er habe gar keinem Schulministerium unterstellen wollen, solche Themen in die Lehrpläne aufnehmen zu wollen, scheinheilig. Was hat er denn bitte sonst damit bezweckt? Lediglich Buchautoren zu kritisieren, deren Thesen keinerlei Aussicht auf Umsetzung haben – wie er uns nun weismachen will –, doch wohl kaum.

Auf der anderen Seite muss sich Grün-Rot die Kritik gefallen lassen, im ersten Entwurf des Bildungsplans allzu naiv (oder mutwillig?) die Thesen kruder Genderbewegter transportiert zu haben. Die berechtigten Sorgen von Eltern, ihre Kinder nicht zu früh und ungebremst sexuellen Inhalten aussetzen zu wollen, wurden offenbar nicht ernst genug genommen. Zunächst jedenfalls. Kretschmann hat reagiert und eine umfassende Überarbeitung angekündigt. Aber zu spät: Das Kind liegt im Brunnen.

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Doch, das muss hier mal gesagt werden, völlig ohne Not. Die Sexualaufklärung in Schulen ist ein überaus sensibles Themenfeld. Zum einen, weil es massiv in die Erziehungsverantwortung von Eltern eingreift. Zum anderen, weil es von Lehrern nicht wie gewöhnlicher Schulstoff vermittelt werden kann, sondern besonderes Einfühlungsvermögen und eine höchst individuelle Sicht auf die Schüler verlangt. Die schier grenzenlose Verfügbarkeit von Pornografie im Internet tut ihr übriges. Und trotzdem: Die Aufklärung in Schulen läuft höchst erfolgreich. Die Zahlen von Teenie-Schwangerschaften sowie die Zahlen von Abtreibungen Minderjähriger gehen bundesweit seit Jahren zurück – auch ein Verdienst der Schulen.

Darüber zu beraten, wie die Lehrerinnen und Lehrer bei dieser schwierigen Arbeit besser unterstützt werden können, das wäre eine sinnvolle Aufgabe für die Politik – statt darüber nachzudenken, was noch alles zusätzlich in die Lehrpläne gepfropft werden kann. Aber davon hört man nichts. Und an die streitenden Ideologen hüben wie drüben der Appell: Beruhigt Euch alle mal wieder! „Kulturkämpfe“ haben der Schule noch nie genützt.

Zum Bericht: Kulturkampf im Ländle um „sexuelle Vielfalt“ – Philologen-Chef gibt sich unschuldig

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6 Kommentare
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9 Jahre zuvor

Frau Braun, ich meine, Ihr Kommentar erfasst leider kaum die ganze schulpolitische oder gar gesellschaftspolitische Brisanz, die sich an der „sexuellen Vielfalt in dem Bildungsplan Baden-Württembergs entzündet hat.

Ich weiß jetzt nicht, ob der folgende Artikel aus der FAZ vom 14.10. hier schon einmal hineingestellt wurde. Unter der Überschrift „Unter dem Deckmantel der Vielfalt“ stellt A.Schmelcher überzeugend dar, dass sich hinter der unverdächtig klingenden „sexuellen Vielfalt“ deutlich mehr versteckt, als lediglich harmlose „Sexualaufklärung“.

http://www.faz.net/aktuell/politik/inland/experten-warnen-vor-zu-frueher-aufklaerung-von-kindern-13203307.html

Ursula Prasuhn
9 Jahre zuvor

“Kulturkämpfe” mögen der Schule noch nie genützt haben, Frau Braun, und doch finden sie seit Jahrzehnten statt, ohne dass ihnen – so wie jetzt – die nötige Beachtung, geschweige denn Kritik zuteil wurde. Ich stimme einem Leser zu, der einer Bildungsplan-Befürworterin und deren jammervollen Klagen über das Leid sexueller Minderheiten durch Benachteiligung und Intoleranz folgende Worte entgegenhält:

„(…)Denn im Zusammenleben und -wirken von Staat, Gesellschaft und Wirtschaft zählen zuförderst andere Punkte. Um miteinander auf Augenhöhe kommunizieren zu können, sind Lesen, Schreiben und Rechnen grundlegende Erfordernisse. Schon aus diesem Grunde bedaure ich Legastheniker um einiges mehr als eine(n) Bisexuelle(n), der/die das Tragen eines Rings als “Privileg” empfindet. (…)
Deswegen … geht mir das Theater um den Bildungsplan auf den Senkel. Soweit es die Befürworter sind, da die eigentlichen Erfordernisse einmal mehr Randthema bleiben (wenn überhaupt), die Gegner, weil sie (und das sehe ich auch als eigenes Versäumnis über Jahrzehnte an) einmal mehr auf das Spiel der Befürworter eingehen, anstatt den Kern der Dinge, ein restlos verhunztes und heruntergekommenes Bildungssystem, anzusprechen. Es wird im Kompromiss enden, und damit ist eine weitere Stufe des Aufweichens erreicht.
Ich habe um des leben Friedens willen lange genug mitgespielt und sehe mich daher in der Mitverantwortung für den schleichenden Niedergang. Mit Verlaub: diese Erkenntnis kotzt mich an. Und wenn ich das auch nicht mehr rückgängig machen kann: solch überflüssigem Schwachfug wie in BW trete ich nun schon aus Prinzip entgegen. Der Bildungsplan hat nur das Licht der Welt erblicken können, weil schon in der Vergangenheit ein schleichender Zersetzungsprozess eingeleitet wurde.
“Der Klügere gibt so lange nach, bis er der Dumme ist”. Das trifft in diesem Zusammenhang auf mich zu wie auch viele andere. Irgendwann ist Schluss.“

Reinhard
9 Jahre zuvor

Sehr geehrte Frau Braun, ich sehe Saur als Warner. Er hat – im Einklang mit den Notwendigkeiten der Mediengesellschaft – provoziert, aber lediglich Dinge genannt, die in den Unterrichtsvorschlägen von SchLau, GEW oder Genderaktivisten tatsächlich vorkommen. Man kann alles nachlesen, wenn man sich denn die große Mühe machen will, die Begrifflichkeiten durchschaut und einen festen Magen hat. Wenn die Regierung gar nicht vorhat, die Kinder solchen Konkretisierungen sexueller Vielfalt auszusetzen, muss sie nur sagen: „das machen wir doch gar nicht.“ Aber getroffene Hunde bellen.

Reinhard
9 Jahre zuvor
Antwortet  Reinhard

unter Pressemitteilungen / Was “sexuelle Vielfalt” auch bedeuten kann! bei http://www.phv-bw.de/
kann man nachlesen, was Bernd Saur selbst geschrieben hat. Ich persönlich fand es nicht scheinheilig, sondern sachlich.

Mutter
9 Jahre zuvor

Nachdem ich mich mit dem, was Herr Saur gesagt hat, eingehender beschäftigt habe, verstehe auch ich nicht, werte Frau Braun, warum Sie Herrn Saur als Scheinheiligen bezeichnen. Ich bin ihm dankbar, dass er mit seinen drastischen Worten klargemacht hat, auf welchem Trip namhafte Sexualpädagogen sind. Können Sie garantieren, dass diese als „renommierte Experten“ geltenden Leute nicht mit Leichtigkeit Einzug in den Sexualunterricht halten? Eine solche Gefahr anzusprechen im Zuge des Bildungsplans ist in meinen Augen ein Verdienst von Herrn Saur und kein hinterlistiges Kalkül, als das Sie es werten.
In einem Ihrer früheren Artikel haben Sie bereits deutlich gemacht, was Sie von den Bedenken der Eltern halten:
https://www.news4teachers.de/2014/01/debatte-um-homosexualitaet-bestaetigt-aufklaerung-ist-noetig/

Es ist Ihr gutes Recht, so zu urteilen. Mein gutes Recht ist allerdings auch, Ihre Meinung aus Elternsicht als blauäugig und/oder intolerant zu empfinden.

Diesen Artikel in der FAZ möchte ich Ihnen noch empfehlen, damit Sie Herrn Saur und uns Eltern vielleicht etwas besser verstehen:
https://demofueralle.files.wordpress.com/2014/10/faz-2014-10-23-aufklc3a4rung-oder-anleitung-zum-sex.jpg

Petra Werner
9 Jahre zuvor

Gerade gelesen:
„Die Aufarbeitung der Förderung pädosexueller Umtriebe durch die Grünen ist noch nicht am Ende. Das sagte der Göttinger Politikwissenschaftler Franz Walter der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen. Walter war von den Grünen mit der Aufarbeitung der Parteigeschichte beauftragt worden und hat vor kurzem seine Ergebnisse vorgestellt. (…)
Dass ernsthaft über die Freigabe sexueller Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern diskutiert werden konnte, lag Walters Ansicht zufolge auch an den Aussagen von Wissenschaftlern, auf die sich die Pädophilen »keineswegs rundum zu Unrecht« berufen konnten. Das Problem habe darin gelegen, dass das an den Universitäten als »Stand der Wissenschaft« gelehrt worden sei. Walter: »Wie es aber zu einem solchen ›Stand der Wissenschaft‹ an den Universitäten kommen konnte, das wäre einer gründlichen Untersuchung wert.«
Quelle: http://www.freiewelt.net/nachricht/forscher-gruene-paedosexuelle-knuepften-an-stand-der-wissenschaft-an-10047410/

Zum Artikel von Frau Braun allerdings passender:
http://www.rp-online.de/politik/sexualpaedagogik-ohne-grenzen-aid-1.4665407