GÜTERSLOH. Inklusion ist die größte bildungspolitische Herausforderung für die Schulen in Deutschland seit Jahrzehnten. Und doch scheint es vielerorts an der notwendigen Unterstützung der Lehrerschaft zu mangeln. Immer mehr Eltern schlagen Alarm – im niedersächsischen Osnabrück haben sich Schulelternräte zusammengeschlossen und eine Petition gestartet. Und eine aktuelle Studie zeigt auf, dass der gemeinsame Unterricht von Behinderten und Nicht-Behinderten in der Lehrerausbildung kaum angekommen ist.
„Spiegel online“ zitiert aus dem noch unveröffentlichten „Monitor Lehrerbildung”, der von der Bertelsmann Stiftung, dem Centrum für Hochschulentwicklung (CHE), der Telekom-Stiftung und dem Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft zusammengetragen wurde.
Danach sehen nur sechs Bundesländer Pflichtveranstaltungen zur Inklusion für alle künftigen Lehrerinnen und Lehrer im Studium vor, nämlich Bayern, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Bremen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg. Viele andere Länder konnten keine oder nur unklare Angaben machen. Der Befund überrasche, weil sich die Kultusminister der Länder bereits vor mehr als drei Jahren darauf verständigt hätten, dass Inklusion in der Ausbildung aller Lehrer eine Rolle spielen solle, so heißt es in dem Bericht. Entsprechend sparsam sei das Angebot der Hochschulen, um künftige Lehrer auf den gemeinsamen Unterricht behinderter und nicht behinderter Kinder vorzubereiten. Nur 15 der 60 Hochschulen, die zu dieser Frage Angaben machten, bieten laut „Spiegel online“ bereits Seminare und Kurse zur Inklusion an, die für Studenten aller Lehrämter verpflichtend sind. Geradezu exotisch seien verbindliche Praktika, bei denen auch angehende Gymnasiallehrer Erfahrungen mit behinderten Kindern machen könnten.
Sind behinderte Kinder in den Regelschulen „tief unglücklich“? Stellen viele Eltern ihre Kinder beim Einschulungstermin „noch behinderter darstellen, als sie eigentlich sind“ – um ihre Kinder auf diesem Weg vor der Regelschule mit Inklusion zu bewahren? Die „Osnabrücker Zeitung“ berichtet von entsprechenden Hinweisen. Tatsache ist: Die Schulelternräte von sechs Osnabrücker Grundschulen haben sich zusammengetan und eine Petition gestartet. Die Eltern wollten damit die Inklusion an den Grundschulen verbessern, so heißt es in dem Bericht des Blattes. Denn diese funktioniere in ihren Augen nicht. „Eine sonderpädagogische Grundversorgung von nur zwei Wochenstunden pro Klasse ist nicht ausreichend“, so zitiert die Zeitung eine Mutter. Die Lehrer in den Schulen müssten den Rest auffangen und das sei schier unmöglich, so die Frauen vom Schulelternrat.
Alle Kinder litten unter der momentanen Regelung, denn die Lehrkräfte könnten gar nicht allen Kindern gerecht werden. „Die Schüler, die sich leistungsmäßig mit mittleren Bereich befinden, kommen zu kurz. Die Lehrer können auch gar nicht auf einzelne Kinder eingehen“, sagt eine andere Mutter. Das führe automatisch zu Defiziten bei vielen Schülern – gerade bei den lernschwächeren. „Wir Eltern müssen mit den Kindern vieles zuhause nacharbeiten. Ohne das geht es kaum“, meint eine dritte. Der Schulelternrat fordert ausreichend Stunden für Förderschullehrer, und zwar für alle Förderbereiche, und eine Klassengröße von maximal 20 Schülern. Auch in Bonn haben sich besorgte Eltern wegen schlechter Rahmenbedingungen zusammengeschlossen.
Die Düsseldorfer Bundestagsabgeordnete Sylvia Pantel übt laut „Westdeutscher Allgemeiner Zeitung“ harsche Kritik am Konzept der Inklusion. „Ich betrachte die Entwicklung mit großer Sorge. Eltern haben künftig kaum noch Wahlmöglichkeiten zwischen Förder- und Regelschule. Auch die Differenzierung nach Förderschwerpunkten fällt weg. Ich halte es für eine Errungenschaft, dass wir differenzierte Angebote für unterschiedliche Begabungen und Leistungsfähigkeiten haben“, so zitiert die Zeitung die Christdemokratin. Pantel könne „nicht nachvollziehen, welchen Vorteil es für ein Kind bringt, wenn es seine Lebenszeit für ein unerreichbares Ziel vertut“. Eine individuelle und gute Förderung in einer kleinen Gruppe in einem geschützten Raum sei derzeit in Regelschulen kaum zu leisten, meint die Politikerin. Sie hält die jetzt betriebene „Inklusion um jeden Preis“ für kontraproduktiv. „Die besondere Förderung kann in den weiterführenden Regelschulen so nicht geleistet werden, weil es dort an Personal, Geld und Räumen fehlen“, erklärt Pantel, selbst Mutter von fünf Kindern. News4teachers
Zum Bericht: Inklusion: Philologenverband lehnt schwer geistig behinderte Schüler am Gymnasium ab