Ein Kommentar von NINA BRAUN.
Es gehört zu den demokratischen Selbstverständlichkeiten, dass im Wettbewerb um den Wähler unterschiedliche Ideen und Ansätze diskutiert werden. Blöd wird die Sache allerdings immer dann, wenn Entscheidungen, die naturgemäß längere Perspektiven als eine Legislaturperiode brauchen, hin und her gewendet werden. Der Atomausstieg beispielsweise lässt sich nicht mal eben nach vier Jahren revidieren, wenn eine neue Bundesregierung andere Prioritäten setzt. Auch die Frage, ob Deutschland in der Euro-Zone bleiben soll, ließe sich nicht mit einem wilden Zickzack-Kurs beantworten. Ob Nato-Mitgliedschaft oder Hochschulrahmengesetz – es braucht verlässliche Strukturen, damit sich der Staat nicht im Chaos verliert und der Bürger sich auf das Prinzip des Vertrauensschutzes verlassen kann.
Damit rühren wir an ein Kernproblem der Schulpolitik in Deutschland: die fehlende Kontinuität. So flott, wie die Landesregierungen mitunter am Steuerrad wechseln, bewegt sich der Supertanker Schulsystem nicht. Zehn Jahre, so veranschlagen Bildungsforscher, benötigen Schulreformen, bis sie Wirkung entfalten. Die durchschnittliche Verweildauer von Kultusministern im Amt ist aufgrund des enorm gewachsenen öffentlichen Drucks mittlerweile auf rund zweieinhalb Jahre gesunken. Und jeder neue bringt eigene Schwerpunkte und andere Ideen ein. Liebe Bildungspolitiker, wie wäre es mal damit, den Schulen statt eines Radikalumbaus Ruhe zu versprechen? Ihnen Zeit zu geben, um begonnene Reformen umsetzen und ihre Wirkung beurteilen zu können? Dass dies gehen kann, hat Nordrhein-Westfalen vorgemacht: Der dort von rot-grüner Landesregierung, Opposition, Lehrer- und Elternverbänden getroffene Schulkonsens hat verlässliche Strukturen geschaffen. Vorbildlich.
Interessant ist in diesem Zusammenhang, was der Neuseeländer John Hattie in seiner als Bibel der Bildungsforschung geltenden Meta-Studie herausgebracht hat: Der Rahmen ist nicht so wichtig; in erster Linie ist es die Qualität des Unterrichts, die zählt. Anders ausgedrückt: Auf die Lehrer kommt es an. Auf änderungswütige Schulpolitiker eher weniger. (Beitrag vom 1.9.2014, aktualisiert am 19.8.2015)