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Schulbesuch ihrer Kinder ist für viele Eltern zu teuer

HANNOVER. Grundsätzlich herrscht in Deutschland Schulpflicht und der Schulbesuch ist kostenlos. Doch selbst für den Fall, das Jugendliche im Konkurrenzkampf um Markenklamotten und Statussymbole nicht mitmischen, stellt es viele Eltern vor finanzielle Probleme wenn ihre Kinder zur Schule gehen. Verzichten manche Schulen mittlerweile bereits auf Klassen- und Materialkassen oder teure Klassenfahrten: Allein die unerlässliche Ausstattung an Materialien kann sich auf bis zu 300 Euro im Jahr belaufen. Sozialverbände fordern daher eine Verdoppelung der staatlichen Zuschüsse.

Rund 2,5 Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland gelten als armutsgefährdet. Mehr als 17 Prozent der unter 3-jährigen Kinder wächst in Familien auf, die von der staatlichen Grundsicherung leben. Meist haben sie es auch in der Schule schwerer. Wächst beispielsweise ein Kind bei nur einem Elternteil auf, hängt es am Ende der vierten Klasse in Mathe und Naturwissenschaften etwa ein halbes Lernjahr hinterher, so der UNICEF-Bericht zur Lage der Kinder in Deutschland. Auch dafür sei damit die soziale Lage entscheidend, denn Alleinerziehende sind häufiger arbeitslos und schlecht ausgebildet.

Bei der Anschaffung von Schulmaterial kommt schnell einiges an Kosten zusammen. Foto: ora international / flickr (CC BY-SA 2.0)

Kinder mit Armutshintergrund haben außerdem kaum Zugriff auf soziale und kulturelle Angebote. Nur zwölf Prozent von ihnen lernen ein Instrument. ergab eine Studie der Uni Bochum im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. Kinder aus finanziell unabhängigen Familien sind mit 29 Prozent dabei. Auch beim Zugang zu einem Sportverein hinkt die Gruppe mit 46 zu 77 Prozent hinterher.

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Beim Vergleich der Ergebnisse von Leistungstests mit den tatsächlichen Schulnoten von Kindern kamen Forscher aus Potsdam, Tübingen und Freiburg (i.Ü.) zu dem Ergebnis, das die soziale Herkunft erheblichen Einfluss auf die Notenvergabe hat. Zwar ließe sich die  Notenvergabe zu 49,4 Prozent mit der Leistung der Schüler erklären, aber die Noten korrelierten auch mit dem sozialen Status der Eltern und dem elterlichen Bücherbesitz als Anzeichen für die Bildungsnähe.

Eines der wichtigsten Ziele deutscher Bildungspolitik ist es, allen Kindern und Jugendlichen unabhängig von der finanziellen Situation ihrer Eltern die gleiche Chance auf eine gute Schulbildung zu ermöglichen. Nicht zuletzt sieht das 2011 eingeführte Bildungs- und Teilhabepaket einen Betrag von 100 Euro im Jahr vor, der bedürftige Familien die Ausstattung mit dem notwendigen Schulbedarf ermöglichen soll.

Doch dieser Betrag reicht bei Weitem nicht aus wie aus einer Studie des Sozialwissenschaftlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) im Auftrag der Diakonie Niedersachsen hervorgeht. Die jährlichen Kosten für Schulbedarf summieren sich in Niedersachsen auf teilweise mehr als 300 Euro pro Schüler. Im Durchschnitt reichen die Kosten von 180 Euro pro Schuljahr an Förderschulen bis zu 237 Euro an Gymnasien.

Der Mittelwert für alle Schulformen liegt über zehn Jahre bei 214 Euro pro Jahr. Der Betrag liegt damit mehr als doppelt so hoch wie der Betrag, den Kinder und Jugendliche aus ärmeren Familien aus dem Teilhabepaket erhalten.

«Teilhabegerechtigkeit ist nicht erreicht, sie ist aber das Ziel», sagte der Vorstandssprecher der niedersächsischen Diakonie, Christoph Künkel, bei der Vorstellung der ersten Teilergebnisse der Studie. Schon in der ersten Klasse seien die Ausgangsbedingungen für Schüler unterschiedlich.

Besonders hohe Kosten entstehen der Studie zufolge im Einschulungsjahr mit 307 Euro – dann sind neben einem Ranzen oder einem Tuschkasten auch ein Rucksack oder Turnschuhe fällig. Im Übergang zur fünften Klasse brauchen Schüler eine neue Grundausstattung, hinzu kommen neue Fächer: Das macht im Schnitt 330 Euro.

In den Klassen 7 oder 8 werden ein Taschenrechner, Wörterbücher oder Atlanten verlangt, zudem gibt es oft eine zweite Fremdsprache: Das schlägt mit 240 Euro zu Buche. Niemals liegen die Kosten unter 150 Euro. Hinzu kommen Leihgebühren für Bücher, Computer, Tablets oder Musikinstrumente, die außerhalb der Statistik blieben.

«Den Eltern fehlen im Durchschnitt 100 Euro, um ihre Kinder angemessen ausrüsten zu können.», resümiert Diakoniechef Künkel. Der staatliche Zuschuss müsse daher verdoppelt werden. Bei dieser Aufgabe müssten Bund und Länder zusammenwirken.

Die Forscher befragten für ihre Studie 321 niedersächsische Schulen. Dabei werteten sie Bedarfslisten aus und recherchierten die Preise in Discountern und Fachgeschäften. Eine Online-Befragung von rund 500 Lehrern gab Auskunft über zusätzliche Kosten. Erarbeitet wurde die Studie vom Sozialwissenschaftlichen Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). (zab)
• Leistungen des Bildungs- und Teilhabepakets (Familienministerium NRW)
• zum Bericht: UNICEF-Report: Arme Kinder in Deutschland werden abgehängt
• zum Bericht: Arme Schüler bekommen schlechtere Noten – bei gleicher Leistung

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