DÜSSELDORF. Weniger Latein, dafür mehr digitale Bildung und mehr Inklusion: Die Lehrerausbildung in Nordrhein-Westfalen wird nachjustiert. Damit will die rot-grüne Landesregierung auf neue Herausforderungen reagieren. Altphilologen sehen ihren Beschluss, die Latinumspflicht für Lehramtsstudenten an Gymnasien und Gesamtschulen in modernen Fremdsprachen zu streichen, kritisch.
Lateinkenntnisse verlieren in der künftigen Lehrerausbildung in Nordrhein-Westfalen an Bedeutung. Wer eine moderne Fremdsprache für das Lehramt an Gymnasien oder Gesamtschulen studieren will, braucht künftig kein Latinum mehr zwingend nachzuweisen. In den Fächern Geschichte und Philosophie reicht das Niveau des kleinen Latinums aus. Das sieht der Entwurf für eine Änderung des Lehrerausbildungsgesetzes vor, den das Kabinett in Düsseldorf gebilligt hat. Das Gesetz muss noch vom Landtag verabschiedet werden. Latein sei für den Unterricht in Englisch, Französisch, Italienisch und Spanisch zwar förderlich, heißt es laut „Rheinischer Post“ beim Schulministerium, aber nicht zwingend.
Nikolaus Mantel, Vorsitzender des Altphilologenverbandes NRW, ist darüber „not amused“. „Ich fürchte, dass die Studenten in diesen Fächern nicht mehr richtig auf ihren Beruf vorbereitet werden”, sagte Mantel bereits im vergangenen Jahr (als die Reform erstmals diskutiert wurde) dem Blatt. Um eine Sprache fundiert zu studieren, gehörten für ihn Lateinkenntnisse dazu. Nur über den Umfang könne man streiten, meinte der Lateinlehrer.
Den Anstoß zur Reduzierung der Relevanz von Latein im Lehramtsstudium hatte vor zwei Jahren der Asta der Ruhr-Uni Bochum gefordert – mit einer Online-Petition, die rund 10.000 Unterstützer fand. Ein häufig dabei genanntes Problem der Studenten: Das Latinum gefährde ihre Regelstudienzeit; für die Zusatzsemester werde das Bafög gestrichen. Norbert Jacke, Chef der Lehrerausbildung an der Uni Bielefeld, hat Verständnis für das Argument. Er sagte gegenüber der „Neuen Westfälischen“: „Das Latinum nachzuholen ist immer studienzeitverlängernd.“ Wer zweimal durch die Prüfung falle, dürfe außerdem im Studienfach nicht am Gymnasium unterrichten. Auf das Lehramt für Realschule, Hauptschule oder deren entsprechende Zweige der Gesamtschule auszuweichen sei wegen der Unterschiede in den jeweiligen Studienplänen hin und wieder problematisch. „Das kommt bei uns immer mal wieder vor.“
Ein Vorstoß, den drohenden Wertverfalls von Latein in der Lehrerausbildung abzuwenden, scheiterte: Ein Besuch des Vorstands der Altphilologen bei NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) im vergangenen Jahr endete für die Gäste „enttäuschend“, so die „Rheinische Post“.
Die CDU im Land hat sich deren Sache dafür zueigen gemacht. „Bei Frau Löhrmann ist das Absenken der Qualität in unseren Schulen zum Programm geworden. Fundierte Bildung und Wissensvermittlung brauchen vernünftige Grundlagen. Das Abendland beruht auf den Werten und Worten, die mit dem Latinum verbunden sind“, meinte der stellvertretende Chef der CDU-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag, Klaus Kaiser, dem Bericht zufolge. Wer das Latinum entwerte, der lege letztlich die Axt ans Gymnasium.
Im Entwurf ist vorgesehen, dass Lehramtsanwärter auch mit Blick auf die Inklusion besser auf den Umgang mit digitalen Medien vorbereitet werden. Bereits im Mai hatte Löhrmann dazu erklärt: “Gerade mit Blick auf Inklusion bieten digitale Medien neue Möglichkeiten für die individuelle Förderung.” Bis 2019 will das Land 4,5 Millionen Euro in die Medienausstattung für die schulpraktische Lehrerausbildung investieren.News4teachers / mit Material der dpa
Zum Bericht: Gabriel: Lieber ökonomische Bildung und Programmieren – als Latein