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AfD will keinen Islam-Unterricht: EKD-Vorsitzender ist ein «gefährliches Irrlicht», meint Gauland

BERLIN. Der stellvertretende AfD-Vorsitzende Alexander Gauland hat den dunkelhäutigen deutschen Fußball-Nationalspieler Jerome Boateng beleidigt („Die Leute finden ihn als Fußballspieler gut. Aber sie wollen einen Boateng nicht als Nachbarn haben“) und damit am Wochenende für Schlagzeilen gesorgt. Das war allerdings nicht die einzige Provokation, die sich Gauland in den letzten Tagen leistete: Er nannte die Forderung des Ratsvorsitzenden  der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, den Islam-Unterricht auf alle Schulen auszuweiten, „irre“. Solcher Unterricht wird in bereits sieben Bundesländern angeboten.

Teilt gerne aus: AfD-Vize Alexander Gauland. Foto: Metropolico.org / flickr (CC BY-SA 2.0)

«Einmal abgesehen davon, dass wir derzeit viel wichtigere Baustellen im Schulunterricht haben, kann es nicht wahr sein, dass ein christlicher Bischof den Islam fördert», befand Gauland. In Zeiten von massiven Kirchenaustritten sollte sich Bedford-Strohm besser um die Christen kümmern, die ihm in Scharen den Rücken kehrten. Der Bischof sei «kein guter Hirte, sondern ein gefährliches Irrlicht, das das Schiff seiner Gemeinde in bedrohliche Untiefen leitet».

Der EKD-Ratsvorsitzende hatte flächendeckenden Religionsunterricht für Muslime als Mittel gegen radikal-islamische Indoktrinierung empfohlen. Bedford-Strohm sagte: «Sie können zugleich Neues über den Islam lernen – und das auf dem Boden des Grundgesetzes.» Islamischer Religionsunterricht wird bisher an Schulen in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen, Rheinland-Pfalz und im Saarland angeboten.

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Ein Beispiel aus der Praxis

Wie sieht solcher Islam-Unterricht aus? Anlässlich der Einführung in Nordrhein-Westfalen berichtete News4teachers vor drei Jahren von einer Grundschule in Bonn-Bad Godesberg, die zu den Pionieren gehörte.

«Salam – as salam aleikum – Islam bedeutet Frieden, lasst uns Frieden machen!» 23 Schülerinnen und Schüler einer dritten Klasse singen gemeinsam mit ihrem Lehrer auf Arabisch und Deutsch das Begrüßungslied zu Unterrichtsbeginn. Die Kinder erfahren den Islam aus ihrer Glaubensperspektive auch in der Schule und nicht nur im Elternhaus oder in der Moschee. «Die Schule ist hier neben Familie und Gemeinde eine wichtige dritte Instanz», erklärt der Lehrer. Hier könne der Glaube auch mal «etwas mit Abstand betrachtet und kritisch hinterfragt werden».

Wichtig sei, den Schülern im Baustein «Soziales Zusammenleben» eine Handlungsorientierung aufzuzeigen, betont der Pädagoge, der der deutschen Schulaufsicht untersteht. So heißt das Thema des Unterrichts an diesem Tag: «Vom Streit zur Versöhnung». «Die Schüler sollen lernen: Ich bin Moslem, was bedeutet das in meinem Leben, wie gehe ich mit Anderen um?» Die Kinder sind konzentriert bei der Sache und bringen ihre eigenen Einschätzungen ein. Die acht Jahre alte Amrin sagt, sie finde den Unterricht gut, und ihre Mitschüler pflichten ihr bei.

Islamischer Religionsunterricht fördert nach Ansicht des Lehrers, eines Deutschstämmigen, der selbst zum Islam konvertierte,  die Integration. Für radikale Ansichten gebe es keinen Raum, auch eine Abwertung anderer Religionen finde nicht statt. «Interreligiös» heißt die Linie. «Im Unterricht werden auch andere Religionen besprochen», sagt der Pädagoge. Mit den anderen Religionslehrern gebe es auch gemeinsame Exkursionen etwa in Kirchen, Synagogen, Moscheen oder auch gemeinsame Feste.

Da der neue Islamunterricht in Nordrhein-Westfalen «bekenntnisorientiert» sein soll, bedeutet dies, dass auch das Beten gelehrt oder mal ein Bittgebet gesprochen werde, erläutert der Lehrer. «Religionsunterricht ist aber kein Gebetsunterricht.» Selbstverständlich werde mit dem Koran gearbeitet, «wenn auch nicht ständig Koransuren untersucht werden». Für die Schulleiterin ist der Islamunterricht ein Erfolg, weil er eine «Brücke» baue. «Die Eltern beider Seiten finden es gut, dass so das Miteinander gefördert wird, auch unter den Eltern. Auch muslimische Mütter fühlen sich stärker angenommen, haben mehr Vertrauen, übernehmen auch Aufgaben oder beteiligen sich an Exkursionen.»

Solche Integrationsbemühungen sollen „irre“ sein, und ihre Befürworter „gefährlich“?  Gauland hatte seine Beleidigung des Nationalspielers Boateng gegenüber der FAZ damit begründet,  dass es unter den AfD-Anhängern die Sorge gebe, „dass eine uns fremde Religion sehr viel prägender ist als unsere abendländische Tradition“. Und diese große Zahl der Fremden komme nun einmal aus Regionen, in denen vor allem Muslime lebten. Boateng übrigens ist bekennender Christ. News4teachers

Zum Bericht: EKD-Präsident facht Debatte um Islam-Unterricht an

Die Haltung der Kirchen zum Islam-Unterricht
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, plädiert für einen «flächendeckenden Islamunterricht» an deutschen Schulen. Das sei die beste Möglichkeit, junge Muslime immun zu machen gegen Versuchungen des Fundamentalismus, sagte der Münchner Landesbischof der «Heilbronner Stimme». Junge muslimische Schüler müssten die Möglichkeit erhalten, sich kritisch mit der Tradition ihrer Religion auseinanderzusetzen. «Sie können zugleich Neues über den Islam lernen – und das auf dem Boden des Grundgesetzes», sagte Bedford-Strohm. Er sei dafür, dass islamische Verbände wie christliche Kirchen den Religionsunterricht an den Schulen selbst verantworten. Dafür wünsche er sich, «dass die Muslime in Deutschland sich so aufstellen, dass es klare Ansprechpartner für den Staat gibt».

Für die katholische Kirche in Deutschland teilte die Bischofskonferenz mit, sie habe sich schon vor Jahren für einen islamischem Religionsunterricht «auf der Grundlage der entsprechenden Artikel des Grundgesetzes» ausgesprochen, sagte der Sprecher der Bischofskonferenz, Matthias Kopp.

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