OSNABRÜCK. Ist das Verhältnis von Lehrern und Eltern auf dem Tiefpunkt? „Lehrer sind zum Mülleimer der Gesellschaft geworden“ – von Vätern und Müttern müssten sich Lehrkräfte mitunter ätzende Kritik anhören, sagt aktuell Richard Lauenstein, Vorstandsmitglieder der GEW Niedersachsen gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ) Kein ganz neuer Befund: Selbst Banalitäten wie der Sitzplatz des Kindes in der Klasse sind für manche Väter und Mütter mittlerweile Anlass, mit dem Anwalt zu drohen, hatte unlängst Hans-Peter Etter, Leiter der Rechtsabteilung des Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverbands (BLLV) in einem Gastbeitrag auf News4teachers berichtet.
Das Verhältnis zwischen Eltern und Lehrern sei sehr belastet, meint GEW-Vorstand Lauenstein laut NOZ. Eine wesentliche Ursache dafür seien überhöhte Anforderungen an die Lehrer. Sie sollten neben dem Unterricht auch noch die komplette Erziehung übernehmen – was sie überfordere. Dafür aber brächten die Eltern nur wenig Verständnis auf. „Die Eltern denken häufig, es sei leicht als Lehrkraft. Aber alle Defizite der Gesellschaft werden auf die Lehrer drauf gepackt. Sie sind dadurch an der Grenze der Belastbarkeit“, so sagt Lauenstein laut Bericht.
Ein Befund, der vom Verband Niedersächsischer Lehrkräfte (VNL) geteilt wird. Eltern würden immer häufiger mit einem juristischen Nachspiel drohen – etwa wenn ihnen die Noten ihrer Kinder nicht passten. „Die Hemmschwelle, Lehrer mit einem Anwalt einzuschüchtern zu versuchen, ist viel niedriger als früher“, sagt VNL-Vorsitzender Manfred Busch gegenüber dem Blatt. „Der Umgang mit den Lehrerinnen und Lehrern ist im Allgemeinen rauer geworden. Entscheidungen, Verfügungen, Aufsichtspflichtverletzungen, Erziehungsmaßnahmen, Noten, Zeugnisse und vieles mehr werden kritisch hinterfragt. Von dieser bestimmten Sorte Eltern aber eben gerne auch mit freundlichen Grüßen vom Anwalt“, so hatte BLLV-Jurist Etter geschrieben.
Das Problem wird auf Seiten der Eltern durchaus erkannt. „So kann es nicht weitergehen, es muss etwas passieren“, so zitiert die NOZ Stefan Bredehöft, den Vorsitzenden des Landeselternrates Niedersachsen. Die Verantwortung für das „durchwachsene“ Verhältnis trügen allerdings beide Seiten. Während Eltern zu selten das Gespräch mit den Lehrern suchen würden, seien diese wiederum oftmals überfordert mit den neuen Anforderungen, die an sie gestellt werden, sagt Bredehöft. „Beide Seiten reden nicht offen miteinander“, so sagt er laut Bericht.
Unsicherheiten auf beiden Seiten
Bundeselternratsvorsitzender Michael Töpler erklärte im News4teachers-Interview: „Ich glaube schon, dass es in den letzten Jahren etwas schwieriger geworden ist. Es gibt Unsicherheiten auf beiden Seiten.“ Lehrkräfte sähen sich enormen Herausforderungen gegenüber und fühlen sich dafür oft genug nicht genug wertgeschätzt. Und Eltern verstünden nicht immer, was in der Schule passiert. Töpler: „Eltern orientieren sich an dem, was sie kennen. Neuerungen stehen sie oft skeptisch gegenüber. Dazu kommen Ängste, die mit der Globalisierung zusammenhängen: Können unsere Kinder beispielsweise später den Wettbewerb mit Koreanern bestehen, die angeblich 20 Stunden am Tag lernen? Früher war sicher: Wer studiert, wer eine gute Bildungskarriere macht, bekommt auch einen guten Arbeitsplatz. Heute erscheint gar nichts mehr sicher.“
Auch VNL-Chef Busch sieht im wachsenden Druck von außen eine wesentliche Ursache für das zunehmend gereizte Klima. „Ein guter Schulabschluss bestimmt häufig den weiteren Verlauf des Lebens. Der Leistungsdruck ist daher viel größer geworden. “ Eltern wollten ja nur das Beste für ihre Sprösslinge. Viele von ihnen gerieten aber in Panik, wenn ihre Kinder mit schlechten Noten nach Hause kämen – und würden dann den Lehrern die Schuld daran geben. News4teachers
Zu unsererKolumne: War das ein Vorwurf? Frau Weh versucht sich bei der Elternarbeit in Diplomatie
