Ein Kommentar von News4teachers-Herausgeber Andrej Priboschek.
Endlich. Und das ist dann auch schon der einzige Einwand, der mir zur Initiative von Bundesbildungsministerin Wanka zur Digitalen Bildung einfällt – nämlich, dass die auch schon fünf Jahre früher hätte kommen können. Dass die Schulen mit einem Fünf-Milliarden-Euro-Paket beglückt werden sollen, um technisch aufzurüsten und die Ausstattung den Anforderungen des 21. Jahrhunderts anpassen zu können, ist eine erfreuliche Nachricht. Ein guter Tag für die Bildung in Deutschland. Und der gehandelte Betrag ist kein Pappenstiel: Auf die rund 40.000 Schulen in Deutschland umgelegt, bleiben im Schnitt mehr als 100.000 Euro pro Schule. Damit lässt sich schon arbeiten.
Das ist allerdings auch bitter nötig. Fast ein Drittel der Jugendlichen in Deutschland, so hat uns die „Computer-PISA“-Studie ICILS gezeigt, verfügt über so geringe Kompetenzen im Umgang mit digitalen Medien, dass sie kaum in der Lage sein werden, spätere Ansprüche im Beruf zu erfüllen und am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen – sie sind faktisch als Analphabeten im Internet unterwegs.
Schlichter Modernismus?
Und hier liegt das Missverständnis, das denjenigen unterläuft, die digitale Technik im Klassenzimmer für verzichtbar halten: Es geht nicht darum, aus einem schlichten Modernismus heraus den Unterricht an den Bildschirm zu verlegen und den Lehrer durch ein Lernprogramm zu ersetzen. Es geht auch nicht darum, den Unterricht mit flotten Bildschirm-Präsentationen lustiger zu machen. Keiner stellt ernsthaft solche Forderungen.
Es geht darum, das Aneignen von Wissen und das Üben von Gelerntem bedarfsgerechter zu steuern. Programme, die individualisiertes Lernen ermöglichen, können zwar immer nur eine Ergänzung sein, aber – immerhin – eine vertiefende und deshalb sinnvolle. Und es geht um Medienkompetenz, eine grundlegende Bildungsvoraussetzung, ohne die sich heutzutage eigenständig nicht weiterlernen lässt.
Dabei ist Medienkompetenz – zunächst – keine Frage des Trägermediums. Auch mit Büchern lässt sich kritisch umgehen. Das Internet jedoch hat seine eigenen Gesetzmäßigkeiten, die sich mit Papier nicht ergründen lassen.
Beispiel „Wikipedia“: Die Schülerrecherche zu Hause erschöpft sich meist in der Nutzung der Online-Enzyklopädie, wenn nicht sogar schon im Kopieren der Google-Treffer-Liste. Tatsächlich mögen manche Lehrer noch den Hinweis mitgeben, dass aus Wikipedia entnommene Informationen gegengecheckt werden müssen. Aber da fangen die praktischen Probleme an: Wo denn? Wo bekommt ein Schüler verifizierte Informationen, mit denen er einen Wikipedia-Beitrag prüfen kann? Soll er allen Ernstes zur nächsten Stadtbücherei radeln, um mit dem Ausdruck des Wikipedia-Artikels in der Hand in einer gedruckten Bockhaus-Ausgabe von 1980 zu stöbern? Weiß der Schüler überhaupt, warum die Informationen aus Wikipedia kritisch hinterfragt werden müssen (nämlich weil darin im Prinzip jeder herumschreiben kann). Und: Weiß es sein Lehrer?
Das Internet hat die Veröffentlichung von Informationen ungemein vereinfacht und demokratisiert. War früher ein großer Apparat dafür notwendig, Texte oder Bilder in die Fläche zu bringen – ob eine Druckerei, ein Fernsehstudio, eine Redaktion sowie ein notwendiger Vertrieb –, so bedarf es heute nicht einmal mehr einer Homepage, um sich mitzuteilen. Die sozialen Medien tun’s ja auch. Konnte man früher also zurecht davon ausgehen, dass eine veröffentlichte Information von wem auch immer geprüft worden ist und deshalb zumindest grober Unsinn ausgesiebt wurde, so gelangt heute alles und jedes ungefiltert ins Netz. Manches wichtige und richtige. Sehr viel Quatsch. Und in dieser Informations- und Desinformationsflut sollen sich junge Menschen ohne Anleitung durch die Schule zurechtfinden? ICILS hat gezeigt: Das funktioniert nicht.
Die wohl wichtigste Erkenntnis aus der Studie war die, dass auch „digital natives“ – anders als bislang angenommen – sich Medienkompetenz nicht selbstständig aneignen. Dazu bedarf es der Anleitung. Durch Lehrer aus Fleisch und Blut. Aber an Bildschirmen. Autofahren lässt sich nicht allein aus Büchern lernen, und das Navigieren im Netz eben auch nicht.
Palette von Möglichkeiten
Nun ist es natürlich nicht mit der Ausstattung getan. Technik allein macht keinen guten Unterricht. Das Schicksal von „Sprachlaboren“ in den 70-er Jahren und von elektronischen „Whiteboards“ in den 00-ern, Geräten also, die nach anfänglicher Begeisterung aufgrund von fehlenden didaktischen Nutzungs- und Anschlussmöglichkeiten vielerorts zu Staubfängern wurden, sollte Mahnung sein. Richtig ist aber auch: Ohne Ausstattung geht in Sachen Digitaler Bildung nunmal nichts. Sie ist die Voraussetzung für alles weitere.
Ob Sie als Lehrer in den Naturwissenschaften Versuche langwierig aufbauen müssen oder auch mal gefilmte Sequenzen ohne vorherigen Aufwand nutzen können, ob Sie für den Sprachenunterricht geeignete unsynchronisierte Filmausschnitte erst mühsam besorgen und vorbereiten müssen oder eine sekundenschnelle Kommunikation ihrer Schüler mit einer Partnerklasse im Ausland ermöglichen können, ob Sie in Mathematik Aufgabenbögen kopieren müssen oder geprüfte Lernprogramme für Übungen und Wiederholungen einsetzen können und ob Ihnen in Geschichte nur Bücher zur Verfügung stehen oder Sie schnell auch mal auf eine passende und eindrucksvolle Dokumentation zurückgreifen können – die Palette der neuen methodischen Möglichkeiten ist riesig. Ist die Ausstattung vorhanden, liegt’s an den Lehrkräften, die Chancen zu nutzen.