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Josef Kraus beklagt „Notendumping“ mancher Bundesländer – und fordert von Bayern, deren Abitur nicht mehr anzuerkennen. GEW ist empört

Josef Kraus, Präsident des Deutschen Lehrerverbands. Foto: Deutscher Lehrerverband

Josef Kraus, Präsident des Deutschen Lehrerverbands. Foto: Deutscher Lehrerverband

BERLIN. Das Abitur in Deutschland ist zu lasch. Gute Schulnoten würden inflationär vergeben – meint jedenfalls Josef Kraus, Präsident des Deutschen Lehrerverbands. Er verlangt, dass Länder mit hohen Anforderungen die Abschlüsse von  Ländern, die angeblich Notendumping betreiben, nicht mehr anerkennen. Die GEW zeigt sich empört. Sie wirft Kraus eine „rückwärtsgewandte Bildungspolitik“ vor. „Er strebt damit offenbar die Rückkehr in die Kleinstaaterei im Bildungsbereich an“, meint Tom Erdmann, Vorsitzender der Berliner GEW.

Ein Mann der klaren Worte: Josef Kraus. Foto: Deutscher Lehrerverband

Die Schulnoten würden hierzulande immer besser. Allein in Berlin habe sich die Zahl der Abiturzeugnisse mit einem Notendurchschnitt von 1,0 innerhalb von zehn Jahren vervierzehnfacht, beklagt Kraus in der “Bild”-Zeitung. Eine ähnliche Entwicklung sei auch in Thüringen, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen zu beobachten. Die „Inflation“ guter Schul- und Abiturnoten deute nicht auf eine Verbesserung der Schüler, sondern auf ein Nachlassen der Anforderungen hin, meint der meinungsstarke Chef des Deutschen Lehrerverbands. Und betont: Zeugnisse dürften „nicht zu ungedeckten Schecks werden“.

Beispiele gefällig? “Im Latein-Lehrplan NRW taucht 202 Mal das Wort Kompetenz auf, nicht ein einziges Mal der Name Seneca oder Cicero, sagte Kraus. Weiter: “Es kann nicht sein, dass ein Prüfling in Bayern seine mündliche Aufgabe 30 Minuten vor der Prüfung gestellt bekommt, in Hamburg aber für eine mündliche Prüfung in Form einer Präsentation zwei Wochen Zeit hat.” Aus dem Abitur müsse wieder „ein Attest für Studienbefähigung und nicht für Studienberechtigung werden“, sagte Kraus, der bis zu seiner Pensionierung ein Gymnasium in Bayern leitete. Als Gegenmaßnahme sollten „anspruchsvolle Bundesländer“ wie Bayern  die Abiturzeugnisse „anspruchsloser Bundesländer“ wie Berlin nicht mehr anerkennen.

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Für den Berliner GEW-Landeschef Erdmann ist das ein Unding. Er verweist darauf, dass sich die Kultusminister der Länder im Oktober 2012 auf einheitliche Bildungsstandards in den Fächern Deutsch, Mathematik und der ersten Fremdsprache geeinigt haben, um eine höhere Vergleichbarkeit untereinander zu gewährleisten. Ab diesem Schuljahr 2016/17 steht ein gemeinsamer Pool an Aufgaben für den Einsatz in der Abiturprüfung zur Verfügung. „Die Vergleichbarkeit ist also vorhanden. Die Forderung von Herrn Kraus ist nichts als Populismus“, erklärt Erdmann. „Im Übrigen liegt der Berliner Abiturdurchschnitt seit Einführung des Zentralabiturs konstant bei etwa 2,5.“

Die Äußerungen von Kraus nach Ansicht der GEW wenig hilfreich, denn sie verunsicherten Schüler wie Eltern, die sich auf eine hohe Mobilität innerhalb Deutschlands verließen. Erdmann: „Statt den Föderalismus im Bildungsbereich in geregelte Bahnen zu lenken, will der Deutsche Lehrerverband ihn offenbar verschärfen. Für uns ist ganz klar: Ein Berliner Abitur muss ohne Wenn und Aber in allen Bundesländern anerkannt werden!“ Agentur für Bildungsjournalismus / mit Material der dpa

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