MÜNCHEN. Im Eiltempo hat sich die CSU auf Druck von Ministerpräsident Seehofer zur Rückkehr zum Abitur nach neun Jahren geeinigt. Knapp ein Jahr vor dem Start nehmen die praktischen Details konkretere Konturen an. „Alle Erwartungen an die neue Stundentafel für das neunjährige Gymnasium zu erfüllen, gleicht der Quadratur des Kreises. Demnach verwundert es auch nicht, dass der heute vorgelegte Entwurf einige Probleme mit sich bringt”, erklärte Simone Fleischmann, Präsidentin des Bayerischen Lehrerinnen- und Lehrerverbands (BLLV).
Das neue neunjährige Gymnasium bietet den Schülern im Freistaat – verteilt auf die gesamte Laufzeit – rund 19 Wochenstunden mehr Unterricht als bislang. Die Schüler hätten damit nicht nur ein zusätzliches Lernjahr mehr, sondern auch mehr Stunden, um sich auf das Abitur vorzubereiten, sagte Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) am Dienstag in München bei der Präsentation der neuen Stundentafel. Diese war in den vergangenen Monaten mit den Verbänden ausgearbeitet worden. «So können wir Studierfähigkeit, vertiefte Allgemeinbildung, Reflexionsfähigkeit und Verantwortungsbewusstsein bei den künftigen Absolventen sicherstellen.» Knapp ein Jahr vor dem Start des neuen G9 seien die Vorbereitungen voll im Zeitplan, betonte Spaenle.
Die CSU hatte die Rückkehr zum G9, die Teil eines größeren Bildungspakets ist, im Frühjahr beschlossen. Start soll zum Schuljahr 2018/19 für die Klassenstufen fünf und sechs sein. Schüler sollen aber die Möglichkeit haben, die elfte Klasse auszulassen und weiterhin in acht Jahren zum Abitur zu kommen. Die CSU hatte mit dem G9-Beschluss einen Schlussstrich unter jahrelange Diskussionen und teils heftigen internen Streit gezogen. Der Landtag muss der Reform noch zustimmen – das ist aber eine Formsache.
Die Stundentafel sieht unter anderem für die Grundlagenfächer Deutsch, Mathematik und die Fremdsprachen durchgängig mindestens drei Wochenstunden pro Jahrgangsstufe vor. In der völlig neu konzipierten Jahrgangsstufe 11 soll die politische Bildung fächerübergreifend gestärkt werden. Dazu sollen alle relevanten Fächer (Geschichte, Sozialkunde, Geografie, Wirtschaft und Recht) gleichzeitig angeboten werden. Zur individuellen Förderung stehen ferner sogenannte Intensivierungsstunden (drei verpflichtend, sechs freiwillig) und die Möglichkeit zur individuellen Lernzeitverkürzung von neun auf acht Jahre – und zwar pädagogisch begleitet zur Auswahl.
Darüber hinaus soll das Leitfach Informatik als eigenständiges, zweistündiges Pflichtfach in allen Ausbildungsrichtungen in der Jahrgangsstufe 11 unterrichtet werden – in den Jahrgangsstufen 5 bis 11 mit je 4 Wochenstunden. Auch die Naturwissenschaften sollen gestärkt werden: In allen Ausbildungsrichtungen wird in der Mittelstufe Chemie künftig dreistündig in der Stufe 9 unterrichtet. «Wir können viele Fächer stärken, nicht eines wird schlechter gestellt», sagte Spaenle. Reduziert werde nur der obligatorische Nachmittagsunterricht in der Unter- und Mittelstufe – das sei ein Wunsch vieler Schüler und Eltern gewesen.
«Wir Schüler begrüßen die Möglichkeit, in der 11. Jahrgangsstufe Kunst oder Musik abzulegen und somit die Fächervielfalt zumindest um ein Fach zu reduzieren», sagte Landesschülersprecherin Acelya Aktas. Jedoch hätten sich die Schüler mehr Wahlfreiheit und Vertiefungsmöglichkeiten gewünscht.
“Etwas mehr Mut”
Deutliche Kritik kam hingegen vom BLLV. “Die neue Stundentafel lässt befürchten, dass die Taktung an den Schulen noch enger wird – für die Hauptfächer stehen nun in vielen Jahrgangsstufen weniger Wochenstunden zur Verfügung. Auch die Zahl der Intensivierungsstunden wurde stark zurückgefahren”, erläuterte Präsidentin Fleischmann. “Einzelne Fächer verlieren zudem an Kontinuität. Das Fach Geografie beispielsweise wird nur noch ‚lückenhaft‘ unterrichtet, nämlich in den fünften, siebten und zehnten Jahrgangsstufen, in den sechsten achten und neunten nicht. Die neue Stundentafel ist auch für den MINT-Bereich problematisch, weil die Fächer Chemie und Biologie in den elften Jahrgangsstufen nicht mehr unterrichtet werden.”
Der BLLV hätte sich nach Fleischmanns Angaben “etwas mehr Mut für eine echte pädagogische Reform gewünscht. Aus unserer Sicht wäre beispielsweise ein Projektfach in der Mittelstufe sinnvoll gewesen, in dem Lerninhalte der verschiedenen Sachfächer gebündelt und mit hohem Lebensweltbezug abgedeckt hätten werden können.” Für die noch ausstehende Reform der Oberstufe erhoffe sich der BLLV eine deutliche Ausweitung der Vertiefungs- und Wahlmöglichkeiten. Fleischmann: “Vor allen Dingen sollte Bayern wieder zu dem Vier-Fächer-Abitur zurückkehren und die Verpflichtung für Deutsch und Mathematik als Abiturfächer wieder zurücknehmen. Die Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern steigen durch guten Unterricht, nicht durch eine verpflichtende Prüfung am Ende des Bildungsgangs.“ News4teachers / mit Material der dpa

