BERLIN. Die jüdische Organisation American Jewish Committee beklagt einen zunehmenden Antisemitismus bei muslimischen Jugendlichen in Berliner Schulen. Antisemitismus und Hass auf Israel seien Teil der islamistischen Ideologie, sagte die Direktorin des Berliner Büros der Organisation, Deidre Berger. Und diese – nicht zuletzt der Salafismus – habe große Anziehungskraft auf junge Leute. Zwar sei das Problem der Radikalisierung muslimischer Jugendlicher nicht auf Berlin beschränkt. Jedoch seien Senat und Zivilgesellschaft gut beraten, hier «mit wachem Auge draufzuschauen».
Als Indiz für die Entwicklung präsentierten die Organisation und Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) Ergebnisse einer Umfrage, in die Antworten von 27 Lehrern aus 21 Schulen einflossen. Etliche berichteten von antijüdischen oder israelfeindlichen Äußerungen muslimischer Schüler. Ein Drittel der befragten Lehrer nimmt Konflikte zwischen den religiösen Vorstellungen einiger Schüler und den in der Schule vermittelten demokratischen Werten wahr. Die Umfrage ist – wie betont wird – nicht repräsentativ und nicht auf alle Schulen übertragbar. Sie sei aber ein Stimmungsbild, das der Senat sehr ernst nehme, sagte Scheeres.
Identifikation mit dem Islam
Die Lehrerinnen und Lehrer, so heißt es, berichteten mehrheitlich von einer gestiegenen Relevanz der Religion und insbesondere des Islam für die Selbstidentifikation der Schüler. Ein Teil der Lehrkräfte habe von Konflikten mit dem Schulauftrag erzählt, von einer „Höherstellung von Glaubensinhalten über die an der Schule vermittelten Inhalte und Werte“. Leidtragende seien oft moderate oder säkulare Muslime, die von einer lautstarken Minderheit unter Druck gesetzt würden, aber auch andere Jugendliche wie Atheisten, Christen oder Juden.
Einige der befragten Lehrkräfte berichteten von radikalisierten Schülergruppen, die ihre religiösen Gesetze höher als die demokratische Grundordnung stellten bzw. die Religion implizit oder explizit als Basis für die politische und gesellschaftliche Ordnung werteten. „Wenn ich mit meiner Demokratie ankomme, dann heißt es, brauchen wir ja gar nicht, wir haben ja den Propheten …“, so sagte eine Lehrerin. „Selbst bei Schülern, die ich für relativ offen und auch schlau halte, hab ich auch so Äußerungen gehört wie na ja, die Scharia ist eigentlich gar nicht schlimm, weil man wüsste ja vorher, dass einem die Hand abgehackt wird, wenn man klaut und dann müsste ich ja gar nicht klauen … Diese Akzeptanz für Demokratie, für Rechtsstaatlichkeit, die schwindet immer mehr. Ich versuche immer Werbung dafür zu machen, aber es kommt überhaupt nicht an.“
Die Lehrerin betonte: „Ich habe auch Umfragen gemacht mit den Schülern über die religiöse Zugehörigkeit … es ist ihnen auch wirklich wichtiger als in einer Demokratie zu leben, es ist im Glauben leben zu können. Das ist in den letzten Jahren viel, viel deutlicher geworden … Wenn man zu klar die Demokratie und das deutsche System verteidigt, dann ist man Feindbild.“ Eine andere Lehrkraft berichtete von einer „aggressiven“ Stimmung an ihrer Schule „gegen Juden, gegen Homosexuelle, gegen Deutsche, gegen Europa.“
Ein Großteil der Lehrkräfte berichtete von Druck auf Schülerinnen, einem konservativen Frauenbild zu entsprechen und sich auf eine bestimmte Weise zu kleiden oder zu verhalten. Schülerinnen, die sich nicht bedeckt kleiden oder Kontakte zu Jungen pflegen, würden als „Schlampe“ und „Nutte“ beschimpft. Eine Lehrerin berichtet von Problemen, die weibliche Lehrkräfte an ihrer Schule haben: „Die Stellung, die wir Frauen als Lehrerinnen an den Schulen haben, wird meiner Ansicht nach immer schwieriger. … Da ist auch eine Radikalisierung zu erkennen … Früher war das so, dass eigentlich gerade die muslimischen Schüler so dieses Bild hatten, ein Lehrer und auch eine Lehrerin ist eine Respektsperson … In zwischen ist es so, gerade bei den jüngeren Schülern, wo man merkt, da wächst eine neue Generation ‘ran – du hast mir gar nichts zu sagen. … Frauen sind auch keine Respektspersonen und sind auch nicht als … Lehrpersonen anerkannt.“
Ein gemeinsam mit dem Komitee entwickeltes Weiterbildungsprogramm an 21 Schulen gegen Salafismus und Antisemitismus werde ausgeweitet, kündigte Scheeres an. Voraussichtlich etwa 20 weitere Schulen werden einbezogen. Im Rahmen des vor zwei Jahren gestarteten Projekts werden Lehrer darin geschult, salafistische und antisemitische Tendenzen bei Schülern zu erkennen sowie ihnen zu begegnen. Zudem werden praxisbezogene Unterrichtsmaterialien entwickelt. News4teachers / mit Material der dpa
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