Selbst in Baden-Württemberg, wo der Unterricht erst wieder am 11. September startet, kommt Unmut auf. „Schulleitungen trauen sich nicht so richtig an die Deputatsverteilung und an die neuen Stundenpläne für das kommende Schuljahr heran, weil sie befürchten, dass aufgrund der angespannten Versorgungslage noch in den Ferien die eine oder andere Lehrkraft aus dem Kollegium abgezogen werden könnte und damit die ganze Tüftelei für einen optimalen Stundenplan umsonst gewesen war“, so heißt es beim VBE.
In Niedersachsen wurden laut NOZ die Schulleiter erst am Freitag der vergangenen Woche – also dem zweiten Schultag – über abzuordnende Deputate informiert. Der Weisung zufolge sollten die Gymnasien bis zum 17. August Weisung klären, mit welchen Lehrern sie die von der Landesschulbehörde errechneten abzuordnenden Stunden erfüllen wollen.
Wieso kommt das so spät? Das sei unverständlich, weil alle Leiter von Grund-, Haupt-, Real- oder Oberschulen ihren jeweiligen Bedarf weit vor Beginn der Sommerferien angemeldet hätten, heißt es in dem Bericht. Man habe die unbesetzten Stellen exakt nicht eher ermitteln können, erklärt hingegen eine Behördensprecherin der Zeitung zufolge, und die Gymnasien hätten mit möglichst genauen Zahlen versorgt werden sollen. Laut Bericht sind aber immer noch Abweichungen möglich: Die Einstellungsverfahren laufen weiter.
Von den Abordnungen sind viele Gymnasien in Niedersachsen betroffen; die Lokalzeitungen sind voll mit Klagen Betroffener – wie viele das sind, ist aber unklar. Das konnte oder wollte das Ministerium laut „Weser Kurier“ nicht sagen. Schätzungen gingen landesweit von mehreren hundert abzuordnenden Lehrkräften aus, heißt es. „Jeder Kollege ist betroffen, denn das ganze System wird einmal durchgeschüttelt“, schimpft ein Schulleiter gegenüber der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“ (HAZ).
“Pflichtunterricht ist nicht gesichert”
Die Folge: zunächst mal ein erheblicher zusätzlicher Arbeitsaufwand. So müssen die Stundenpläne in den betroffenen Schulen überarbeitet werden. Darüber hinaus entstehen auch an den Gymnasien, die bislang personell gerade mal über die Runden kamen, Engpässe. „Wir werden bei uns kürzen müssen, um das aufzufangen. Auch wenn das Ministerium etwas Anderes sagt: Der Pflichtunterricht ist nicht gesichert“, sagt der Direktor dem Blatt und berichtet: „Wir werden zudem sinnvolle Schulprogrammarbeit wie das Selbstverantwortliche Lernen stornieren müssen.“
Ein Mitglied des Personalrats schildert laut HAZ die Wut im Kollegium. „Wir kochen“, sagt er. Und der Vorsitzende des Schulelternrates kündigt an: „Wir werden uns massiv gegen die Abordnungen stellen.“ Denn nicht nur Kurzfristigkeit und Ausmaß der Welle sorgt für Unverständnis – schon der Sinn der Aktion wird hinterfragt. Was sollen Grundschulen mit Gymnasiallehrkräften anfangen, fragt der Elternsprecher dem Bericht zufolge und meint: „Die Grundschul-Pädagogik ist doch eine völlig andere.“
Wie geht es nun weiter? „Bis nächsten Mittwoch sollen sich die Kollegen äußern, ob sie sich vorstellen können an die Grundschule zu gehen“, erläutert der Schulleiter. Sollten sich nicht genügend Freiwillige finden – wovon auszugehen sei –, werde die Landesschulbehörde verbeamtete Pädagogen gegen ihren Willen vorübergehend an andere Schulen schicken. Wen trifft es, wer bleibt verschont? „„Da kann man sich vorstellen, was dann in einem Kollegium passiert, wenn einige in die Wallachei fahren müssen und andere nicht“, meint der Schulleiter gegenüber der HAZ. So wird es Wochen dauern, bis die Umsetzungen durchgeführt sind und wieder einigermaßen Ruhe in den Schulen einkehrt. Aber nicht für lange – schon zum Halbjahreswechsel droht ein neues Durcheinander. Die erfolgten Abordnungen gelten nämlich zunächst nur für ein halbes Jahr; dann könnte das Wechselspiel von vorne losgehen.
Schulleitungen in Baden-Württemberg schauen mit Entsetzen nach Niedersachsen – ihnen droht möglicherweise Ähnliches. Auch im Südwesten hat das Kultusministerium angekündigt, kurzfristig mit Abordnungen auf den Lehrermangel an den Grundschulen reagieren zu müssen. Normalerweise würden zu Beginn der Ferien in den Schulen die Unterrichtsdeputate verteilt und es werde an den Stundenplänen getüftelt, damit das neue Schuljahr vom ersten Tag an nach Plan anlaufen kann, heißt es beim VBE. Dieses Jahr aber hielten sich etliche Schulleitungen noch damit zurück, weil sie aufgrund der unsicheren Personalversorgung befürchteten, sonst für den Papierkorb zu arbeiten.
Früher vorhandene Reserven, mit denen im Notfall manövriert werden konnte, gebe es nicht mehr. „Hatten die Schulen bei der Bedarfsanalyse vor den Sommerferien nämlich auch nur ein paar Stunden Überhang, wurden diese Lehrerstunden als befristete Abordnung an die Schule gegeben, die noch nicht nach der Vorgabe des Organisationserlasses ausgestattet war“, so verlautet der VBE. Die Maßgabe: „Die Schulämter müssen den Mangel möglichst gerecht verteilen.“ bibo / Agentur für Bildungsjournalismus