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„Wir brauchen strikte Orientierung auf Qualität und auf Leistung“: KMK-Präsidentin macht (einmal mehr) Grundschul-Lehrer zu Sündenböcken

STUTTGART. „Nüchtern betrachtet besteht unzweideutig Handlungsbedarf, und zwar deutschlandweit. Die Leistungen der Viertklässlerinnen und Viertklässler in den zentralen Fächern Deutsch und Mathematik sind nicht flächendeckend so, wie sie sein sollten“ – so schreibt KMK-Präsidentin Susanne Eisenmann in einem Gastbeitrag für die „Rheinische Post“. Einmal mehr macht Baden-Württembergs Kultusministerin darin deutlich, wen sie für die Verantwortlichen für den Absturz im jüngsten IQB-Leistungsvergleich hält: nämlich die (Grundschul-)Lehrerinnen und Lehrer.  Sie will deren Fortbildung verbessern und ihnen die Methode „Schreiben wie Hören“ verbieten – über die zunehmende Belastung des pädagogischen Personals verliert die promovierte Germanistin kein Wort.  

Sorgt für Empörung unter Grundschullehrkräften: Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann. Foto: Kultusministerium Baden-Württemberg
Sorgt für Empörung unter Grundschullehrkräften: Baden-Württembergs Kultusministerin Susanne Eisenmann. Foto: Kultusministerium Baden-Württemberg

Zunächst einmal macht Eisenmann in ihrem Beitrag deutlich, was sie für nicht ursächlich für den Leistungseinbruch hält: das bestehende Kooperationsverbot in der Bildung, das die Länderhoheit über die Schulen festschreibt und dem Bund bislang Investitionen verbot – trotz bundesweiter Herausforderungen wie der Inklusion oder den vielen Flüchtlingskindern. Dass hier jedes Bundesland sein eigenes Süppchen kocht, stört die KMK-Präsidentin keineswegs. Im Gegenteil. „Bezeichnenderweise bietet gerade der Bildungsföderalismus eine Lösungsmöglichkeit für die Probleme, die das IQB im Auftrag der Kultusministerkonferenz festgestellt hat“, so meint Eisenmann (die bereits in mehreren Interviews zuvor die Kompetenz von Lehrkräften öffentlich angezweifelt hatte).

Wieso der Bildungsföderalismus künftig bessere Ergebnisse hervorbringen soll als bisher? Eine Antwort bleibt die Christdemokratin schuldig. Sie verweist lediglich auf die guten Beispiele Hamburg und Schleswig-Holstein, die tatsächlich als einzige Bundesländer positive Entwicklungen vorweisen können – allerdings unter SPD-Verantwortung.

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KMK-Präsidentin Eisenmann: Schulen gehen mit zunehmend heterogener Schülerschaft “nicht gut um”

So haben Eisenmanns Rezepte, wie sie den Herausforderungen begegnen will, auch überhaupt nichts mit den Schulreformen zu tun, die die SPD vor allem in Schleswig-Holstein umgesetzt und damit das Land in die Spitzengruppe im Bundesländervergleich gebracht hat (sowohl bei den Viertklässlern wie auch bei den zuvor getesteten Neuntklässlern). Das waren unter anderem:

„Wir setzen uns dafür ein, die pädagogische Eigenverantwortung der Grundschullehrerinnen und -lehrer weiter zu stärken, und halten nichts davon, dass die Politik didaktische Vorgaben macht, was zum Beispiel das Erlernen des Schreibens angeht“, so heißt es bei der SPD in Schleswig-Holstein, die bis zur (aus ihrer Sicht verlorenen) Wahl im Mai das Bildungsministerium führte.

Die Grundschullehrer sollen schuld sein? Das IQB-Desaster spiegelt vor allem eins: die völlig vermurkste Inklusion!

Genau das aber will Eisenmann nun tun: Sie habe entschieden, so schreibt sie, „der Methode “Schreiben nach Gehör” in Baden-Württemberg die (Klassen-)Tür zu weisen. Wer wäre jemals in Mathematik auf die Idee gekommen, zu behaupten, dass Zählen und Rechnen durch eine willkürliche und lediglich intuitive Aneinanderreihung von Zahlsymbolen erlernt werden könnte? In der Rechtschreibung galt Entsprechendes teilweise. Dies ist nunmehr abgestellt.“ Nochmal langsam: Grundschul-Lehrkräfte in Baden-Württemberg haben ihren Schülern also bislang das Schreiben durch eine „willkürliche und lediglich intuitive Aneinanderreihung“ von Buchstaben beigebracht? Eine bemerkenswerte These.

Überhaupt scheint für Frau Eisenmann das pädagogische Personal in den Grundschulen ihres Landes (und bundesweit?) bisher inkompetent und faul gewesen zu sein – ihre beiden weiteren Rezepte zur Verbesserung der Situation lauten nämlich: mehr Fortbildung und mehr Kontrolle der Lehrkräfte. „Wir werden dazu zum Jahresbeginn 2019 zwei neue Institutionen aus der Taufe heben und die Lehreraus- und -fortbildung ebenso wie ein strategisches Bildungscontrolling ganz neu aufbauen und vom Kopf auf die Füße stellen“, so kündigt sie an.

Wie Politiker die Wut der Eltern auf die Grundschulen anheizen – und damit allen Lehrern schaden

Eisenmanns Fazit: „Kurz gefasst bieten also folgende Elemente einen Ausweg aus der wiederholten Diagnose empirischer Studien zu einer Bildung im Abwärtstrend: strikte Orientierung auf Qualität und auf Leistung, Beratung und Nachprüfbarkeit im pädagogischen Sinne sowie passgenaue und angemessene Kooperationen im bundesstaatlichen Miteinander. Schließlich gehört die Einsicht dazu, dass das nicht auf Knopfdruck geschieht, sondern es bedarf beharrlicher Anstrengungen und eines langen Atems.“

Zu den Tatsachen, dass die Verschlechterung der IQB-Ergebnisse in Baden-Württemberg zeitlich mit einer drastischen Ausweitung der Inklusion zusammenfällt,  dass insbesondere die Grundschulen in Deutschland darüber hinaus unter vielen Flüchtlingskindern mit immensem Förderbedarf einerseits, zunehmendem Lehrermangel andererseits zu tun haben – dazu verliert die KMK-Präsidentin kein einziges Wort. bibo / Agentur für Bildungsjournalismus

Hier geht es zu Eisenmanns Beitrag in der “Rheinischen Post”.

 

VBE kritisiert Baden-Württembergs Schulpolitik

STUTTGART. Wo bleibt die Unterstützung der Grundschulen durch die Politik, fragt der VBE-Landesverband Baden-Württemberg in einer heute erschienenen Pressemitteilung.

Auch im laufenden Schuljahr sei wieder keine einzige Poolstunde für Klassenteilungen oder Klassenlehrerstunden an die Grundschulen gegangen, so moniert VBE-Sprecher Michael Gomolzig. Es fehlten „weiterhin Vertretungslehrkräfte, pädagogisch wertvolle Arbeitsgemeinschaften wie Schulchor und Theater sowie zusätzliche Förderstunden für Schüler mit Lese-Rechtschreibschwäche, mit Problemen beim Rechnen oder mit Aufmerksamkeitsstörungen“. Grundschüler, die nicht am Religionsunterricht teilnehmen, blieben in der Regel weiterhin ohne alternative Bildungsangebote und Beaufsichtigung. Immer öfter nutzten Eltern auch schon von Grundschülern zusätzlich teure private Nachhilfestunden für ihre Kinder – mangels fehlender schulischer Hilfsangebote.

Hilfe sei von der Politik bisher immer nur versprochen, aber noch nicht so richtig umgesetzt worden (wenn man einmal von der moderaten Zunahme der Ganztagesgrundschulen und der leichten Erhöhung der Stundentafel absehe). Gleichzeitig hätten die Aufgaben der Grundschulen jedoch erheblich zugenommen – ob durch die Inklusion oder die Integration von Flüchtlingskindern. „Leider hängt die Bildung der Grundschüler nach wie vor viel zu sehr vom Geldbeutel der Eltern ab. Hier muss die Politik endlich deutlich gegensteuern“, meint der VBE-Sprecher.

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