Website-Icon News4teachers

Sind unsere Jugendlichen komplett digital abgedriftet? Praktisch alle kommunizieren per Smartphone – im Schnitt 3,5 Stunden am Tag

BERLIN. Die Diskrepanz zwischen der Nutzung digitaler Medien zu Hause und in der Schule wird für Jugendliche immer größer. Knapp die Hälfte ihrer Lern- und Hausaufgabenzeit arbeiten Zwölf- bis 19-jährige Schülerinnen und Schüler jeden Tag zuhause am Computer oder im Internet für die Schule – in der Schule selbst kommt digitale Technik noch immer nur selten zum Einsatz. Privat ist das Smartphone für junge Menschen hingegen nicht mehr wegzudenken: So tauschen sich 94 Prozent der Jugendlichen in Deutschland regelmäßig über WhatsApp aus. Für den „Bundesverband Medien und Marketing“ sind diese heute veröffentlichten Ergebnisse der JIM-Studie 2017 ein Alarmzeichen: Das Kommunikationsverhalten Jugendlicher sei nunmehr komplett in die virtuelle Welt abgedriftet, meint Verbandspräsident Dr. Gerald Lembke, Professor für Digitale Medien an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg.

Facebook hat sich für Jugendliche weitgehend erledigt. Das Medium der Stunde: Whatsapp. Foto: Jhaymesisviphotography / flickr (CC BY 2.0)

Im Rahmen der JIM-Studie 2017 (Jugend, Information, Multi-Media) des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest wurden Zwölf- bis 19-Jährige in Deutschland neben der generellen Mediennutzung auch zu ihrem Medienumgang im Hinblick auf Hausaufgaben, Lernen und Schule befragt. Danach verbringen Schülerinnen und Schüler im Alter von zwölf bis 19 Jahren nach eigener Schätzung durchschnittlich 97 Minuten an einem Wochentag mit ihren Hausaufgaben (mit und ohne Computer/Internet), Mädchen investieren mit 115 Minuten deutlich mehr Zeit als Jungen (80 Minuten). Knapp die Hälfte ihrer Lern-/und Hausaufgabenzeit (45 % bzw. 44 Minuten) arbeiten die zwölf- bis 19-jährigen Schülerinnen und Schüler jeden Tag zuhause am Computer oder im Internet für die Schule. Die digitale Hausaufgabenzeit steigt mit zunehmendem Alter der Jugendlichen von einer guten halben Stunde bei den Zwölf- bis 13-Jährigen auf eine gute Stunde bei den volljährigen Schülern an.

„Zeit-Killer“ Medienkonsum: Ein Drittel aller Jugendlichen will ohne Smartphone nicht leben

Betrachtet man hingegen den Einsatz digitaler Medien in der Schule, so sind bislang nur das Whiteboard (31 %) und der Computer (22 %) nennenswert im Schulalltag angekommen (Nutzung mindestens mehrmals pro Woche). Smartphones (13 %), Laptops (9 %) oder Tablet-PCs (4 %) spielen noch immer keine große Rolle. Auch die weitere Betrachtung der Nutzung zumindest einmal im Monat bestätigt dieses Bild: Nur jeder zehnte Schüler nutzt im Zeitraum von vier  Wochen einen Tablet-PC in der Schule (11 %), jeder Vierte ein Notebook (25 %) und jeder Dritte ein Smartphone (31 %). Nur Whiteboards (43 %) und stationäre Computer (59 %) kommen bei jedem zweiten Schüler monatlich zum Einsatz.

Anzeige

Weitere Ergebnisse der Studie: 94 Prozent der Jugendlichen zwischen zwölf und 19 Jahren in Deutschland tauschen sich regelmäßig über WhatsApp aus. Auf Platz zwei der mindestens mehrmals pro  Woche genutzten Kommunikationsanwendungen steht  Instagram (57 %), knapp  dahinter liegt Snapchat mit 49 Prozent regelmäßigen Nutzern. Facebook (25 %) wird nur noch von einem Viertel der Jugendlichen regelmäßig genutzt.

Umwelt nicht mehr im Blick

Für Prof. Lembke, Präsident des Bundesverbands Medien und Marketing, sind diese Zahlen ein Anlass zur Sorge. „Es ist nach der aktuellen JIM-Studie eben nicht nur die Durchdringung in der Breite der jugendlichen Zielgruppe, sondern auch in die Tiefe, gemessen in der täglichen Nutzungsdauer“, erklärt er. Die aggregierte Bildschirmzeit betrage in den Spitzengruppen bis zu sieben Stunden pro Tag, durchschnittlich schauten Jugendliche in Deutschland bis zu dreieinhalb Stunden täglich auf ihr Smartphone, zum größten Teil eben auf WhatsApp und ähnliche Dienste – und verlören somit die sie umgebende Umwelt aus dem Blick.  „Damit werden originäre Kulturtechniken wie das persönliche Aufeinanderzugehen in realen Welten für immer mehr Jugendliche schwieriger, weil diese Zeit durch die virtuelle Kommunikation substituiert wird.“

Kindererziehung: Gilt künftig Smartphone statt Schule – oder hilft der Blick auf die afrikanische Kultur?

Um diese Fehlentwicklungen zu stoppen, bedürfe es in allen Altersstufen staatlich geförderter Präventionsprogramme. Diese könnten systematisch und über die verschiedenen Lebensphasen der Jugendlichen hinweg die aktuellen digitalen Risiken und Konsequenzen für die eigene Persönlichkeitsentwicklung behandeln, empfiehlt Lembke und fordert verpflichtende Trainingsprogramme zum Erlernen von Sozialkompetenzen schon für die Kinder und Jugendliche.

Weitere Ergebnisse der Studie:

 

Die mobile Version verlassen