STUTTGART. „Mit Verwunderung“ hat der Verband Bildung und Erziehung (VBE) Baden-Württemberg die anlässlich der IGLU-Studie geäußerte Kritik des Präsidenten des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, an den Grundschulen aufgenommen. Landeschef Gerhard Brand erklärte mit Verweis auf die gestrige Berichterstattung auf News4teachers heute in Stuttgart: „Der VBE fragt sich, wie der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes darauf kommt, sich nicht schützend vor seine Klientel zu stellen, sondern mit dem Hammer auf sie draufzuschlagen. Das hat mit Standesvertretung nichts mehr zu tun.“
Der ehemalige Philologenverbandsvorsitzende Meidinger hatte betont, dass bei den schlechten IGLU-Ergebnissen eine „verfehlte Rechtschreibdidaktik in einer Reihe von Bundesländern“ eine gewichtige Rolle. Es gebe klare Erkenntnisse, dass die Methode „Lesen durch Schreiben“ vor allem leistungsschwache Kinder besonders benachteilige und die Leistungsschere erst recht aufgehen lasse. Er forderte die Bundesländer zu Konsequenzen auf – schon in der Vergangenheit hatte es Forderungen des Philologenverbands gegeben, die unter „Schreiben wie Hören“ oder „Lesen durch Schreiben“ bekannte Methode des Reformpädagogen Jürgen Reichen zu verbieten.
“Kritik nicht angebracht”
Gegen die Anschuldigung, die Grundschulen seien für das mittelmäßige Abschneiden Deutschlands beim internationalen Viertklässler-Lesevergleich IGLU verantwortlich, verwahrt sich nun der VBE Baden-Württemberg. Landesvorsitzender Brand brach eine Lanze für die Kollegien. „Aufgrund der aktuellen Bedingungen an Grundschulen ist Kritik überhaupt nicht angebracht. Stattdessen müssen wir den Lehrkräften an den Grundschulen wirklich mehr als dankbar sein, dass die aktuell gemessenen Leistungen erbracht werden“, befand er.
Brand: „Man darf nicht vergessen, dass Grundschulen bei den Herausforderungen Inklusion von Schülerinnen und Schülern mit Behinderung und Integration von Kindern mit Migrationshintergrund die Hauptarbeit leisten. Zudem wirkt sich die auch von der IGLU-Studie attestierte zunehmende Heterogenität besonders an den Grundschulen aus. Und nicht zuletzt müssen Grundschulen auch weitere Aufgaben wie die Einführung der Ganztagsschule schultern.“ Über die personell schlechten Bedingungen an den Grundschulen, bedingt zum Beispiel durch die in der Primarstufe am weitesten fortgeschrittene Inklusion, hatte Meidinger kein Wort verloren.
Der VBE-Landesvorsitzende betonte deshalb jetzt: „Die Verfehlungen wurden in der Politik begangen – die Grundschule hat nun darunter zu leiden. Weder Integration noch Inklusion wurden mit ausreichend finanzieller Unterstützung bedacht. Deshalb ist es in dieser Situation nicht angemessen, sich kritisch über die Grundschulen zu äußern. Im Gegenteil: Wenn Grundschullehrkräfte nicht weit über das normale Maß hinaus arbeiten würden, sähe es an unseren Grundschulen erheblich schlechter aus.“ bibo / Agentur für Bildungsjournalismus
Wie Politiker die Wut der Eltern auf die Grundschulen anheizen – und damit allen Lehrern schaden