STUTTGART. Lehrer und Eltern sollten sich nach Überzeugung des Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann (Grüne), nicht unversöhnlich gegenüberstehen. «Lehrer sind Fachleute auf ihrem Gebiet. Sie verdienen Respekt und Vertrauen», sagte der Regierungschef auf Anfrage in Stuttgart. Lehrer müssten ihrerseits einsehen, dass Eltern ein natürliches Recht hätten, ihre Kinder zu erziehen, und in schulischen Fragen mitmischen wollten. «Lehrer und Eltern sollten am gleichen Strang ziehen, möglichst in derselben Richtung.»
Der Landeselternbeirat (LEB) hatte Äußerungen von Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) als oft oberflächlich, ideologielastig und rückwärtsgewandt bezeichnet. Kretschmann verlangte von den Eltern, Missstände präzise zu benennen. «Konkrete Kritik ist immer erwünscht, aber auf Schimpfkanonaden, und die gibt es gelegentlich auch, kann man nicht adäquat reagieren.» Wem der Tonfall Eisenmanns nicht passe, solle auch auf seinen eigenen achten. «So wie man in den Wald hereinruft, so kommt es auch heraus.» Im Übrigen sehe er es nicht als seine Aufgabe, seinen Ministern Stilvorgaben zu machen. «Ich bin nicht der Papa meiner Minister.»
Der LEB sieht Kretschmann allerdings nicht in der Position, für ein gedeihliches Miteinander zu werben, habe er doch bei einer GEW-Veranstaltung in Freiburg im Mai die Eltern angegriffen, sagte Verbandschef Carsten Rees. Außerdem lasse sich die Kritik an der Bildungspolitik im Land mit Fakten unterlegen.
“Gemotze muss aufhören”
Kretschmann hatte auf dem Gewerkschaftstag Eltern an Deutschlands Schulen zu einem Miteinander mit den Lehrern aufgerufen. «Dieses ständige Gemotze muss aufhören», sagte er seinerzeit vor dem Kongress. Nötig sei eine Erziehungspartnerschaft zwischen Eltern und Lehrern, nur so erhielten Schüler eine gute Bildung. Kretschmann, Ministerpräsident seit 2011, war früher selbst Lehrer. «Lehrerin oder Lehrer zu sein – das ist ein schwerer Job. Und es ist ein äußerst wichtiger Job», sagte Kretschmann, selbst GEW-Mitglied, vor den Gewerkschaftern: «Trotzdem kriegen Lehrer von vielen Seiten Prügel, nicht zuletzt von den Eltern.» Schüler könnten jedoch profitieren, wenn Eltern gemeinsam mit Lehrern agieren würden. Nötig sei ein Umdenken vieler Eltern. Lehrer benötigten mehr Respekt und Unterstützung von ihnen.
Immer öfter ziehen Eltern gegen Lehrkräfte vor Gericht – und die Anlässe, weshalb geklagt wird, werden zunehmend nichtiger. Selbst Banalitäten wie der Sitzplatz des Kindes in der Klasse sind für manche Väter und Mütter mittlerweile Anlass, mit dem Anwalt zu drohen. Die Rechtsabteilung des größten bayerischen Lehrerverbandes – BLLV – mit 60.000 Mitgliedern weiß hiervon ein Lied zu singen. „Genügten vor 20 Jahren ein bis zwei Rechtsvertreter, um die schulischen Rechtsprobleme von Lehrern zu lösen, so ist diese Abteilung heute die größte Abteilung des Lehrerverbandes und mit 17 Personen besetzt, davon sechs Volljuristen“, so berichtet Hans-Peter Etter, der Leiter der BLLV-Rechtsabteilung. „Die meisten einlaufenden Rechtsfälle sind durch Eltern initiiert, seien es Elternbeschwerden, Dienstaufsichtsbeschwerden, Strafanzeigen, Widersprüche und Klagen gegen Lehrer.“
Beispiele gibt es zuhauf. Ein aktueller Fall, über den News4teachers berichtete: Ein Zehnjähriger nässt sich in der Klasse ein. So weit, so schlecht. Weil der Lehrer ihm jedoch zuvor verboten haben soll, auf die Toilette zu gehen, liegt nun gegen den Pädagogen eine Anzeige „wegen Körperverletzung im Amt und Nötigung“ vor. Mehr noch: Die Eltern wandten sich an die Boulevardpresse, die daraus eine Sensationsgeschichte machte. den “Pinkel-Skandal” von München. News4teachers / mit Material der dpa
