DÜSSELDORF. Was macht guten Unterricht aus? Auf diese Frage gibt es viele subjektive Antworten – aber mittlerweile auch gesicherte wissenschaftliche Erkenntnisse. Einer, der sich seit Jahrzehnten zu der Frage forscht, ist der Entwicklungspsychologe Prof. Dr. Andreas Helmke. Er gilt als renommiertester deutscher Experte auf dem Gebiet. Gemeinsam mit seiner Frau, der Bildungswissenschaftlerin Dr. Tuyet Helmke, wird er auf dem Deutschen Schulleiterkongress in Düsseldorf am kommenden Freitag zum Thema Unterrichtsentwicklung sprechen.
„Wir sollten lernen, uns von Schwarzweiß-Bildern zu verabschieden“, sagt Andreas Helmke, der wohl renommierteste Unterrichtsforscher in Deutschland, zu der Frage, zur Kernfrage von schulischer Bildung: Was ist guter Unterricht? Helmke hatte schon vor Erscheinen von „Visible Learning“ des neuseeländischen Bildungsforschers John Hattie, einer weltweit vielbeachteten Meta-Analyse von rund 50.000 Studien zum Thema schulisches Lernen, Kriterien für guten Unterricht auf der Grundlage von Daten der empirischen Bildungsforschung formuliert – und konnte sich durch Hattie bestätigt fühlen.
Es gebe kein einfaches Rezept für guten Unterricht „nach dem Motto: entweder radikal schülergelenkter Unterricht, verbunden mit selbstgesteuertem Lernen und dem Lehrer in einer Rückzugsrolle – oder radikal lehrerzentrierter und -gesteuerter Unterricht, mit Schülern, die schweigend zuhören. Das sind beides Extremformen, ja Karikaturen“, sagt Helmke. „Unterschiedliche Bildungsziele und Kompetenzen erfordern natürlich einen guten Mix, eine angemessene Balance von Instruktion und Konstruktion, von eher lehrer- und eher schülergelenkten Phasen des Unterrichts.“
Dabei komme es auch auf die Schüler an. „Die Forschung dazu zeigt, dass Schüler mit Lernschwierigkeiten und defizitären Sprachkompetenzen unbedingt eine starke Struktur, eine klare Führung, ein kognitives Gerüst und viele kurzschrittige Hilfen, Anregungen und Rückmeldungen benötigen, ansonsten sind sie verloren. Begabte, lern- und leistungsstarke Schüler dagegen brauchen dies nicht“, sagt Helmke.
Fünf Kriterien
Gleichwohl lassen sich der Hattie-Studie Kriterien für guten Unterricht entnehmen Helmke: „Gut im Sinne von Hattie, also lernwirksam, ist ein Unterricht, (1) in dem den Schülern viel zugetraut, aber auch zugemutet wird, (2) in dem jeder einzelne Schüler an die Grenzen seines Potenzials geführt wird, (3) der alle Möglichkeiten nutzt, sich im Austausch mit Kollegen kontinuierlich ein Bild der Lernprozesse der Schüler sowie des eigenen Lehrens zu machen, (4) der durch strukturierte, effiziente, störungspräventive Klassenführung geeignete Rahmenbedingungen für das Lernen schafft und (5) der in einem Klima stattfindet, das durch Fürsorge, Respekt, Wertschätzung und Freundlichkeit gekennzeichnet ist.“
Ein erfolgreicher Lehrer sei „ein kontinuierlicher Diagnostiker, ein aktiver Lenker von Lernprozessen, ein Regisseur – der aber genau weiß, wann er schweigen und den Schülern das Feld überlassen muss.“ Und auch für Schulleiter, das Publikum auf dem Deutschen Schulleiterkongress, hat Helmke eine klare Botschaft: „Schaut man sich die Ergebnisse zur Rolle der Schulleitung bei Hattie differenziert an, dann zeigt sich, dass eine unterrichtsbezogene Führung, verbunden mit starken Bemühungen um ein störungsfreies Lernklima, hohe Erwartungen an Lehrpersonen und herausfordernde Ziele für Lernende, besonders lernwirksam sind.“ Optimal sei es, wenn sie in ihrer Schule eine „Lernarchitektur“ für Lehrpersonen aufbauen – mit Gelegenheiten für eine evidenzbasierte Reflexion des Unterrichts, kollegialen Austausch und Schülerfeedback; dies sei eine gute Grundlage für die gezielte Weiterentwicklung des Unterrichts. News4teachers
Prof. Dr. Andreas Helmke studierte Rechtswissenschaft und Psychologie. Zehn Jahre lang war er Projektleiter im Max-Planck-Institut für psychologische Forschung. Von 1993 bis 2013 war er Universitätsprofessor für Entwicklungspsychologie und Bildungsforschung an der Universität Koblenz-Landau. Heute ist er aktiv in der Fort- und Weiterbildung von Lehrpersonen und Schulleitungen, sowie Berater von Bildungsministerien in Deutschland, der Schweiz sowie in Vietnam. Der Vortrag „Lasst Daten Taten folgen! Der Aufgabe Unterrichtsentwicklung gerecht werden“ von Andreas Helmke und seiner Frau Tuyet Helmke findet am Freitag, 9. März, von 14 bis 15.15 Uhr im Rahmen des Deutschen Schulleiterkongresses im Kongresszentrum CCD Düsseldor statt.
Ein weiterer Vortrag zum Thema auf dem DSLK:
Vom Spaßfaktor zur Sinnsuche
Unterricht für Jugendliche hirngerecht gestalten
Dr. Christoph M. Krick
Neurowissenschaftler, Neuroradiologie, Universität des Saarlandes
Freitag, 9. März 2018, 11:15 – 12:30 Uhr