BERLIN. Eine Privatschule ist einer Studie zufolge nicht zwangsläufig besser als eine öffentliche. Die Kompetenzen von Schülern beider Schultypen unterscheiden sich im Schnitt kaum, wie aus einer am Donnerstag veröffentlichten Untersuchung der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung hervorgeht. Die GEW begrüßt die Befunde als „Schluss mit der Legendenbildung“ – und mahnt „mehr Maßnahmen für die Stärkung des öffentlichen Schulwesens und gegen die soziale Spaltung der Gesellschaft“ an.
Verglichen wurden in der Studie die Leistungen von Schülern der vierten und neunten Klasse in den Fächern Deutsch, Englisch und Mathematik. Privatschüler waren beim Zuhören und Hörverstehen in Deutsch und Englisch besser. Die Autoren der Studie führen das auch auf außerschulische Auslandsaufenthalte der Kinder und Jugendlichen zurück. Jedoch waren die Schüler öffentlicher Gymnasien beim Leseverstehen auf Englisch besser.
Seit 1992 hat sich der Anteil der Schüler, der Privatschulen besucht, bis 2016 nahezu verdoppelt – auf insgesamt 9 Prozent. «Der Zuwachs im Verlauf dieser Jahre ist jedoch in erster Linie auf Entwicklungen in den ostdeutschen Ländern zurückzuführen», erklärte Klaus Klemm von der Universität Duisburg Essen, einer der Autoren der Studie, laut Mitteilung. Demnach gab es 1992 in Ostdeutschland kaum Privatschulen, die starke Zunahme sei ein «Aufholprozess».
Die Studie legt außerdem nahe, dass private Schulen die soziale und ethnische Trennung verstärken. So zeigen die Autoren auf, dass es an Privatschulen deutlich weniger Schüler mit Migrationshintergrund gibt. An öffentlichen Grundschulen waren es etwa 38,1 Prozent, an privaten Grundschulen nur 28,3 Prozent. An Privatschulen ist außerdem der Anteil von Schülern geringer, deren Eltern ein niedriges Einkommen oder keinen Hochschulabschluss haben.
“Ungleiche Verteilung von Bildungschancen”
„Wenn die Zahl der Privatschulen wächst, verschärft das die ohnehin schon höchst ungleiche Verteilung von Bildungschancen“, kommentierte Ilka Hoffmann, GEW-Vorstandsmitglied für Schule, diesen Trend. „Zudem hat Schule einen gesellschaftlichen Integrationsauftrag. Dieser verlangt beispielsweise, dass alle Kinder in der Schule den Umgang mit Pluralität erlernen können sollen.“
„Dass Privatschulen besser als öffentlich Schulen seien, entpuppt sich als Legende, wenn man die Herkunft und die Zusammensetzung der Schülerschaft in Rechnung stellt, wie dies die heute vorgelegte Studie tut“, betonte die Schulexpertin. Zahlreiche private Schulen arbeiteten ganz konventionell, und viele öffentliche Schulen seien reformfreudig, leistungsstark und förderorientiert.
„Auch müssen die vielerorts fragwürdige Genehmigungspraxis, die teilweise sehr hohen Schulgebühren und die mangelnde staatliche Aufsicht im Privatschulbereich auf den Prüfstand“, sagte Hoffmann. Sie verwies auf eine weitere Studie von Michael Wrase (Rechtswissenschaftler) und Marcel Helbig (Bildungssoziologe), nach der eine Mehrheit der Bundesländer das gesetzlich vorgeschriebene Sonderungsverbot zu lax handhabe.
“Unsere Perspektive: eine Schule für alle Kinder”
„Privatschulen liefern also keine Gründe für Euphorie. Die Frage nach der Gerechtigkeit des Schulwesens muss stärker in den Fokus genommen werden. Die Studie zeigt nämlich auch, dass öffentliche Gymnasien ähnlich selektiv sind wie die privaten“, gab die GEW-Schulexpertin weiter zu bedenken. „Unsere Perspektive ist die eine Schule für alle Kinder. Auf dem Weg dorthin setzt sich die GEW auch dafür ein, dass die Gymnasien Hürden beseitigen, durchgängig fördern und sich der Herausforderung der Inklusion stellen. Die Schulen neben dem Gymnasium müssen so attraktiv gemacht werden, dass die ‚guten‘ Kinder nicht vermehrt abwandern. Alle Schulen, die bereits in diese Richtung gehen, brauchen mehr Unterstützung“, mahnte Hoffmann an.
„Das öffentliche Schulwesen hat einen hohen Wert für den sozialen Zusammenhalt und die demokratische Gesellschaft“, betonte das GEW-Vorstandsmitglied. „Damit Eltern Vertrauen in die öffentlichen Schulen haben, müssen diese besser finanziert und ausgestattet werden“. Die Politik müsse Maßnahmen gegen die Unterfinanzierung des Schulwesens, den eklatanten Mangel an Lehrkräften und den Unterrichtsausfall ergreifen. Zudem müsse sie die individuelle Förderung und das inklusive Lernen voranbringen. News4teachers / mit Material der dpa