Website-Icon News4teachers

Altphilologen beklagen dramatischen Schülerschwund: Hat Latein überhaupt noch eine Zukunft?

SAARBRÜCKEN. Latein hat es zunehmend schwer an den Schulen: In den vergangenen sieben Jahren hat das Fach bundesweit mehr als 20 Prozent an Schülern verloren. In den vergangenen Tagen trafen sich die Altphilologen zu ihrem Bundeskongress in Saarbrücken, um über die Entwicklung zu beraten. Die konnten sich mit Cicero trösten: „Dum spiro spero“, so erklärte der römische Starredner einst – „Solange ich atme, hoffe ich.“

Dunke Wolken über Rom: Nimmt das Interesse an Latein ab? Foto: johnc24 / flickr (CC BY 2.0)

Noch vor zehn Jahren hieß es: „Latein erlebt eine Renaissance in Schulen.“ So betitelte das Statistische Bundesamt (Destatis) 2007 eine Pressemitteilung, in der gemeldet wurde, dass mittlerweile jeder dritte Gymnasiast Latein lernt – im Schuljahr 2000/2001 war es nur jeder Vierte. Und der Boom schien kein Ende zu nehmen: Noch im Schuljahr 2011/2012 meldete Destatis mehr als 800.000 Lateinschüler in Deutschland, was einem Anteil von neun Prozent aller Schüler entspricht – und mehr als der Hälfte der Gymnasiasten.

Ökonomisierung von Bildung

Doch seitdem geht es bergab: von 770.000 im Jahr 2014 auf 650.000 im Jahr 2016 – auf nunmehr nur noch rund 630.000 Kinder und Jugendliche. Zum Vergleich: Französisch lernen bundesweit immer noch rund 1,5 Millionen Schüler.

Anzeige

Eine Ursache für die Entwicklung ist sicher, dass für immer weniger Studienfächer Lateinkenntnisse als Voraussetzung gelten: Das Latinum ist heute zum Beispiel für ein Studium der Human- und Veterinärmedizin oder der Rechtswissenschaften nicht mehr erforderlich. Eine anderer Grund könnte in der zunehmenden Ökonomisierung von Bildung liegen, die eher auf Programmiersprachen denn auf alte Sprachen setzt. „In einem kompletten Fach eine Sprache wie Latein zu lernen, das ist Zeitverschwendung“, sagt etwa der Unternehmer und Investor Frank Thelen, der im Fernsehen mit der „Höhle der Löwen“ bekannt geworden ist. Für ihn gehört heute dagegen zur Allgemeinbildung, dass „man einen Softwarefehler ‚bug‘, also Käfer, nennt“, wie er unlängst in einem Interview mit der Funke-Mediengruppe kundtat.

Und diese zunehmend kritische Haltung bekommen die Gymnasien zu spüren – auch in der Oberstufe. „Ein alarmierendes Zeichen ist das sukzessive Verschwinden der Alten Sprachen aus dem Oberstufenunterricht infolge der Wahlverhaltens der Schülerinnen und Schüler“, sagt der Vorsitzende des Deutschen Altphilologenverbands, Hartmut Loos, Oberstudiendirektor und Schulleiter des (natürlich altsprachlichen) Gymnasiums am Kaiserdom in Speyer. Der Altphilologenverband war in den vergangenen Tagen zu seinem Bundeskongress in der Universität Saarbrücken zusammengekommen, um über die Situation zu beraten. Loos‘ Fazit: „Der Unterricht in den Alten Sprachen in Deutschland bedarf ständiger Reflexion und Angleichung an die veränderten Verhältnisse.“

Früher, so Loos, hätten Eltern ihre Kinder mitunter zum Lateinunterricht gedrängt – heute sei es nicht selten umgekehrt: „Oft müssen die Kinder ihre Eltern überzeugen oder überreden, dass sie an unsere Schule kommen dürfen, weil die Eltern sagen, das ist viel zu schwer für dich, und das braucht man heute nicht“, so erklärte der Verbandsvorsitzende in einem Interview mit dem „Deutschlandfunk“.

Der Latein- und Griechischunterricht sei aber moderner geworden und nicht mehr mit dem Vokabel- und Grammatikgebimse von früher zu vergleichen, betonte Losse in einem Interview mit dem „Deutschlandfunk“. „Es wird heute sehr viel anders gelehrt und gelernt. Das zeigten schon die Lateinbücher, die sich grundlegend geändert hätten, mit Informationstexten, mit Bildmaterial, das zu den Texten passe und eine Verbindung herstelle zwischen den einzelnen Sprachen.” Es gebe keine isolierte Betrachtung der alten Sprachen mehr. „Wir vernetzen die Sprachen miteinander und wollen damit auch zum Beispiel die Naturwissenschaften mit einbinden, damit die Schüler sehen, warum ist es wichtig, dass wir Latein und/oder Griechisch lernen”, betonte Loos.

Freude am Fach

Er plädiert für einen unverkrampften Umgang mit den alten Sprachen. „Man kann ohne Latein Spaß haben, aber auch mit Latein“, sagt Loos. Die Schüler seiner Schule hätten in der Regel sehr viel Freude am Fach. „Viele wählen auch Griechisch. Und unsere besten Abiturientinnen und Abiturienten haben eigentlich immer Latein und/oder Griechisch bis zum Abitur beibehalten“, erklärt Loos.

Kleiner Lichtblick: Die Zahl der Griechischschüler hat für das Schuljahr 2016/2017 gegenüber dem vorausgehenden Schuljahr nach Angaben von Destatis von 10.991 auf 11.768 zugenommen. Das bedeutet eine Steigerung um 6,6 Prozent. Damit liege der Anstieg sogar noch deutlich vor dem Zuwachs in der Kommunikationssprache Spanisch, welche für das vergangene Schuljahr ein Plus von 1,93 Prozent aufweist, wie sich der Altphilologenverband in einer Pressemitteilung freut. Hartmut Loos meint: „Die grundlegenden Fragen der Menschheit und die Fundamente des abendländischen Kulturkreises bleiben stets aktuell und haben kein Verfallsdatum.“ bibo / Agentur für Bildungsjournalismus

So wirbt ein Gymnasium für Latein

SIEGBURG. Latein ist kein Selbstläufer mehr – vor allem altsprachliche Gymnasien müssen um Schüler werben. Das Siegburger Anno Gymnasium bietet Latein ab der 5. Klasse an. Mit diesen Argumenten versucht es, Kinder für Latein zu gewinnen:

„Liebe Schülerinnen und Schüler,

Salvete, hier spricht Asterix. Ihr kennt mich bestimmt! Ich bin der berühmte Gallier und möchte, dass Ihr wisst, wie wichtig Latein ist. Denn ich muss natürlich alles verstehen, was mein großer Gegenspieler Caesar sagt, um ihn überlisten zu können. Aber Ihr seid ja nach über 2000 Jahren in einer anderen Situation!

Warum Latein?

  • Im Lateinunterricht werdet Ihr Vieles über das Leben und die Gewohnheiten der Römer vor 2000 Jahren lernen.
  • Ihr werdet Geschichten von berühmten Menschen und Sagen über Götter lesen. Ihr werdet erfahren, wie die Römer ihre Freizeit verbracht haben, wie sie gearbeitet und ihr Reich vergrößert haben.
  • Ihr werdet sehen, wie das Lateinische, eine tote Sprache, die heute nicht mehr gesprochen wird, auch heute noch lebt, u. a. in den romanischen Sprachen, dem Englischen und vor allem dem Deutschen (z.B. Fenster,  Abitur, Millionär, Nation, Terrarium, Keller, Kerker, Form, Domizil, Computer, Aquarium, Globalisierung, Ziegel, Tafel, Referat, Vase, Verb).
  • Ihr werdet erkennen, dass Latein und die Welt der Römer die Grundlage unserer heutigen Kultur bilden.
  • Ihr werdet lernen, aus welchen Bausteinen sich ein lateinisches Wort, ein Satz und ein Text zusammensetzt und trainieren, einen lateinischen Text angemessen ins Deutsche zu über  setzen, wodurch Ihr auch Euer deutsches Sprachgefühl schult, Euer Gehirn trainiert und die Konzentration fördert.
  • Der Unterricht findet auf Deutsch statt und die Aussprache des Lateinischen ist recht leicht.
  • Ihr werdet verschiedene Lernmethoden kennen lernen, die auch auf andere Fächer übertragbar sind.
  • Am Ende der Klasse 10 werdet Ihr bei ausreichenden Leistungen das Latinum bekommen, das Voraussetzungen für viele Studiengänge und Studienabschlüsse an der Universität ist.“

Quelle: www.anno-gymnasium-su.de/index.php?option=com_content&view=article&id=311%3Awarum-latein-waehlen-fuer-schueler&catid=114&Itemid=224

Altphilologen sind empört: Latein verliert in der Lehrerausbildung an Bedeutung

 

 

Die mobile Version verlassen