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Morgens jammern, abends auf dem Tisch tanzen: Wie die “Bild”-Kolumne einer “echten Lehrerin” alle Vorurteile bestätigt

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BERLIN. „Frau Bachmayer ist Mitte 30 und Lehrerin. Sie liebt ihren Job – aber natürlich gehen ihr ihre Schüler und Kollegen manchmal richtig auf den Keks. Bei Bild plaudert sie jeden Freitag aus dem Nähkästchen“, so heißt es zur Einführung der Kolumne. Frau Bachmayer ist allerdings nur ein Alias-Name. „Da sie dennoch gern ihren Job behalten möchte, bloggt sie anonym“, so erklärt uns „Bild“. Ihre Schilderungen aber seien „echte Geschichten einer garantiert echten Lehrerin“. Das Problem dabei: In der Kolumne werden Lehrerinnen und Lehrer nicht selten zu Witzfiguren – die Leserschaft von „Bild“, ohnehin nicht gerade eine bildungsaffine Zielgruppe, darf sich in ihren Vorurteilen gegenüber der Lehrerschaft bestätigt fühlen.

Sonst keine Probleme? Der “Lehrerblog” auf Bild.de / Screenshot

Aktuelles  Beispiel – die Kolumne mit dem Titel „Lehrer sind schlimmer als Schüler“. Sind sie das? Eingangs eine durchaus berechtigte Frage: „Viele Lehrer beschweren sich für ihr Leben gern. Vor allem über die ‚bösen‘ Schüler. Sie werden angeblich immer respektloser, unkooperativer und unverschämter. Aber was ist eigentlich mit ihren Vorbildern? Uns Lehrern?“ Die Antwort kommt prompt: „Nehmt es mir nicht übel, liebe Kollegen, aber leider muss ich immer wieder aufs Neue feststellen, dass wir nicht viel besser sind als unsere Schüler. Im Gegenteil. Oft sind wir noch viel schlimmer!“ Tatsächlich gibt es durchaus Anhaltspunkte dafür, dass es in Lehrerkollegien nicht immer friedlich zugeht –  eine Befragung der Universität in Landau ergab beispielsweise, dass 41 Prozent von 1.500 befragten Lehrern angaben, schon einmal gemobbt worden zu sein – und zwar vorwiegend von Schulleitungen und aus dem Kollegenkreis.

Die Begründung von „Frau Bachmeyer“ überzeugt allerdings nicht so recht. „Wie oft jammern wir doch, wenn wir bei Klassen- oder Tagesfahrten hinter unseren Schülern bzw. deren Eltern hinterherlaufen, um das Geld einzusammeln. Aber zumeist sind das wenige Einzelfälle. Nicht so bei uns im Kollegium. Von 45 Kollegen, die sich angemeldet haben, hatten bis zum Stichtag gerade mal zwei den Ausflug bezahlt“, berichtet sie. Das ist für die Ausflugsorganisatoren sicher nervig – aber ein Anlass für eine generelle Kollegenschelte? Auch das nächste angeführte Beispiel weist in eine andere Richtung als die angegebene – eine ergebnislos vertagte Konferenzdiskussion über eine einheitliche Regelung, wie mit Handys in der Kommunikation mit Eltern umzugehen sei, wird als Beispiel für mangelnde Kooperation angeführt. Ist es das? Oder zeigt sich hier nicht vielmehr eine Führungsschwäche der Schulleitung, die Entscheidungsprozesse dahinplätschern lässt?

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Dass natürlich auch die nicht weggeräumten dreckigen Kaffeebecher im Lehrerzimmer als Beleg dafür herhalten müssen, dass Lehrer „schlimmer“ seien als Schüler – geschenkt. Problematischer sind andere Aussagen aus den Vorwochen: „Glaubt man den Klagen unserer Kollegen, haben wir den schlimmsten Job der Welt und werden nur ungerecht behandelt. Warum aber sehen Steffi und ich das so anders? Wir lieben unseren Job, kommen mit den Schülern gut klar und fühlen uns im Kollegium bis auf das ewige Dauergenörgel pudelwohl“, so heißt es. Belastung durch Inklusion, Integration und Lehrermangel? Kein Thema.

“Wir trinken eifrig Sekt, Glühwein und Korn”

Auch der Bericht vom Kollegiumsfest bestätigt alle Vorurteile, die „Bild“-Leser von Lehrern haben könnten: morgens jammern – abends auf dem Tisch tanzen. „Wir trinken eifrig Sekt, Glühwein und Korn und schon nach kürzester Zeit ist die Stimmung bestens. Wären wir nicht schon erkennbar älter, könnte man uns auch für eine gackernde Schülerschar halten, die bei Erklärungen der Spielregeln des nächsten Spieles weder zuhört noch Folge leistet. Später in der Hütte wird dann getanzt und getrunken. Alle sind in bester Stimmung. Und schon sinkt das Niveau. Mein Kollege Horst erzählt mir von seinen zahlreichen Affären und Besuchen im Swingerclub. ‚Alles, was wir hier besprechen, bleibt in diesem Raum‘, grinst er und mir wäre es lieber, ich wüsste davon morgen nichts mehr. Plötzlich sehe ich, wie meine Kollegin Susanne bei Andreas auf dem Schoß sitzt und ihm etwas ins Ohr flüstert. Dabei streift er mit seinem Mund ihr Ohr. Sie lacht und sagt: ‚Knabbere ruhig daran, ich steh darauf!‘“

Ohnehin: Schlüpfrig darf es gerne zugehen in den Schilderungen von „Frau Bachmann“ – das „Bild“-Publikum goutiert das offenbar. So erfahren wir, dass die Kolumnistin „schon so einige wilde Affären zwischen Kolleginnen und Kollegen miterlebt“ habe. Und: „Auf Klassenfahrten geht es dann richtig rund.“ Oder – unter dem augenzwinkernd geäußerten Hilferuf „Hilfe, mein Schüler sieht echt gut aus!“ – folgende Schilderung: „Und so kommt es schon vor, dass wir uns im Lehrerzimmer auch mal über die Attraktivität von Schülern unterhalten. ‚Ich bin in Englisch so begeistert von Khan‘, erzählt mir meine Kollegin Sylvia in der Pause. ‚Du meinst den großen Hübschen aus der 10d?‘, hake ich nach. ‚Genau den‘, grinst Sylvia. ‚Der sieht echt wahnsinnig gut aus!‘ ‚Redet ihr von Maik?‘, fragt Steffi, die nur mit halben Ohr zugehört hat. ‚Den finde ich ja echt süß. Vor allem ist der ganz schön durchtrainiert‘, grinst sie.“

Wenn damit belegt werden soll, dass Lehrer (auch nur) Menschen sind – das gelingt. Ob solche Erzählungen allerdings den Kollegen in ihren täglichen Auseinandersetzungen mit schwierigen Eltern helfen, die die meisten Lehrer ohnehin für bescheuert halten? Erhebliche Zweifel sind angebracht. bibo / Agentur für Bildungsjournalismus

Hier geht es zu den Kolumnen von „Frau Bachmann“ auf Bild.de.

Mobbing unter Schülern: Die „Bild“-Zeitung empfiehlt Eltern, Lehrer zu verklagen – sogar Schmerzensgeld sei drin

 

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