Eine sogenannte Erinnerungsmappe, die viele Kitas in Deutschland an ihre Abgänger zu verteilen pflegen, hat einen hohen ideellen Wert – sie dokumentiert ein Stück Kindheit. Für die Kinder einer katholischen Kita in Dormagen sieht diese, auf den Fotos jedenfalls, gespenstisch aus. Sie selbst sind darauf gut zu erkennen. Alle anderen Gesichter aber, die von Freunden und Spielkameraden genauso wie die von Erzieherinnen, sind mit schwarzen Balken (wie bei Darstellungen im Zusammenhang mit Verbrechen) unkenntlich gemacht. Die Kita habe datenschutzrechtlich „den sicheren Weg“ gewählt, um Klagen zu vermeiden, so wird der örtliche Pfarrer als Vertreter des Trägers von der „Rheinischen Post“ zitiert. Und: „Es ist sehr schade, dass das zu Unruhe geführt hat.“
Tatsächlich sind die Eltern laut Bericht massiv verärgert. „Das hat leider null Erinnerungswert“, so wird eine Mutter zitiert. Ihr Sohn sei nur neben „maskenartigen Geschöpfen“ zu sehen, selbst auf seinen Geburtstagsfotos. Doch gerade die Bilder, auf denen die Kinder mit anderen Kindern spielen, seien doch später der Anlass zum Durchblättern einer Erinnerungsmappe.
Die Pfarre wird laut Bericht von Datenschutzbeauftragten der Katholischen Kirche beraten. Zwar sei es möglich, dass es „entgegen aller Befürchtungen“ nach wie vor möglich sei, bei kirchlichen Ereignissen zu fotografieren, „ohne dass von jedem Einzelnen eine entsprechende Einwilligungserklärung nachzuweisen ist.“ Bildaufnahmen seien jedoch verboten, „wenn sie nicht auf eine Rechtfertigung gestützt werden können – dies kann entweder eine gesetzliche Grundlage oder eine Einwilligung des Betroffenen in die Verarbeitung“ sein. Anders ausgedrückt: Es herrscht völlige Unklarheit, ob eine solche Erinnerungsmappe nun gegen den Datenschutz verstößt oder nicht.
Zeugnisse per Hand
Die Einführung der europäischen Datenschutz-Verordnung im Mai sorgt unter Bildungseinrichtungen weiter für große Unruhe. Unmittelbar nach Inkrafttreten der DSGVO schalteten 22 Grundschulen in Mainz ihre Homepage ab, weil sie rechtliche Konsequenzen fürchten. Das rheinland-pfälzische Bildungsministerium gab zwar Entwarnung – und betonte, dass Schulen unbesorgt ihre Seiten im Netz lassen könnten. Trotzdem gibt es nach wie vor große Unsicherheiten über die Konsequenzen der Verordnung, auch unter Juristen.
Im Juni sorgte dann eine Düsseldorfer Grundschule bundesweit wegen einer Datenschutz-Maßnahme für Schlagzeilen – weil sie ankündigte, ihre Zeugnisse von den Lehrkräften wieder per Hand erstellen zu lassen (News4teachers berichtete). Hintergrund: Das nordrhein-westfälische Schulministerium hat unlängst eine Dienstanweisung herausgegeben, in der strenge Voraussetzungen vorgegeben sind, die Lehrkräfte zu erfüllen haben, wenn sie private Computer und Smartphones nutzen wollen. Die Schule war nicht bereit, die Haftung für die privaten Rechner zu übernehmen.
Für das 21-köpfige Kollegium stehen nur zwei Dienstrechner zur Verfügung – zu wenig, so meint die Schulleitung, um die Zeugnisse selbst im Schichtdienst wie gewohnt digital erstellen und bearbeiten zu können. Deshalb wurde die Schulkonferenz darüber informiert, dass die Zeugnisse nun wieder wie früher per Hand geschrieben würden. Für die Schüler und Eltern misslich: Die bislang sehr ausführliche Darstellung des Lern- und Leistungsstands der Schülerinnen und Schüler in den ersten und zweiten Klassen werde notgedrungen kürzer ausfallen.
Auch die Lösung, die im Fall der katholischen Kita jetzt im Gespräch ist, dürfte kaum dazu führen, dass die Erinnerungsmappen ihre eigentliche Bedeutung zurückgewinnen: Für die Zukunft sei geplant, nur noch Einzelfotos des jeweiligen Kindes darin aufzunehmen, um die Unkenntlichmachung von Gesichtern zu vermeiden, so heißt es in dem Bericht. In der Rückschau wird die Kita-Zeit dann zur Einzelhaft. bibo / Agentur für Bildungsjournalismus
Auch auf der Facebook-Seite von News4teachers wird das Thema bereits heiß diskutiert.
