BERLIN. «Die Lehrer Ihrer Kinder hetzen gegen die AfD? Melden Sie uns jeden Fall.» Jetzt denkt auch die Berliner AfD-Fraktion laut über ein Beschwerdeportal nach, auf dem Eltern und Kinder anonym parteikritische Pädagogen melden sollen – nach Hamburger Vorbild. Dort hat die AfD bereits eine entsprechende Seite online gestellt. Die GEW ist alarmiert.

Die Bildungsgewerkschaft GEW schlägt Alarm. Sie empört sich über die Idee der AfD, auch in Berlin ein Meldeportal gegen eine angebliche politische Beeinflussung im Klassenzimmer durch “linke” Lehrern zu schalten. Die AfD wolle eine kritische Auseinandersetzung im Unterricht unterdrücken, meint der GEW-Landesvorsitzende Tom Erdmann mit. Das mache einmal mehr die «undemokratische und autoritäre Grundhaltung» der Partei deutlich – sie wolle missliebige Lehrer unter Druck setzen.
Nach der Idee von Berliner AfD-Politikern sollen Schüler und Eltern melden, wenn ihre Partei im Unterricht “ausgegrenzt” oder falsch dargestellt werde. In der Hauptstadt sei ein ähnliches Portal wie in Hamburg im Gespräch, sagte der AfD-Abgeordnete und bildungspolitische Sprecher Franz Kerker. Seine Fraktion im Landesparlament wolle das besprechen. Zuvor hatte der «Tagesspiegel» darüber berichtet. Man werde nicht länger hinnehmen, dass die AfD von Lehrern ausgeklammert oder einseitig dargestellt werde – so lautet die Begründung der Zeitung zufolge.
In der Vergangenheit sei die AfD zum Beispiel an einer Schule bei einem Parteienvergleich zur Bundestagswahl nicht berücksichtigt worden, beklagte sich Kerker, laut Wikipedia “Mitglied der fakultativ schlagenden Sängerschaft Borussia”. Der Versicherungskaufmann führte auch an, dass vor kurzem gegen eine AfD-Veranstaltung in einem Schulgebäude protestiert worden sei. Dorthin hatte die bezirkliche Fraktion der rechten Partei zum „Bürgerdialog“ geladen, worauf Eltern mit einer Protestkundgebung reagierten, an der offenbar auch Lehrer teilnahmen (was kaum ihren Dienstpflichten entgegenstehen dürfte). Meinungsfreiheit, die die AfD für sich ständig einfordert, wenn es um Hass- und Hetze gegen Migranten geht, wird für Andersdenkende offenbar deutlich enger definziert.
In Hamburg hat die AfD vor Kurzem eine Plattform geschaltet, auf dem sie sich auf das sogenannte Neutralitätsgebot beruft (News4teachers berichtete). “Verstöße gegen das Neutralitätsgebot sind kein Kavaliersdelikt, denn dahinter steht zumeist der gezielte Versuch, Schüler – oder auf der Ebene der Schulbehörde auch Lehrer – für parteipolitische oder weltanschauliche Ziele zu vereinnahmen”, so heißt es dort. “Sie werden in der Bildung eigener politischer Urteile beeinträchtigt und zu einem bestimmten erwünschten (politischen) Verhalten erzogen. Selbst wenn die Indoktrination nicht verfängt, getrauen sich Betroffene in einem solchen Klima häufig nicht mehr, ihre Meinung offen auszusprechen, weil sie persönliche Nachteile oder Anfeindungen fürchten.”
Und weiter: “Das Über-/Unterordnungsverhältnis, dem die Schüler ihren Lehrern gegenüber ausgesetzt sind, macht dies besonders problematisch. Schon jetzt gibt es genug Ideologieprogramme auch an Hamburger Schulen, die Schülern vorschreiben wollen, was sie zu denken und was sie nicht zu denken haben. Politische Indoktrination von staatlichen Behörden oder ihren Mitarbeitern ist mit den Vorgaben aus dem Grundgesetz sowie weiteren Rechtsvorschriften nicht vereinbar. Dienstvorgesetzte sind daher verpflichtet, Neutralitätsverstöße zu überprüfen und ggf. disziplinarische oder arbeitsrechtliche Maßnahmen gegen Beamte oder tarifbeschäftigten Lehrer oder Behördenmitarbeiter zu ergreifen.” Über ein Kontaktformular können Verstöße auch anonym der Fraktion gemeldet werden.
“Für ein gutes Schulklima nicht zweckdienlich”
Die Hamburger Schulaufsicht wirft der AfD vor, Kinder so zu Denunzianten zu machen und einseitig zu instrumentalisieren. Auch Berlins Senatsbildungsverwaltung lehnt die Idee entschieden ab. «Schule muss sich politisch, religiös und weltanschaulich neutral verhalten», teilte eine Sprecherin der Senatsverwaltung mit. Wenn Schüler den Eindruck hätten, dass das Neutralitätsgebot verletzt werde, dann suchten sie in der Regel das Gespräch mit Lehrern, Schulleitung oder Schulaufsicht. «Derartige Internetportale lehnen wir ab. Sie sind für ein gutes Schulklima nicht zweckdienlich.»
Aus Sicht des FDP-Abgeordneten Paul Fresdorf gibt es mit der Schulaufsicht bereits eine Stelle, die verpflichtet sei, bei Beschwerden entsprechend zu ermitteln. Die FDP lehne eine private Lösung ab, die dazu geeignet sei, Lehrer an den Pranger zu stellen. «Ganz zu schweigen davon, wie dieses Portal alle datenschutzrechtlichen Voraussetzungen erfüllen soll.»
Der AfD-Politiker Kerker weist den Vorwurf zurück, seine Partei wolle Schüler zu Denunzianten machen. Es gehe darum zu sehen, ob in Schulen das politische Neutralitätsgebot eingehalten werde. Das gelte selbstverständlich auch gegenüber anderen Parteien. «Wir wollen ein Gefühl bekommen, wie viele Fälle es in Berlin gibt», droht Kerker. Sie würden von Fall zu Fall entscheiden, ob sie dann die Behörde einschalteten.
Von der Schulverwaltung haben betroffene Lehrer allerdings wohl kaum etwas zu befürchten. Im Gegenteil: Politische Bildung gehört zu ihren Amtspflichten. “Auftrag der Schule ist es, alle wertvollen Anlagen der Schülerinnen und Schüler zur vollen Entfaltung zu bringen und ihnen ein Höchstmaß an Urteilskraft, gründliches Wissen und Können zu vermitteln”, so heißt es in Paragraph 1 des Berliner Schulgesetzes. Und weiter: “Ziel muss die Heranbildung von Persönlichkeiten sein, welche fähig sind, der Ideologie des Nationalsozialismus und allen anderen zur Gewaltherrschaft strebenden politischen Lehren entschieden entgegenzutreten sowie das staatliche und gesellschaftliche Leben auf der Grundlage der Demokratie, des Friedens, der Freiheit, der Menschenwürde, der Gleichstellung der Geschlechter und im Einklang mit Natur und Umwelt zu gestalten.” News4teachers / mit Material der dpa
Der Beitrag hat bereits eine hitzige Diskussion auf der Facebook-Seite von News4teachers ausgelöst.

