SOLTAU. Eine Lehrerin aus dem niedersächsischen Soltau begleitet ihre Tochter, das TV-Sternchen Nathalie, zu Dreharbeiten ins ferne Australien. Die Pädagogin ist krankgeschrieben, ein Urlaubsantrag war erfolglos. Allerdings wird sie dann von Schülern im Fernsehen erkannt. Erst protestieren die Eltern der Schule, dann beschäftigt der Dschungelbesuch die Richter – durch drei Instanzen. Jetzt gibt es ein rechtskräftiges Urteil.
Nathalie, die mit der ProSieben-Show «Germany’s Next Topmodel» bekannt geworden war, nahm im Januar 2016 nahm sie an der zehnten Staffel der RTL-Dschungelshow «Ich bin ein Star – Holt mich hier raus!» teil. Ihre Mutter begleitete sie auf der Reise nach Australien. Eine Ärztin hatte die Lehrerin für drei Wochen krankgeschrieben, die Schule hatte zuvor einen Antrag auf Sonderurlaub abgelehnt. Die Staatsanwaltschaft ging davon aus, dass die 47 Jahre alte Pädagogin die Bescheinigung durch falsche Angaben bekommen habe. Sie sei nicht wirklich krank gewesen, so die Anklage, sogar die Arztpraxis wurde durchsucht.
„Die Angeklagte hat umfangreich zur Sache ausgesagt“, berichtete ein Gerichtssprecher des Landgerichts Lüneburg, wo der Fall zwischenzeitlich verhandelt wurde. „Sie sagte aus, wirklich erkrankt gewesen zu sein. Ihre Tochter hätte sie bekniet, mitzukommen – das sei gut für die Erholung.“ Laut „Hamburger Abendblatt“ rechtfertigte die Pädagogin seinerzeit ihre Krankschrift. „Ich konnte nicht mehr schlafen, habe nur noch geweint, habe mit Alkohol ein bisschen übertrieben.“ Sie sei überlastet gewesen und habe einen Zusammenbruch erlitten. „Ich hatte viele Überstunden und kein Wochenende“, erklärte sie laut Bericht.
Die Richterin habe angezweifelt, dass eine Reise um die halbe Welt in dem von Viktoria Volk geschilderten Zustand hilfreich wäre. „Ist Ihnen mal der Gedanke gekommen, dass der Flug nach Australien unter diesen Umständen der Gesundheit abträglich sein könnte?“, fragte die Richterin dem Bericht zufolge. Die Pädagogin erwiderte: „Das war das Beste, was ich machen konnte. Ich fliege gerne, ich weiß, dass mich das beruhigt.“ Selbst das vertraglich festgeschriebene Minimum von 18 Interviews, zu dem sich die Mutter von Nathalie gegenüber RTL verpflichtete, habe angeblich nicht zu Stress geführt. Darüber hinaus habe ihre Tochter den expliziten Wunsch geäußert, nach Australien begleitet zu werden. Nathalie habe sich Sorgen um ihre Mutter gemacht.
“Danach war es schrecklich”
„Mir hat die Reise gut getan. Aber danach war es schrecklich. Keiner hat mit mir geredet. Manche Kollegen haben sich weggedreht“, so schilderte die Lehrerin ihre Eindrücke nach ihrer Rückkehr laut „Hamburger Abendblatt“. Tatsächlich hatte der Fall für einen gehörigen Wirbel in Soltau gesorgt, wo sie am Gymnasium unterrichtete. Wie es beim NDR seinerzeit hieß, sei sie von Schülern in Ausschnitten der Show erkannt worden. Die Pädagogin hatte in diesen Wochen eigentlich die Schüler ihres Leistungskurses auf die anstehenden Abiturprüfungen vorbereiten sollen.
Die Eltern der etwa 20 betroffenen Gymnasiasten wandten sich laut „Weser Kurier“ mit einem offenen Brief an die Landesschulbehörde und forderten ein zügiges Einschreiten der Dienstaufsicht. „Wir bitten, diese Lage zu prüfen und schnell die erforderlichen Schritte einzuleiten“, hieß es in dem Schreiben des Elternrats. Befürchtet wurden Nachteile für die betroffenen Abiturienten, deren Unterricht von Kollegen vertreten werden musste.
Die Schulleitung unterstützte das Ansinnen. „Ich begrüße den Brief und möchte genau wie die Eltern eine Aufklärung des Vorfalls. Jeder Lehrer hat eine Fürsorgepflicht, der nachgegangen werden muss“, erklärte der Schulleiter seinerzeit. Auch für das Kollegium sei das Fehlen, unabhängig von den Gründen, eine zusätzliche Belastung. Die Landesschulbehörde stellte die Frau vom Unterricht frei, ein Disziplinarverfahren wurde eingeleitet, im Januar 2017 folgte dann die Suspendierung.
Das Landgericht folgte der Argumentation der Angeklagten nicht – es verhängte eine Geldstrafe von 90 Tagessätzen je 60 Euro. Und die wurde nun bestätigt. Das Oberlandesgericht habe die Revision als unbegründet verworfen, sagte ein Sprecher am Donnerstag. Rechtsfehler seien nicht festzustellen gewesen. Damit ist das Urteil rechtskräftig.
Knapp an der Vorstrafe vorbei
An einer Vorstrafe ist die Lehrerin damit gerade vorbeigeschrammt. Eine solche wird erst ab einer Geldstrafe von mehr als 90 Tagessätzen in das polizeiliche Führungszeugnis aufgenommen. Eine Vorstrafe hätte ernsthafte Konsequenzen bei der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz gehabt – bei Tätigkeiten mit Kindern und Jugendliche sind Führungszeugnisse vorzulegen.
Und die Arbeitsplatzsuche wird womöglich bald ein Thema für die Lehrerin. Denn ein Disziplinarverfahren steht noch aus. Ein ursprünglich für Juni angesetzter Prozess am Verwaltungsgericht Lüneburg war verschoben worden. Für die Disziplinarklage solle erst die Entscheidung im Strafverfahren abgewartet werden, hieß es. Der Pädagogin droht bei einer entsprechenden Entscheidung des Verwaltungsgerichts die endgültige Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, wie von der Landesschulbehörde angestrebt. Derzeit ist die Beamtin bei halben Bezügen vom Dienst suspendiert. News4teachers / mit Material der dpa
Der Fall wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers kommentiert.
Urteil: Schulleiter wird nach Veruntreuung von Schulgeld zurückgestuft
