Im Schuljahr 2016/2017 waren in Baden-Württemberg gravierende Probleme bei 6,2 Prozent der Schülerinnen und Schüler zu konstatieren. Aktuell, also im Schuljahr 2017/2018, zeigten sich im Schnitt bereits mehr als sieben Prozent der Fünft- bis Siebtklässler an Gymnasien in Baden-Württemberg den Leistungsanforderungen nicht gewachsen. In den fünften Klassen betrug die Quote der Kinder, die das Gymnasium während des vergangenen Schuljahres aus Leistungsgründen verlassen mussten, zum Ende des Schuljahres nicht beziehungsweise nur auf Probe versetzt wurden oder eine Realschulempfehlung erhielten, 5,6 Prozent. In der sechsten Klasse lag dieser Anteil sogar bei 8,1 Prozent, in Klasse 7 bei 7,6 Prozent.
Philologen-Chef Scholl hofft, dass die zum Schuljahr 2018/2019 in Baden-Württemberg eingeführte Vorlagepflicht der Grundschulempfehlung zu einer Verbesserung der Situation beiträgt. „Wir begrüßen diese Maßnahme, da sie den weiterführenden Schulen wichtige Informationen über das Leistungsniveau ihrer neuen Schülerinnen und Schüler liefert und somit eine gezielte individuelle Förderung von Anfang an erleichtert“, betont er – und fordert Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) auf, die Förder- und Unterstützungsangebote für leistungsschwache und leistungsstarke Schülerinnen und Schüler auszubauen, damit die Gymnasien ihrer zunehmend heterogenen Schülerschaft gerecht werden können.
An die Eltern appelliert Ralf Scholl, die Grundschulempfehlung ernst zu nehmen und ihr Wahlrecht bezüglich der weiterführenden Schule verantwortungsvoll auszuüben. „Es ist niemanden gedient, wenn Kinder auf eine Schule geschickt werden, die nicht ihrem Niveau entspricht.“ Sollten Schülerinnen und Schüler massive Probleme haben und überfordert sein, sei es im Sinne des Kindes wichtig, möglichst rasch die Schulart zu wechseln. „Nach dem Motto ´Kein Abschluss ohne Anschluss´ stehen in Baden-Württemberg auch Kindern und Jugendlichen, die nicht von vorneherein das Gymnasium besuchen, alle Ausbildungs- und Berufswege offen“, meint der Philologenvorsitzende.
Umfrage: 71 Prozent der Eltern präferieren das Gymnasium
Das sehen allerdings viele Eltern anders. Bei einer Umfrage, die die Stadt Düsseldorf vor zwei Jahren unter Eltern von Zweit- und Drittklässlern durchführte, gaben stattliche 71 Prozent der Väter und Mütter an, ihr Kind auf ein Gymnasium schicken zu wollen – wohlgemerkt: ein bis zwei Jahre, bevor die Grundschule ihre Empfehlung abgibt. Schulformen, die kein Abitur anbieten, scheinen kaum mehr eine Chance bei vielen Eltern zu haben. Weit abgeschlagen folgten nämlich hinter den Gymnasien die Gesamtschulen (die ja ebenfalls das Abitur anbieten) mit 14 sowie die Realschulen mit 13 Prozent. Lediglich ein Prozent der Grundschul-Eltern gab an, ihr Kind an einer Hauptschule anmelden zu wollen. In Nordrhein-Westfalen ist der Elternwille wie in Baden-Württemberg bei der Schulwahl entscheidend; die Grundschulempfehlung hat nur beratenden Charakter.
Das gilt auch für Hamburg. Wie eine Anfrage der CDU an den Senat nun ergab, waren es zu Beginn des laufenden Schuljahres 892 Jungen und Mädchen, die vom Gymnasium auf eine Stadtteilschule wechseln mussten – das war jeder achte Schüler aus den betroffenen Jahrgängen fünf und sechs an den Gymnasien. Bemerkenswert sei nicht nur die hohe Zahl der Schulformwechsler, sondern auch der hohe Anteil unter ihnen, der ohne Empfehlung auf ein Gymnasium gelangte, so berichtet die „Welt“: Mehr als 60 Prozent der scheiternden Kinder seien von ihren Eltern gegen den Rat der Grundschule am Gymnasium angemeldet worden
Tatsächlich scheinen immer mehr Eltern das Leistungsvermögen ihrer Kinder zu überschätzen. Seitdem die verbindliche Grundschulempfehlung in Nordrhein-Westfalen 2010 abgeschafft wurde, stieg der Anteil der Kinder, die nach der 6. Klasse das Gymnasium verlassen müssen, drastisch an. Laut “Kölnischer Rundschau” waren es 2016 – 27 Prozent mehr als fünf Jahre zuvor. Gleichzeitig habe sich in den vergangenen Jahren der Anteil der Kinder, die ohne gymnasiale Empfehlung am Gymnasium angemeldet wurden, deutlich erhöht. Waren es dem Bericht zufolge im Schuljahr 2010/11 insgesamt gerade mal knapp ein Prozent der Gymnasiasten, die weder eine glatte noch eine eingeschränkte Empfehlung für diese Schulform hatten, kletterte der Anteil im Schuljahr 2016/2017 auf 7,3 Prozent – eine Versiebenfachung! bibo / Agentur für Bildungsjournalismus
Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers heißt diskutiert.
Inklusion: Haben geistig Behinderte einen Anspruch auf einen Platz am Gymnasium? Experte sagt: Nein!
