Website-Icon News4teachers

Lehrer*in, Lehrer_in oder Lehr_er_in – wie werden wir künftig schreiben? Rat für Rechtschreibung beschäftigt sich mit dem “Gendern”

Anzeige

BERLIN. Wie soll künftig geschrieben werden, um Männer, Frauen und weitere Geschlechter gleichermaßen zu berücksichtigen? Mit dieser Frage befasst sich der Rat für deutsche Rechtschreibung.

Um das “Gendern” tobt ein Kulturkampf – selbst auf Verkehrsschildern. Foto: Coyote III / Wikimedia Commons (CC BY-SA 4.0)

Ein Sternchen als Zeichen für Gleichberechtigung – wie kann im Schriftdeutsch neben dem männlichen und dem weiblichen auch das dritte Geschlecht sichtbar gemacht werden? Diese Frage beschäftigt den Rat für deutsche Rechtschreibung. Seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes im vergangenen Jahr, nach dem im Geburtenregister neben “männlich” und “weiblich” eine dritte Option geschaffen werden soll, hat sich die Debatte verschärft. Am Freitag werden die Rechtschreibexperten bei einer Tagung in Passau voraussichtlich Empfehlungen zum geschlechtergerechten Schreiben geben.

Möglich sind Varianten wie die mit dem Sternchen – Asterisk – im Wort wie bei “Lehrer*in” oder mit dem Tiefstrich – Gendergap – wie bei “Lehrer_in” oder “Lehr_er_in”. Bei seiner Sitzung im Juni in Wien war der Rat übereingekommen, dass geschlechtergerechte Sprache verständlich, lesbar, vorlesbar, grammatisch korrekt sowie eindeutig und rechtssicher sein soll. Eine klare Tendenz, wie durch Orthografie die Schreibung geschlechtergerecht gestaltet werden könne, hatten die Experten noch nicht ausmachen können.

Anzeige

Man dürfe nicht darüber hinwegsehen, dass sich die deutsche Sprache historisch entwickelt habe und weiter entwickeln werde, sagt Josef Lange, Vorsitzender des Rates für deutsche Rechtschreibung mit Sitz in Mannheim. Eine Variante, die verstärkt praktiziert werde, sei die Verwendung geschlechtsneutraler Begriffe wie “Studierende” statt “Studenten und Studentinnen” oder “Lehrperson” statt “Lehrer”. Es sei auch zu unterscheiden, um welche Art Text es sich jeweils handele, sagt Lange. Bei einem Gesetzes- oder Verwaltungstext gebe es andere Maßstäbe als bei einem journalistischen oder literarischen Text.

Henning Lobin, neuer Direktor des Instituts für Deutsche Sprache und jetzt auch Ratsmitglied, erklärt, dass bestimmte Gruppen von Menschen auch in sprachlicher Hinsicht deutlicher erkennbar werden wollen. Sprache werde als ein wichtiger Bestandteil des Ausdrucks gesellschaftlicher Prozesse und Strukturen gesehen. “Insofern hat die Frage nach der geschlechtergerechten Personenbezeichnung eine Art Symbolcharakter erhalten, die etwas überhöht diskutiert wird”, räumt Lobin ein.

Die Debatte sei jedoch nicht nur eine Marotte einer Gruppe, sondern durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts für öffentliche Einrichtungen hochrelevant geworden. “Die Binarität des Geschlechtes besteht rechtlich nicht mehr.” Im Alltag zeige sich das beispielsweise in Stellenausschreibungen, wenn etwa nach einem “Elektriker (m, w, d)” gesucht werde. Lobin betont, dass es dem Rat nicht darum gehe, den Sprachgebrauch regulieren zu wollen, sondern den staatlichen Stellen der beteiligten Länder lediglich Empfehlungen zu Rechtschreibung und Zeichensetzung zu geben.

“Jede*r Nutzer*in kann täglich eine Stunde spielen”

Um eine solche hatte das Land Berlin gebeten, nämlich die Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung, genauer: die dort angesiedelten Landesstelle für Gleichbehandlung. Diese hatte um eine Formulierungsempfehlung gebeten: Wie lässt sich angemessen über Personen jenseits der beiden klassischen Geschlechter Mann und Frau schreiben? Gemeint sind einerseits Intersexuelle (also Menschen, deren angeborene Geschlechtsmerkmale, von der herrschenden Norm nicht als „eindeutig“ akzeptiert werden) oder solche Transmenschen, die sich weder als männlich noch als weiblich identifizieren.

Im Berliner Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg gehört das Gendersternchen bereits seit 2014 zur Amtssprache. Eine aktuelle Pressemitteilung des Bezirks liest sich so: “In Friedrichshain-Kreuzbergs Bezirkszentralbibliothek in der Frankfurter Allee hat Kulturstadträtin Clara Herrmann heute die Gaming Zone eröffnet. (…) Gemeinsam mit Achtklässler*innen der Friedrichshainer Emanuel-Lasker-Schule spielte Clara Herrmann zur Eröffnung eine Runde FIFA. (…) Jede*r Nutzer*in kann täglich eine Stunde spielen.”

Ein scharfer Kritiker von Schreibweisen mit Sternchen oder Tiefstrich ist der Sprachwissenschaftler Peter Eisenberg. Seiner Ansicht nach ist der Asterisk ein sprachfremdes Element. Er fürchtet, dessen Einführung in der Behördensprache sei nur ein erster Schritt. “Jetzt wird er toleriert, in zwei bis drei Jahren akzeptiert und dann heißt es: “Warum kommt er nicht auch in Schulbücher?”” Er spricht von einer bedrohlichen Entwicklung, die von geschlossenen Zirkeln gewaltig vorangetrieben werde. Die Schreibweise “Lehrer*in” sei genau genommen auch nicht gerecht, fügt Eisenberg an. Nicht nur, weil die männliche vor der weiblichen Form stehe, sondern weil sich sämtliche andere Geschlechtsidentitäten “hinter dem Sternchen verstecken” müssten.

“Ich habe immer für die Gleichberechtigung der Frau gearbeitet”, sagt Eisenberg. Eingriffe in die deutsche Sprache seien dafür jedoch nicht notwendig. “Das Deutsche kann alles, was man von ihm verlangt.” Er verweist darauf, dass der Begriff “Richter” im Sinne des generischen Maskulinums für die Berufsgattung stehe und nicht für die männliche Form. Als Beispielsatz sagt er: “In Berlin sind 60 Prozent der Richter Frauen” – und eben nicht “60 Prozent der Richterinnen”.

Für Eisenberg ist jedenfalls klar: Niemand dürfe zu Gendersprache gezwungen werden. “Das wäre das Ende des freien Sprachgebrauchs.” Ute Wessels, dpa

Der Beitrag sorgt für Diskussionen auch auf der Facebook-Seite von News4teachers.

Liebe LeserInnen, sollen wir gendern – oder lieber nicht? Deutschland ist in dieser Frage gespalten

 

Anzeige
Die mobile Version verlassen