HANNOVER. Die GEW Niedersachsen wird nun auch für vier Gymnasiallehrkräfte Klagen gegen deren erhebliche Arbeitszeit-Überschreitungen einreichen. Im Grundschulbereich hat die Gewerkschaft dies bereits getan und wartet auf die Festlegung des Verhandlungstermins vor dem Verwaltungsgericht Osnabrück. Hintergrund ist eine Arbeitszeitstudie, die das niedersächsische Kultusministerium selbst in Auftrag gegeben hatte: Im Schnitt arbeiten Vollzeit-Lehrerinnen und -Lehrer an Grundschulen, Gesamtschulen und Gymnasien danach (nur für diese Schulformen lagen Daten vor) 48 Stunden und 18 Minuten wöchentlich – gegenüber der Vergleichsbasis von 46 Stunden und 38 Minuten, die sich rechnerisch ergibt, wenn man die 40-Stunden-Woche der Verwaltungsbeamten auf die Schulwochen umrechnet. Allerdings stellten die Experten große Unterschiede fest.
„Unsere Rechtsstelle hat vier Klagen für Lehrkräfte an Gymnasien vorbereitet. In den nächsten Tagen werden wir diese bei den Verwaltungsgerichten Hannover, Braunschweig und Oldenburg einreichen“, kündigte die GEW-Landesvorsitzende Laura Pooth an. Alle vier Lehrerinnen arbeiteten dokumentiert mehr als 55 Stunden wöchentlich. Dieser Durchschnittswert berücksichtige bereits die Ferienzeiten mit geringerer Belastung, während in den Schulzeiten die Werte noch erheblich darüber lägen.
„Die Überstunden verfallen übrigens. Sie werden weder bezahlt noch durch Freizeit ausgeglichen“, erläuterte Pooth. „Wir gehen den Rechtsweg, weil die Überlastung der Lehrkräfte inzwischen unerträglich ist. Wenn die Landesregierung nicht schnellstens den politischen Weg beschreitet und Maßnahmen zur Entlastung vorlegt, muss sie eben juristisch dazu gebracht werden“, betonte die GEW-Landesvorsitzende. Auch der Philologenverband klagt bereits gegen die Landesregierung, weil Funktionsinhabern in den Schulleitungen wie Fachkonferenzleiter oder Sammlungsleiter umfangreiche zusätzliche Aufgaben zu erfüllen hätten, ohne dass es dafür einen Ausgleich gebe.
“In erheblichem Umfang Mehrarbeit”
„Niedersächsische Lehrerinnen und Lehrer leisten zurzeit in erheblichem Umfang Mehrarbeit. Die individuelle Arbeitszeit streut jedoch stark. Auch sind schulformspezifische Unterschiede und die besondere Belastung von Lehrkräften in Teilzeit und mit Funktionen sowie Leitungsaufgaben zu berücksichtigen“, so erklärte der Arbeitswissenschaftler Prof. Axel Haunschild von der Universität Hannover als Sprecher der Expertengruppe, die die Arbeitszeitstudie erstellt hat. Sein Kollege Dr. Franz Mußmann von der Universität Göttingen ergänzte: „Es fehlen Erholungsmöglichkeiten in den Schulpausen, die Sieben-Tage-Woche ist in der Schulzeit quasi obligatorisch und die Entgrenzung der Arbeitszeit ist fast die Regel.“
Aus Gründen der Fürsorgepflicht des Dienstherrn und aufgrund der Gleichbehandlung müsse für gezielte Entlastung gesorgt und die große Spanne unterschiedlicher Arbeitszeitbelastung reduziert werden, so fordern die Wissenschaftler. Dabei komme es vor allem auf einen Ausgleich in der direkten Belastungssituation an. Ein konkreter Vorschlag des Gremiums: „Entlastungsstunden“ als neues Instrument einzuführen. Diese sollen den Schulen zur Verfügung stehen und zielgenau zum Ausgleich für besonders belastete Lehrkräfte eingesetzt werden. Agentur für Bildungsjournalismus
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