Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), so scheint es, hält nach wie vor eine Einigung in Sachen Digitalpakt für möglich. Der Widerstand der meisten Bundesländer gegen die Grundgesetzänderung für das Zustandekommen des Digitalpakts Schule ist nach ihrer Einschätzung auf die Kostenaufteilung zurückzuführen, die durch die vom Bundestag beschlossene Grundgesetzänderung auf die Länder zukommen würde – also keine prinzipielle Frage. „Beim Digitalpakt soll die Kostenaufteilung 90 zu 10 sein – 90 der Bund, 10 die Länder. Soweit so gut“, sagte Merkel am Dienstag beim Digitalgipfel der Bundesregierung in Nürnberg. Aber bei weiteren Investitionen im Bildungsbereich ab 2020 ist dann eine Kostenaufteilung von 50 zu 50 vorgesehen. „Und das gefällt den Ländern nicht so richtig. Da liegt der Hase im Pfeffer, glaube ich.“
Merkel betonte, der Bund wolle nicht nur die Schulen mit Computern ausstatten, sondern etwa auch eine gemeinsame Lehr-Cloud anbieten, aus der sich jedes Bundesland und jede Schule das herausnehmen könne, was sie wolle. Derzeit lässt das Bundesbildungsministerium ein entsprechendes Angebot entwickeln. „Das sind alles, glaube ich, sehr willkommene Dinge“, so Merkel.
Zuvor hatte VBE-Bundesvorsitzender Udo Beckmann seinen Ärger darüber zum Ausdruck gebracht, dass sich Merkel bislang mit Äußerungen zum Digitalpakt weitgehend zurückgehalten und ihrer Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) bei den Verhandlungen das Feld allein überlassen hat. „Wir haben kein Verständnis dafür, dass die Kanzlerin auf dem Digitalgipfel visionäre Reden hält, aber sich in die unsäglichen Debatte der Gegner der Abschaffung des Kooperationsverbotes als Voraussetzung für die Umsetzung des Digitalpakts nicht einschaltet. Es muss Schluss damit sein, Wein zu predigen, aber hinzunehmen, dass die Ministerpräsidenten nur Wasser ausschenken wollen“, schimpfte er.
Beckmann forderte: „Digitalisierung an Schule muss zur Chefsache werden! Eine Einigung muss schnellstmöglich gefunden werden. Dafür ist es notwendig, die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten an einen Tisch zu holen und zum Wohle der Kinder diese wichtige Entwicklung voranzutreiben.“ Und weiter: „Wir dürfen nicht weiter zusehen, wie ganze Schülergenerationen abgehängt werden. Großen Reden muss deshalb entschlossenes Handeln der Kanzlerin folgen!“
“Trauerspiel ohne Ende”
Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, bezeichnete das Ringen um den Digitalpakt gegenüber der „Rheinischen Post“ als „ein Trauerspiel ohne Ende“. Die Ministerpräsidenten, die sich gegen die vom Bundestag verabschiedete Grundgesetzänderung wehren, nahm er in Schutz. „Man kann den Schwarzen Peter nicht einseitig den Ländern zuschieben”, sagte Meidinger. Er verwies auf die kurzfristigen umfänglichen Erweiterungen der ursprünglich geplanten Grundgesetzänderung und an die schlechte Kommunikation darüber mit den Ländern. „Ich bin auch enttäuscht von der Bundesbildungsministerin. Das hätte so nicht passieren dürfen”, sagte Meidinger mit Blick auf Karliczek. Er betonte, das Beste sei, wenn nun der Vermittlungsausschuss zwischen Bund und Ländern angerufen werde. Meidinger betonte: „Wir brauchen den Digitalpakt Schule dringend.“
Susanne Lin-Klitzing, Bundesvorsitzende des Deutschen Philologenverbands, warb unterdessen für einen anderen Weg zum Digitalpakt – ohne Grundgesetzänderung. „Eine Einigung zwischen Bund und Ländern für den Digitalpakt jenseits der umstrittenen Grundgesetzänderung ist möglich, wenn bei allen Beteiligten der politische Wille dazu vorhanden ist. Dies geht auf der Basis der bestehenden verfassungsrechtlichen Lage bereits jetzt und ist nötig!“, meinte sie. Die rund 40.000 Schulen in Deutschland bräuchten den Schub nach vorne und endlich Planungssicherheit für eine zeitgemäße digitale Ausstattung mit Breitbandversorgung. Darüber hinaus benötige jede Schule zusätzlich zu einer Anschubfinanzierung im fünfstelligen Bereich allerdings auch eine IT-Fachkraft, die von der zuständigen Kommune dauerhaft gestellt werde. „Denn die neue digitale Infrastruktur muss professionell instand gesetzt und gehalten werden“, so erklärte Lin-Klitzing. Eine Einigung „ist kein Hexenwerk und kann mit soliderer Planung als bisher gelingen.“
Berlin lehnt Investitionen in den Bildungsbereich aus Bundesmitteln ohne Grundgesetzänderung ab, weil sonst keine Zweckbindung möglich wäre. Die Länder wären dann nicht verpflichtet, die für die Digitalisierung der Schulen vorgesehenen Mittel auch tatsächlich dafür auszugeben. Dafür gibt es einen Präzedenzfall: 2014 übernahm der Bund für die Länder Bafög-Kosten in Höhe von 1,1 Milliarden Euro. Diese sollten im Gegenzug mehr in ihre maroden Hochschulen stecken. Tatsächlich kam das Geld in einigen Bundesländern, wie die „Welt“ berichtet, nie dort an. Agentur für Bildungsjournalismus
Susanne Lin-Klitzing, Bundesvorsitzende des Deutschen Philologenverbands, hat einen politischen Forderungskatalog aufgestellt. Sie verlangt:
- “Keine digitale Infrastruktur an Schulen ohne professionelle Wartung!
- Keine hausgemachte Lösung ohne eine Standardisierung der Hardware in Schulen über die Ländergrenzen hinweg!
- Keine Schule ohne ein didaktisches Konzept für die Digitalisierung!
- Endlich eine professionelle und langfristig angelegte Lehrerfortbildung mit Input, Durchführung im Unterricht und Reflexion, für die die Lehrkräfte ohne Wenn und Aber vom Unterricht freigestellt werden müssen.”