„Mir ist aufgefallen, dass SuS sich ständig gegenseitig verpetzen. Es gibt gar nicht mehr diesen Zusammenhalt. Ich hätte früher keine Mitschüler verpetzt, niemand wollte als Petze dastehen. An meiner Schule ist das anders”, so berichtet die Referendarin – und fragt in die Runde: „Ich bin mir total unsicher wie ich richtig reagieren soll. Ständig heißt es, schauen sie mal bei Schüler y oder x, der macht dies und jenes. Ich würde den Schülern gerne klarmachen, dass ich petzen für falsch halte. Zusätzlich muss ich aber ja auch diejenigen bestrafen, die Opfer eines Petzers wurden, wenn das Opfer sich nicht an meine Regeln gehalten hat. Schwieriges Dilemma. Hat jemand Tipps/Erfahrungen?“
Und sie bekommt viele Antworten. Eine Auswahl:
- „Ich würde einfach mal auf nette Art deutlich machen, dass du sehr wohl siehst, wer was tut, auch wenn du dies nicht immer kommentierst, und du dir daher dein eigenes Bild machst und nicht auf wiederkehrende Kommentare von anderen SuS (Schülerinnen und Schüler, die Red.) angewiesen bist.“
- „Ich habe klar gesagt, was ich davon halte, wenn sie sich gegenseitig verpetzen und was das über sie selbst aussagt und deren Sozialkompetenz und Zusammenhalt innerhalb der Klasse. Ich bin dann mehr auf diese Diskussion eingegangen als auf das verpetzte Vergehen und hab das teilweise sogar unbestraft gelassen.“
Die Referendarin hakt nach: „Würdet ihr eventuell sogar den Petzer bestrafen? Ich überlege, ob ich die nicht mal als Strafe einen Text abschreiben lasse, der sich mit dem Thema beschäftigt oder einem Text, der sich mit dem Zusammenhalt in der Klasse beschäftigt.“
- „Nein, das würde ich definitiv nicht, auch wenn ich Petzen im Allgemeinen nicht gut finde. Aber dem Petzer geht es ja vielleicht nur um eine gewisse Gerechtigkeit – es kann schon auch ätzend sein wenn gewisse Schüler immer mit etwas durchkommen, für das andere bestraft werden.“
- „Finde ich grundsätzlich nicht verkehrt. Bei mir hat ne klare Ansage mit enttäuschtem Blick gereicht, war aber auch ne vierte.“
- „Ich finde man muss echt unterscheiden, warum einer petzt. Ich hatte so ne unsoziale Klasse, die andere absichtlich in die Pfanne hauen wollten und sowas kann man m. E. schon bestrafen. Jemand der nur die Regeln aufrechterhalten will, wahrscheinlich weniger.“
- „Ich finde das auch schwierig – zumal ich mich frage, ob die SuS dann noch zum Lehrer gehen würden, wenn wirklich etwas Schlimmeres passiert ist. Ab wann hört Petzen auf? Wenn die SuS einem etwas über einen anderen Schüler erzählen, was man wirklich (!) wissen sollte, ist es ja auch irgendwie gepetzt.“
- „Einige Kinder müssen ja auch erst in der Schule lernen, zu differenzieren. Was ist wann und wie angebracht. ‚XY hat blöde Kuh zu mir gesagt‘ ist was anderes wie gewisse Schimpfwörter, Dauermobben, Diebstahl etc.“
- „Das mit dem Petzen find ich ne interessante Diskussion… Ich war selbst als Schülerin in einer Klasse wo ich mich gefreut hätte, wenn sich öfters mal jemand getraut hätte, einem Lehrer zu sagen, was eigentlich alles so schief läuft und wie sich manche Mitschüler teilweise anderen gegenüber verhalten haben. Wir hatten einen sehr starken Zusammenhalt, aber eher im negativen Sinne von ‚keiner macht das Maul auf und alle decken sich gegenseitig als Mobber‘ – eben weil keiner als Petze dastehen wollte. Ist vielleicht ne andere Situation, aber insgesamt finde ich, dass ‚Petzen‘ nicht immer bösartig oder negativ ist, sondern auch zeigt, dass jemand den Mut hat, auch gegen die Gruppe was zu sagen. Es ist ja auch (vor allem heutzutage) wichtig, ein solches Selbstbewusstsein zu entwickeln und sich nicht einem Gruppenzwang unterzuordnen. Vielleicht kannst du ein konkreteres Beispiel nennen, was genau ‘verpetzt’ wird? Kann ja auch sein, dass diese Petzen tatsächlich denken, sie helfen dir dabei, z. B. Fehlverhalten zu bemerken oder so. Da würde ich im Gespräch mit der Klasse auf jeden Fall differenzieren.“
- „Bitte achte bei deinem Plan ganz arg darauf, dass du nicht die Schüler*innen einschüchterst, die sich dir als Opfer anvertrauen. Das ist dann kein petzen und da muss dringend differenziert werden. Mir hat meine Banknachbarin in der 2. Klasse im Unterricht einen Büschel Haare ausgerissen und ich hab mich Hilfe suchen bei der Lehrerin gemeldet. Sie sagt nur: ‚Rebekka, du bist eine Petze!‘ Ich werde das mein Leben lang nicht vergessen. Deshalb ist da die Differenzierung so wichtig.“
Was meint die Psychologie? Das Phänomen sei altersabhängig einzuschätzen, rät die Kinder- und Jugendpsychiaterin Dorothea Wolff gegenüber der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“. Bei Kindergartenkindern gehe es in der Regel um das Austesten eigener und fremder Grenzen – sie wollten feststellen, dass Regeln vorhanden seien und immer wieder deren Verbindlichkeit überprüfen. Denn, so erklärt die Expertin: „Kinder mögen Regeln, weil sie Struktur geben. Sie zu erlernen ist ein Prozess.“
Bei Grundschülern folge dann die nächste Stufe. Ihr Hauptthema sei die Stellung in der sozialen Gruppe. Grundschulkinder entwickelten ein Bewusstsein dafür, wie sie sich in einer Gruppe von Gleichaltrigen zu verhalten hätten – nun könne durchaus die Profilierung gegenüber anderen ins Spiel kommen. Trotzdem sollten Lehrer mit Begriffen wie „Lügen“ oder „Petzen“ vorsichtig sein, „weil ich das Verhalten von Kindern nicht mit der Brille sehe, durch die ich dasselbe Verhalten bei Erwachsenen beurteilen würde. Das ist ein Unterschied!“ Der Rat der Fachfrau: „Wenn ein siebenjähriges Kind andauernd kommt und erzählt, was andere falsch machen, dann sollte ich das Kind darauf hinweisen, dass es – wenn es immer so über andere redet – vielleicht nicht mehr so gerne dabeigehabt wird.“
Auch eine Autorin des vielbeachteten Blogs „StadtLandMama“ warnt generell davor, Kindern wegen Petzens einen Vorwurf zu machen. Sie fragt: „Warum sollen Kinder es schlucken, wenn ihnen Unrecht getan wird? Mit welcher Begründung darf mir denn ein Kind nicht sagen, wenn es sich unfair behandelt fühlt?“ Agentur für Bildungsjournalismus
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