BERLIN. Eltern fragen sich: Bleibt die Kita geschlossen? Touristen fragen sich: Wie komme ich durch die Stadt? In Berlin braucht es in den nächsten Tagen starke Nerven – der Tarifstreit kocht hoch. Nach GEW-Schätzung dürften am heutigen Mittwoch 10.000 Unterrichtsstunden ausfallen.
Die Liste ist lang: Erzieher in Kitas, Lehrer, Mitarbeiter von Bürgerämtern, Bibliotheksangestellte, Feuerwehrleute, Ordnungsamtsmitarbeiter, Gärtner und Beschäftigte in Polizeidienststellen sowie Senatsverwaltungen zählen dazu. Viele von ihnen werden am Mittwoch nicht zu ihrem Arbeitsplatz in Berlin gehen – sondern auf die Straße. Gewerkschaften haben im laufenden Tarifstreit zu einem Warnstreik mit Demo-Tross vom Alexanderplatz (10.00 Uhr) durch die Stadt und Kundgebung am Brandenburger Tor (gegen 11.30 Uhr) aufgerufen. Berliner werden die Auswirkungen spüren.
Verdi erwartet Tausende Teilnehmer. Auch die Gewerkschaft der Polizei und die Bildungsgewerkschaft GEW haben zu dem Warnstreik aufgerufen. Der Blick auf Freitag macht es in der Hauptstadt nicht besser: Dann gibt es einen anderen Warnstreik bei den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG). Heißt im Klartext: U-Bahnen, Straßenbahnen und Busse werden zeitweise wohl kaum fahren. Berlin ist in diesen Tagen im Griff von Warnstreiks. Regierungschef Michael Müller (SPD) sagte am Dienstag, er hoffe, dass diese mit «Augenmaß» umgesetzt werden.
Ein Teil der Kitas wird am Mittwoch geschlossen bleiben. Ein Beispiel: Von 37 Einrichtungen der Kindertagesstätten Süd-West bleiben 18 gleich komplett zu, wie die pädagogische Geschäftsleiterin Martina Castello auf Anfrage sagte. In 14 Einrichtungen werde es eine Notbetreuung geben, weil auch von dort vereinzelt Erzieher beim Warnstreik mitmachen wollen. Castello forderte, dass die Tarifpartner bald zu einer Einigung kommen sollten. «Das belastet die Familien», sagte sie über die Folgen von Warnstreiks. Viele Eltern hätten zugleich Verständnis für die Forderungen der Erzieher nach mehr Bezahlung.
Gewerkschafter erwarten auch diese Folgen: Unterrichtsausfall an vielen Schulen – die GEW schätzt, dass mehr als 10.000 Unterrichtsstunden zusammenkommen werden. In Bürgerämtern werden Kunden länger warten müssen. Möglicherweise werden wegen schmalerer Personallage weniger Strafzettel für Falschparker ausgestellt. Bibliotheken könnten geschlossen bleiben und Grünflächen wie zum Beispiel Friedhöfe werden nicht gepflegt. Es wird in vielen Einrichtungen und Behörden laut Gewerkschaftsangaben nur Notdienste geben.
Die Arbeitsniederlegungen am Mittwoch zielen auf den laufenden Tarifkonflikt im öffentlichen Dienst der Länder ab. Es geht um viele Jobs. Gewerkschaftsangaben zufolge sind deutschlandweit insgesamt rund 2,3 Millionen Beschäftigte der Länder von den Tarifergebnissen betroffen, da Verdi fordert, die Ergebnisse auf die mehr als eine Million Beamte zu übertragen. Beamte dürfen in Deutschland nicht streiken.
“Nicht bezahlbar”
Die Gewerkschaften fordern sechs Prozent mehr Gehalt, mindestens aber 200 Euro pro Monat bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Darüber hinaus erwarten sie strukturelle Verbesserungen in der Eingruppierung. Die Länder, deren Verhandlungsführer Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) ist, halten das für nicht bezahlbar.
Die dritte Tarifrunde ist am 28. Februar und 1. März geplant. Derzeit wird in vielen Bundesländern die Arbeit niedergelegt. Am Dienstag etwa in Nordrhein-Westfalen an Unikliniken. In Bayern traten Beschäftigte im Straßenbau, in Flussmeisterstellen und Bauämtern in den Ausstand. Zudem wurde in Baden-Württemberg, Hamburg und Sachsen gestreikt. dpa
Im Tarifstreit für die Landesbeschäftigten haben am Dienstag Lehrer, Hochschulangestellte und Behördenmitarbeiter aus der Region Leipzig die Arbeit niedergelegt. Nach Gewerkschaftsangaben versammelten sich am Mittag rund 3000 Menschen zu einer Protestkundgebung in der Leipziger Innenstadt. Zu dem ganztägigen Warnstreik hatten die Gewerkschaften Verdi und GEW sowie der Beamtenbund (dbb) aufgerufen.
Sie fordern in den Verhandlungen mit der Tarifgemeinschaft deutscher Länder deutlich mehr Geld für die Beschäftigten. Zwischen den Angestellten von Bund und Kommunen sowie den Landesbeschäftigten klaffe eine Lohnlücke, kritisierte der dbb-Bundesvorsitzende Ulrich Silberbach. Die Länder dürften sich aber nicht mit dem Verweis auf Haushaltslagen aus ihrer Verantwortung stehlen. Gerade im Bildungssystem dürfe nicht gespart werden.
Zu den Kernforderungen der Gewerkschaften gehören ein Lohnplus von sechs Prozent, mindestens aber 200 Euro mehr im Monat, wie Verdi-Tarifkoordinatorin Manuela Schmidt sagte. Für Pflegebeschäftigte solle es 300 Euro mehr geben, für Azubis einen Aufschlag von mindestens 100 Euro. Die Länder haben die Forderungen bisher als überzogen zurückgewiesen, aber noch kein Angebot vorgelegt. Die Verhandlungen sollen am 28. Februar fortgesetzt werden.
In Sachsen sind in dieser Woche weitere Warnstreiks geplant. Für Mittwoch rufen die Gewerkschaften in der Region Chemnitz zum Ausstand auf, am Donnerstag soll es Warnstreiks in Dresden und in den umliegenden Landkreisen geben. Am jenem Tag ist auch eine Kundgebung vor dem sächsischen Finanzministerium geplant.