GOSLAR. Die Herausforderungen der digitalen Welt werden immer größer – auch für Kinder und Jugendliche. Ein neues Pflichtschulfach könnte Abhilfe schaffen, meint die Direktorenvereinigung. Widerspruch kommt von der GEW.
Der Informatikunterricht soll nach dem Willen der niedersächsischen Direktorenvereinigung (NDV) an Schulen ausgebaut werden. «Wir brauchen allgemeinbildende Informatik als Pflichtfach», sagte NDV-Vorsitzender Wolfgang Schimpf im Gespräch. In dem Verband sind die Leitungen von 185 der 224 niedersächsischen Gymnasien organisiert. Die Direktoren treffen sich in dieser Woche zu ihrer Jahreshauptversammlung in Goslar.
«In Zeiten der digitalen Transformation müssen die Schulen allen Kindern ein Basis-Informatikwissen bereitstellen», sagte Schimpf. Das könne auch in den Bereichen Philosophie und Politik-Wirtschaft geschehen. «Aber das Ankerfach dafür sollte die allgemeinbildende Informatik werden», sagte der Leiter des Max-Planck-Gymnasiums in Göttingen. Wichtig sei, dass Schüler lernen könnten, welche Chancen die Digitalisierung biete, aber auch, welche Risiken und Gefahren sie berge.
Glasfaserkabel und eine verlässliche Infrastruktur, wie sie jetzt aus dem Digitalpakt finanziert werden sollen, seien zwar Voraussetzung für eine digitale Transformation in den Schulen, sagte Schimpf. Doch das bloße Vorhandensein von digitalen Endgeräten wie Ipads oder Laptops reiche nicht aus. Das Kultusministerium müsse eine zeitnahe und nachhaltige Aus- und Fortbildung aller Lehrkräfte organisieren. «Denn wenn man die Schulen mit viel Geld technisch aufrüstet, muss man auch dafür sorgen, dass das im Unterricht substanziell ankommt», sagte Schimpf.
Der Philologenverband steht der Forderung nach mehr Informatik-Unterricht aufgeschlossen gegenüber, sagte dessen Vorsitzender Horst Audritz. Es sei klar, dass Informatik in den Schulen gestärkt werden müsse. «Dazu ist aber nicht unbedingt ein eigenes Pflichtfach erforderlich», sagte Audritz. Denkbar sei auch, Informatik zum Beispiel innerhalb des Mathematik-Unterrichts zu intensivieren.
Bei der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) stieß der Vorstoß der Direktorenvereinigung auf Skepsis. «Kinder und Jugendliche werden am besten für ein Leben in der digitalen Welt vorbereitet, wenn Schule kritisches Denken genauso vermittelt wie Medienkompetenz», sagte Sprecher Christian Hoffmann. «Das ist eine fächerübergreifende pädagogische Herausforderung.»
Auch Thema: Inklusion
Unabhängig vom Thema Digitalisierung gibt es nach Darstellung der Direktoren-Vereinigung an den Gymnasien große Probleme wegen der extremen Arbeitsbelastung vieler Schulleitungen. Vor allem die Koordinatoren, die für die konkrete Organisation des Schulbetriebs verantwortlich sind, seien stark überlastet, weil sie trotz der ständig zunehmenden Leitungsaufgaben nur wenig Entlastung bei der Unterrichtspflicht bekämen. Zehn und mehr unbezahlte Überstunden pro Woche seien deshalb keine Ausnahme, sagte Schimpf.
Auch die Unterrichtsversorgung an den Gymnasien sei unzureichend, kritisierte der Vorsitzende der Direktoren. Bis zum Schuljahr 2020/21 seien mindestens 1000 zusätzliche Lehrkräfte erforderlich. Besonders schlecht sehe es in den sogenannten Mint-Fächern Mathe, Informatik, Naturwissenschaft und Technik aus.
Ein wichtiges Themenfeld der Beratungen in Goslar ist auch die Inklusion an den Schulen. Nach Auffassung von Schimpf haben zwar auch die Gymnasien die Pflicht, Kinder mit Förderbedarf aufzunehmen. Allerdings sollten dort nur Mädchen und Jungen unterrichtet werden, denen von Anfang an zugetraut werde, trotz ihres sonderpädagogischen Förderbedarfs das Abitur zu schaffen. Von Matthias Brunnert, dpa
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