BERLIN. 70 Jahre wird das Grundgesetz alt. Die darin festgeschriebenen Regeln des Zusammenlebens werden nicht überall befolgt. Eine Aktion soll das Bewusstsein schärfen: Jeder Schüler in Deutschland soll eine Ausgabe erhalten. Der VBE zeigt sich skeptisch: Ein gedrucktes Büchlein ersetze fehlende Zeit für die Demokratie-Erziehung nicht, heißt es.

Alle Schüler in Deutschland sollen während ihrer Schulzeit eine Ausgabe des Grundgesetzes erhalten. Eine entsprechende Empfehlung sprach die Kultusministerkonferenz (KMK) am Donnerstag den Bundesländern aus. «Schülerinnen und Schüler anhand des Grundgesetzes mit den Grundlagen und den Regeln unseres Zusammenlebens vertraut zu machen, ihnen ihre Bedeutung in Geschichte, Gesellschaft und für den Einzelnen zu vermitteln, ist eine der zentralen Aufgaben von schulischer Bildung überhaupt», erklärte der KMK-Präsident, Hessens Kultusminister Alexander Lorz (CDU). In der Kultusministerkonferenz versammeln sich die Bildungsminister der Länder, um politische Grundlagen der Bildung zu bestimmen.
Lorz sagte, die Demokratie und das Wertesystem seien heute leider nicht mehr selbstverständlich. Sie müssten aktiv verteidigt werden. «Schulen sind der beste Ort, um Demokratie, Empathie, Respekt, die Regeln der Kommunikation und des Disputs zu erlernen und einzuüben», so der Präsident der Ministerkonferenz.
Hinter der geplanten massenhaften Verteilung des Grundgesetzes steht nach Angaben von Lorz der Gedanke, dass Schüler mit der verfassungsmäßigen Werteordnung vertraut werden sollten. Das gelte bei allen unterschiedlichen sozialen, religiösen und kulturellen Hintergründen.
Das Grundgesetz ist die Verfassung Deutschlands. Es besteht seit Gründung der Bundesrepublik 1949. Die grundlegenden Regeln für das Zusammenleben sind darin festgehalten. Alle Behörden, Gerichte und Bürger müssen sich daran halten.
Schon im ersten Abschnitt des Grundgesetzes steht beispielsweise: «Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.» Weiter heißt es: «Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.»
Bereits im Oktober 2018 hatte die Kultusministerkonferenz eine Empfehlung verabschiedet, um die demokratische Grundordnung in der Praxis zu vermitteln. «Ziel ist es, dass unsere Schülerinnen und Schüler Demokratie in ihrem schulischen Lebensalltag erlernen und Erfahrungen sammeln», erklärte Lorz. «Sie sollen erkennen, welch kostbares Gut die Demokratie darstellt.»
“Unzureichende Berücksichtigung im Lehrplan”
„Natürlich begrüßen wir die Empfehlung der Kultusministerkonferenz (KMK), dass jede Schülerin und jeder Schüler im Laufe ihrer Schullaufbahn ein Grundgesetz erhalten soll“, meint VBE-Bundesvorsitzender Udo Beckmann. „Allerdings ersetzt die Übergabe eines Buches noch nicht die fehlende Zeit zur Auseinandersetzung mit demokratischen Werten und die Verankerung in den Lehrplänen.“
Eine vom VBE initiierte Umfrage zur Werteerziehung (News4teachers berichtete) habe deutlich gezeigt: Obwohl Eltern und gerade Lehrkräfte die Vermittlung von Werten sehr befürworten, sehen beide Gruppen starke Defizite in der Umsetzung. Gründe für ein Nicht-Erreichen einzelner Bildungs- und Erziehungsziele sehen Eltern wie auch Lehrkräfte vor allem in einer unzureichenden Berücksichtigung im Lehrplan. Eltern als auch Lehrkräfte beurteilen die praktische Auseinandersetzung mit dem jeweiligen Thema, etwa in Form von Projektwochen oder Workshops, als förderlich für das Erreichen bestimmter Werterziehungsziele. „Wer also Demokratieerziehung will, muss auch für die entsprechenden Bedingungen sorgen, damit Demokratie erlernbar und erlebbar wird“, betont Beckmann. News4teachers / mit Material der dpa
Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

