WIEN. Der Nationalrat, das österreichische Parlament, hat mit den Stimmen der konservativen ÖVP und der rechten FPÖ ein Verbot von Kopftüchern an Grundschulen beschlossen. Wörtlich heißt es in der Gesetzesvorlage, dass damit „das Tragen weltanschaulich oder religiös geprägter Bekleidung, mit der eine Verhüllung des Hauptes verbunden ist“, für Schülerinnen und Schüler in Volksschulen (also Grundschulen) untersagt ist. Bekommt damit eine Initiative der schwarz-gelben Landesregierung von Nordrhein-Westfalen wieder Aufwind, die – unter Verweis auf das österreichische Vorbild – ein Kopftuchverbot für Mädchen in Kitas und Grundschulen prüft?
Die Wiener Regierungskoalition begründet ihren Vorstoß laut „Kurier“ mit dem Kindeswohl. Das Kopftuch stehe „der sozialen Integration von Kindern gemäß den lokalen Gebräuchen und Sitten, der Wahrung der verfassungsrechtlichen Grundwerte und Bildungsziele der Bundesverfassung sowie der Gleichstellung von Mann und Frau“ entgegen, so heißt es. Durch ein Kopftuch werde ein Mädchen zur Außenseiterin und zudem auf eine bestimmte Geschlechterrolle reduziert. „Das Verbot des Kopftuchs in der Schule ist ein entscheidender Schritt zur besseren Integration und zur Verminderung von Diskriminierungen. Wir sorgen damit dafür, dass die Integrationschancen von jungen Mädchen steigen“, sagt ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer dem Bericht zufolge.
Ähnlich hatte die nordrhein-westfälische Integrations-Staatssekretärin Serap Güler (CDU) argumentiert. „Einem jungen Mädchen ein Kopftuch überzustülpen, ist pure Perversion. Das sexualisiert das Kind. Dagegen müssen wir klar Position beziehen“, schrieb sie im vergangenen Jahr auf Facebook, als die Verbotspläne aus Wien bekannt wurden. In einem Interview erklärte sie dann: „Lehrer beobachten an den Grundschulen immer häufiger, dass schon siebenjährige Schülerinnen mit Kopftuch in den Unterricht kommen.“ In Ausnahmefällen erschienen sogar schon Kinder mit Kopftuch in den Kitas.
Schulfrieden gestört? Keine Fälle bekannt
Belege dafür konnte das Integrationsministerium allerdings bis heute nicht vorlegen. Das musste auf eine Grünen-Anfrage im Landtag einräumen, dass der Landesregierung keine Fälle bekannt seien, in denen aufgrund Kopftuch tragender Mädchen der Schulfrieden gestört gewesen sei. Ebenso habe man keine landesweite Erhebung in Auftrag gegeben, um die Zahl junger Kopftuch-Trägerinnen in Kitas und Grundschulen zu ermitteln. Das Haus verwies lediglich auf eine Studie von 2011, wonach das Kopftuch auch von Mädchen in der Altersgruppe von bis zu zehn Jahren getragen werde. Eine Ministeriumssprecherin bekräftigte seinerzeit auf Nachfrage der „Westdeutschen Allgemeinen Zeitung“, dass es beim geplanten Verbot bleibe: „Die Landesregierung prüft die rechtlichen Voraussetzungen, um dem Schutzbedürfnis junger Mädchen, insbesondere im Kindergarten- und Grundschulalter, angemessen Rechnung tragen zu können.“ Dieser Prüfungsprozess sei nicht abgeschlossen.
Pikant: Chef von Güler ist Integrationsminister Joachim Stamp, ein FDP-Politiker. Ausgerechnet Stamps Parteifreundin, Schulministerin Yvonne Gebauer, schießt aber bislang quer. Im Schulausschuss des Düsseldorfer Landtags, erklärte sie im vergangenen Juni, dass ihr Haus derzeit keine entsprechende Änderung des Schulgesetzes plane. Für ihr Ministerium stehe aktuell der Ausbau des islamischen Religionsunterrichts im Vordergrund. Dabei sollten den muslimischen Schülern Grundlagen “für eine selbstbestimmte Ausübung ihrer Religion” vermittelt werden. Der Unterricht werde von staatlich ausgebildeten Lehrkräften des Landes erteilt und basiere auf staatlichen Lehrplänen. Bei den Gesprächen mit den Islamverbänden sei ein mögliches Kopftuchverbot für Kinder bisher “kein vorrangiges Thema” gewesen, sagte Gebauer einem Bericht der Katholischen Nachrichtenagentur (kna) zufolge. Das Ministerium gehe davon aus, dass Schülerinnen und Schüler „eigenverantwortlich und selbstbestimmt“ über ihre Religionsausübung entschieden. Dies beinhalte auch eine „reflektierte Haltung“ über das Tragen eines Kopftuchs.
Tatsächlich ist ein Kopftuchverbot juristisch heikel – auch in Österreich. Die Regierungskoalition in Wien rechnet nach eigenem Bekunden mit einer Klage vor dem Verfassungsgerichtshof wegen einer möglichen Verletzung von Persönlichkeitsrechten.
Die Umsetzung in der Praxis ist ebenfalls unklar. Denn ausgenommen vom Kopftuchverbot sind ausdrücklich „Verbände aus medizinischen Gründen“ oder „Kopfbedeckungen als Schutz vor Regen oder Schnee“. Auch die jüdische Kippa soll erlaubt bleiben, da sich das Verbot auf Kleidungsstücke bezieht, „welche das gesamte Haupthaar oder große Teile dessen verhüllen“, wie es heißt. Wie soll eine Lehrkraft nachhalten, aus welcher Motivation heraus ein Kopftuch getragen wird – und was genau „ein großer Teil des Haupthaares“ ist? Ärger scheint programmiert. News4teachers
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