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Brennpunktschule gewinnt mit besonderem pädagogischen Konzept den Deutschen Schulpreis

HAMM. Deutschlands nominell beste Schule liegt im Ruhrgebiet. In einem Brennpunkt. Not machte die Gebrüder-Grimm-Schule in Hamm erfinderisch. Gelebtes Motto: «Lachend Leistung lieben lernen». Es gibt Lerninseln, Kinderlehrpläne, Epochen und ein Morgentänzchen. Dafür wurde die Grundschule nun mit dem Deutschen Schulpreis ausgezeichnet.

Bei der Preisverleihung in Berlin kam Freude auf. Foto: Robert Bosch Stiftung / Max Lautenschläger

Viele Schulen klagen über schlechte Ausstattung, Enge und über zusätzliche Aufgaben, die Zuwanderung und Inklusion mit sich bringen. Die Gebrüder-Grimm-Schule in einem sozial benachteiligten Stadtteil von Hamm tickt anders. Man sehe es als «großes Glück», eine «arme» Schule zu sein, schreibt das Lehrerteam in der Bewerbung um den deutschen Schulpreis 2019. «Das, was uns bezüglich aller Qualitätsentwicklung vorangebracht hat, waren echte Herausforderungen und Nöte.» Am Mittwoch rückt die Brennpunktschule im Ruhrgebiet als nominell beste Schule Deutschlands ins Rampenlicht.

Was ist das Erfolgsrezept? «Probleme nicht als Probleme, sondern fröhlich als Herausforderung sehen», sagt Schulleiter Frank Wagner im Gespräch zum grundsätzlichen Ansatz. «Lachend Leistung lieben lernen», lautet das Motto. Es gibt acht Klassen mit 225 Kindern – und für sie ein ausgeklügeltes und ungewöhnliches Lernkonzept.

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Mit wenigen Ressourcen und in räumlicher Enge habe die Einrichtung innerhalb von zehn Jahren «eine Umgebung geschaffen, in der Lernen hervorragend gelingt», betont Jury-Sprecher Michael Schratz. Ein «exzellentes Vorbild für innovative Schulentwicklung», befinden die Preisstifter – Robert Bosch Stiftung und Heidehof Stiftung.

Die Offene Ganztagsschule leitet zu Eigenverantwortung an. Die Kinder lernen möglichst selbstbestimmt, aber innerhalb eines klar gesetzten Rahmens, mit festen Ritualen und Arbeitsabläufen. Die rund 30 Lehrer und pädagogischen Mitarbeiter achten auf eine Balance zwischen individuellem und gemeinschaftlichem Lernen.

An der Gebrüder-Grimm-Schule wird – trotz einer nicht gerade luxuriösen Ausstattung – fröhlich gearbeitet. Foto: Robert Bosch Stiftung / Traube 47

Konkret sieht der Alltag so aus: Im Schuljahr wiederholen sich drei je mehrwöchige «Epochen»: In «Projekt-Epochen» arbeiten die Schüler in jahrgangsübergreifenden Projekten stark in Eigenregie. Die Schüler wählen sich selbst Themen und bearbeiten sie eigenständig in der vorgegebenen Zeit. Das diene der Talentförderung, komme auch besonders begabten Schülern entgegen. In «Kurs-Epochen» werden vor allem Basiskompetenzen wie Rechnen, Lesen, Handschrift trainiert. In «Klassen-Epochen» steht das Lernen im Klassenverband im Mittelpunkt.

Über die Lernziele bis zum Ende der vierten Klasse informiert der Kinderlehrplan in kindgerechter Sprache. Im Stundenplan fest verankert ist auch das Lernkaleidoskop. Dabei handelt es sich um eigens hierfür vorbereitete Lernräume, in denen Schülerinnen und Schüler individuell nach eigenem Tempo und Anspruch lernen. Einen besonderen Stellenwert nimmt an der Schule das Loben und Wertschätzen ein. Höhepunkt sind die monatlichen Schulversammlungen, bei denen sogenannte Lobbriefe verlesen werden, die nicht nur Lernleistungen würdigen, sondern auch positive Verhaltensweisen im Alltag.

Der Leistungsstand wird regelmäßig erhoben und mit den Kindern besprochen. Fast die Hälfte der Jungen und Mädchen kommt aus benachteiligten Familien, erhält Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket. Gut 100 Schüler haben nach Angaben der Preisstifter einen Migrationshintergrund, jeder zehnte sonderpädagogischen Förderbedarf. Keine privilegierte Schülerschaft also.

Bei Lernstandserhebungen über dem Durchschnitt

Die Gebrüder-Grimm-Schule weiß, das Leben halte auch für Schüler «immer wieder Zitronen bereit» – und hat dafür noch ein Rezept parat: «Mach’ Limonade draus.» Frei nach der US-amerikanischen Jugendromanautorin Virginia Euwer Wolff. «Man schaut auf das Positive, die Talente», erläutert Schulleiter Wagner. Bei den letzten Lernstanderhebungen hätten die Ergebnisse den Landesdurchschnitt übertroffen.

Es gibt weitere Besonderheiten in der «Märchenschule»: Einen täglichen Morgentanz ab 07.45 Uhr in der Aula. Den Schulhund Merlin. Oder auch einen Nutzgarten mit Obst und Gemüse, eine Grillecke für Feste mit Familien, einen Bereich mit Meerschweinchen, Kaninchen, Hühnern. Jeder Quadratmeter wird multifunktional genutzt.

Wertschätzung und Anerkennung regieren in der Schulgemeinde, sagt Wagner. Lobbriefe werden feierlich verliehen. Es gebe extrem selten Gewalt oder Mobbing, betont die Schule. Eltern können sich zeigen lassen, wie sie Zuhause am besten mit dem Nachwuchs üben. Man habe mit wenig Geld viel erreichen können, meint der Schulleiter. Aber was mit dem Preisgeld von 100.000 Euro angeschafft werden soll, weiß er auch schon: Mikroskope, Kletterwand, mehr Monitore für die Lerninseln – die Wunschliste ist lang. Von Yuriko Wahl-Immel, dpa

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Hintergrund

Die Robert Bosch Stiftung vergibt den Deutschen Schulpreis seit dem Jahr 2006 gemeinsam mit der Heidehof Stiftung. Er ist der bekannteste, anspruchsvollste und höchstdotierte Preis für gute Schulen im Land. Seit dem Start des Programms haben sich rund 2.000 Schulen für den Preis beworben. Bei der Entscheidung über die Preisträger bewertet die Jury sechs Qualitätsbereiche: „Leistung“, „Umgang mit Vielfalt“, „Unterrichtsqualität“, „Verantwortung“, „Schulklima, Schulleben und außerschulische Partner“ und „Schule als lernende Institution“. Diese Merkmale sind inzwischen als Kennzeichen für gute Schulqualität allgemein anerkannt.

Neben der Gebrüder-Grimm-Schule in Hamm (Nordrhein-Westfalen), die den Hauptpreis gewann, wurden fünf weitere Schulen ausgezeichnet und mit je 25.000 Euro dotiert: an die Alemannenschule Wutöschingen (Baden-Württemberg), die GGS Kettelerschule in Bonn (Nordrhein-Westfalen), die Schiller-Schule in Bochum (Nordrhein-Westfalen), die Kurfürst-Moritz-Schule in Moritzburg (Sachsen) und die Deutsche Schule „Mariscal Braun“ in La Paz (Bolivien).

Den Hauptpreis überreichte der Hessische Kultusminister und Präsident der Kultusministerkonferenz Prof. Dr. R. Alexander Lorz heute im ewerk in Berlin und betonte dabei: „Der Deutsche Schulpreis ehrt Schulen, bei denen ein gut durchdachtes Schulkonzept auf hochmotivierte Lehrkräfte trifft. Da ist es kein Wunder, wenn die Begeisterung am Lernen von ganz allein auf unsere Schülerinnen und Schüler überspringt.”

Hier geht es zu einer Broschüre, in der die Preisträger vorgestellt werden.

Sechs Punkte, die eine gute Schule ausmachen – Der Jury-Sprecher des Deutschen Schulpreises im News4teachers-Interview

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