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Im Teufelskreis: Lehrermangel sorgt für höhere Belastung im Schuldienst – und immer mehr Lehrer flüchten in Teilzeit

BERLIN. Während immer weniger freie Lehrerstellen besetzt werden können, nimmt – dies zeigen aktuelle Zahlen aus Berlin – die Zahl der Lehrerinnen und Lehrer zu, die ihren Anspruch auf Teilzeitarbeit wahrnehmen. Dies verschärft wiederum den Lehrermangel. Was führt aus dem Teufelskreis?

Wo, bitteschön, geht’s heraus aus dem Teufelskreis? Foto: Shutterstock

„Trotz Lehrermangels arbeiten immer mehr Pädagogen in Teilzeit und verzichten damit auf einen erheblichen Teil ihres Einkommens“, so schreibt die „Berliner Zeitung“. Trotz Lehrermangels? Oder wegen des Lehrermangels? Tatsächlich gibt es starke Indizien dafür, dass nicht die Lust auf mehr Freizeit immer mehr Lehrer dazu bringt, ihre Arbeitszeit individuell zu verkürzen – sondern das Gefühl schierer Überlastung in der Vollzeit-Stelle.

Dass die Anzahl der Teilzeitarbeiter unter den Lehrkräften in Berlin steigt, offenbart aktuell die Antwort der Bildungsverwaltung auf eine parlamentarische Anfrage der Linken-Abgeordneten Regina Kittler. Danach hat noch im Schuljahr 2014/15 lediglich jede vierte Lehrkraft in der Bundeshauptstadt mit reduziertem Stundenumfang  gearbeitet, nämlich 6.944 von 28.751. Im laufenden Schuljahr arbeitet jetzt schon fast jeder dritte Lehrer in Teilzeit, nämlich 9.492 von 32.312 Lehrern, so heißt es in einer Antwort. Kittler, die laut BZ-Bericht früher selbst als Lehrerin gearbeitet hat, macht unter anderem Arbeitsüberlastung, Stress, Unvereinbarkeit von Familie und Beruf sowie fehlendes Gesundheitsmanagement für die steigende Teilzeit-Quote an Berliner Schulen verantwortlich.

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Tatsächlich steigt die Belastung der einzelnen Lehrkraft schon dadurch, dass immer mehr Stellen im Schuldienst nicht besetzt werden können. Die Personalreserve für Krankheitsfälle, sofern überhaupt vorhanden, schmilzt dahin. „Häufig wird dieser strukturell vorhandene Lehrermangel auf Kosten der Arbeitskraft und der Gesundheit der Lehrkräfte geregelt und es wird Mehrarbeit angeordnet“, so heißt es bei der GEW mit Blick auf Nordrhein-Westfalen. Dort ist die Personalsituation in den Schulen ähnlich prekär wie in Berlin.

Wie aus einer Vorlage des nordrhein-westfälischen Finanzministeriums hervorgeht, gab es in desssen Verantwortungsbereich zum Stichtag 1. April diesen Jahres 1077 offene Stellen im Bereich Schule mehr als zum 1. Januar 2019, als es noch 6354 waren, so berichtet aktuell die „Rheinische Post“. Und der Lehrermangel wächst sich dramatisch aus: In den nächsten zehn Jahren würden in NRW rund 78.000 Stellen neu zu besetzen sein – für 15.000 davon werde es absehbar keine Bewerber geben, heißt es.

So dreht sich der Teufelskreis immer schneller. Je weniger Stellen besetzt werden können, desto größer wird die Belastung der einzelnen Lehrer. Die absehbaren Folgen: Der Krankenstand steigt – und immer mehr flüchten in die Teilzeit. Wodurch wiederum die Belastung für die verbliebenen Vollzeit-Lehrkräfte steigt.

Multiprofessionelle Teams an Schulen

Um die Spirale zu bremsen, wäre eigentlich das Gegenteil notwendig – nämlich die Teilzeit-Lehrkräfte zum Aufstocken ihrer Arbeitszeit zu bewegen. „Würde jede Teilzeitlehrkraft nur zwei Stunden mehr pro Woche erteilen, wäre etwa ein Drittel des Einstellungsbedarfes bereits gedeckt“, so rechnet  Regina Kittler mit Blick auf Berlin vor. Aus ihrer müssten an den Schulen multiprofessionelle Teams geschaffen werden aus Sozialpädagogen, IT- oder Verwaltungskräften, um die Lehrkräfte zu entlasten. „Zum anderen müssten die Arbeitsbedingungen verbessert werden“, fordert Kittler laut BZ. Dazu gehöre es, Lehrerarbeitsplätze vor Ort in den Schulen einzurichten und die Schulen besser technisch auszustatten. Dazu gehöre aber auch eine Reduzierung der Unterrichtsverpflichtung. Die hätte allerdings einen Haken: Müssten alle Lehrer weniger arbeiten, stiege der Lehrermangel schlagartig an. Ein Teufelskreis eben. News4teachers

Anspruch auf familienbedingte Teilzeitbeschäftigung

„Die Möglichkeit der Teilzeitbeschäftigung aus familiären Gründen (§ 92 BBG) ergibt sich aus der Schutzpflicht des Staates für Ehe und Familie und Art. 6 GG. Die Teilzeitbeschäftigung soll Beamtinnen und Beamten ermöglichen, Familie und Berufstätigkeit besser in Übereinstimmung zu bringen“, so heißt es beim Info-Service Öffentlicher Dienst/Beamte.

„Die familienpolitische Teilzeitbeschäftigung kann in Anspruch genommen werden, wenn die Beamtin bzw. der Beamte mindestens ein Kind unter 18 Jahren oder einen pflegebedürftigen sonstigen Angehörigen betreut (§ 92 Abs. 1 BBG). Anders als bei der voraussetzungslosen Antragsteilzeit besteht ein Anspruch auf Bewilligung der Teilzeitbeschäftigung. Der Dienstherr kann bei Vorliegen der Voraussetzungen den Antrag nur ablehnen, wenn zwingende dienstliche Belange entgegenstehen. Damit hat der Gesetzgeber die Hürde für eine Ablehnung sehr hoch gelegt, es dürfte einer Dienstbehörde nur schwer gelingen, zwingende dienstliche Gründe einzuwenden. Die familienpolitische Teilzeitbeschäftigung kann ausgeübt werden, solange die Voraussetzungen dafür vorliegen.“

Quelle: https://www.beamten-informationen.de/teilzeit_im_oeffentlichen_dienst

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