An einer Realschule in Schwaben haben seit Monaten zwei junge Männer als Aushilfslehrer unterrichtet, die nahezu keine pädagogische Ausbildung haben. Dies berichtet die „Süddeutsche Zeitung“. Beide hätten erst kürzlich mit dem Lehramtsstudium begonnen. Der Jüngere sei erst 18 Jahre alt, er habe im vergangenen Jahr Abitur gemacht Nach zwei Wochen Hospitation habe ihm die Schulleitung angeboten, an der Schule zu arbeiten. 16 Stunden pro Woche sei er seitdem beschäftigt. In „notenrelevanten Stunden“ werde er als Zweitkraft neben einem erfahrenen Lehrer eingesetzt. Vertretungsstunden halte er jedoch alleine – auch in den Fächern Deutsch und Englisch. Er studiert aber Lehramt für Wirtschaft und Französisch. Die „Bild“-Zeitung griff den Fall auf und titelte: „Gerade noch machten sie mit ihren Mitschülern Abi – jetzt unterrichten sie selbst!“
“Fachlich gut ausgebildete Lehrer sind unabdingbar”
Dass an einer schwäbischen Realschule zwei Kräfte ohne pädagogische Ausbildung unterrichten, erfüllt den Bayerischen Elternverband mit großer Sorge. „In anderen Bundesländern gehört es schon zum schulischen Alltag, dass Nichtpädagogen an Unterricht erteilen. Für unser Bundesland hat das bayerische Kultusministerium dies stets ausgeschlossen“, erklärt Martin Löwe, Landesvorsitzender des Bayerischen Elternverbands. Bayerns Eltern hätten dies sehr wohl zu schätzen gewusst, denn auch aus ihrer Sicht sei nicht nur fachlich, sondern auch pädagogisch und didaktisch qualifiziertes Personal unabdingbar für guten Unterricht.
Der entsprechende Bericht habe den Bayerischen Elternverband insofern überrascht, als sich der Lehrermangel in Bayern bisher ganz überwiegend an Grund-, Förder- und Mittelschulen manifestiert hatte. Um dem abzuhelfen, wurden und werden beschäftigungslose Realschullehrer für diese Schularten nachqualifiziert. „Anscheinend aber ist nun der Lehrermangel auch an den Realschulen angekommen“, sagt Löwe. Dies verwundere, denn nach den letzten Meldungen soll eine vierstellige Zahl von fertig ausgebildeten Realschullehrern ohne Stelle sein.
Wie die „Schwäbische“ berichtet, hat das Kultusministerium auch umgehend reagiert – und den beiden Junglehrern Unterrichtsverbot erteilt. Es sei den Studenten lediglich erlaubt, die Lehrer bis zum Schuljahresende bei organisatorischen Dingen zu unterstützen, hieß es. Die Rede ist von einem „Einzelfall“. Die Schule habe aufgrund von Krankheitsfällen und Schwangerschaften Aushilfen benötigt.
Lehrer-Kollegium dauerhaft von hohem Krankenstand betroffen
Doch auch im Norden Deutschlands hat der Lehrermangel längst auch die weiterführenden Schulen erreicht. Beispiel Wismar: Dort haben die Lehrer einer Gesamtschule laut „Ostsee-Zeitung“ einen Brandbrief an den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern geschickt, weil die Überlastung aufgrund von Personalmangel neue Dimensionen erreicht habe. Ihre Aufgabe, Schüler möglichst gut zu unterrichten und dabei mit Eltern zusammenzuarbeiten, könnten sie unter den aktuellen Bedingungen nicht erfüllen
Das eigentlich 40-köpfige Kollegium ist laut Bericht ununterbrochen von einem Krankenstand von mindestens 25 Prozent betroffen. Ein Teufelskreis: Durch den Ausfall fehle es an ohnehin knapp bemessener Zeit für einzelne Schüler. Förderstunden müssten zweckentfremdet werden. Von den rund 500 Schülerinnen und Schülern hätten aber 115 festgestellten Förderbedarf, Verhaltensauffälligkeiten nähmen zu – wodurch wiederum die psychische Überlastung der Lehrer und damit der Krankenstand steige. Eine Sieben-Tage-Woche sei für die meisten Mitglieder des Kollegiums „der Regelfall“. Die Vor- und Nachbereitung des Unterrichts müsse in den Abendstunden und am Wochenende erfolgen – von Weiterbildung gar nicht zu Reden.
Dazu komme die miserable Ausstattung der Schule: Zum Schreiben der Zeugnisse gebe es gerade mal drei Computer und einen Kopierer, der nur schwarzweiß drucke, für 22 Klassen. Unter diesen Umständen würden viele Lehrer vorzeitig in den Ruhestand gehen. Die Folge: weiter steigender Lehrermangel. Agentur für Bildungsjournalismus
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