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Bessere Sprachförderung? Ja, bitte – stattet endlich die Grundschulen dafür aus!

BERLIN. Wie können Kinder ohne ausreichende Deutschkenntnisse besser gefördert werden? Der Vorschlag von Unionsfraktionsvize Carsten Linnemann, Kinder, die kein Deutsch sprechen, erst einmal nicht zur Grundschule zuzulassen, hat Kritik, teilweise Empörung ausgelöst (News4teachers berichtete). Abseits der lautstarken politischen Debatte steht allerdings die – leisere – pädagogische. Der Grundschulverband beschreibt in einer Stellungnahme durchaus eine große Herausforderung für die Grundschulen, den Bedürfnissen von Flüchtlings- und Migrantenkindern gerecht zu werden. Linnemanns Ansatz sei trotzdem falsch.

Deutschlands Grundschullehrerinnen und -lehrer leisten unbestritten eine wichtige Integrationsarbeit in Deutschland – aber werden sie dabei auch genügend unterstützt? Foto: Shutterstock

Linnemann habe in einem Punkt schon Recht: „Die schulische Förderung der Kinder mit und ohne Migrationshintergrund wird umso schwieriger, je höher der Anteil von Kindern mit geringer Kompetenz in der deutschen Sprache ist.“ Seine Schlussfolgerung, dass Kinder ohne hinreichende Deutschkenntnisse „auf einer Grundschule noch nichts zu suchen“ hätten und von der Einschulung zurückgestellt werden sollten, sei jedoch falsch. „Der Grundschulverband teilt die Auffassung, dass die Situation an zahlreichen Schulen im Hinblick auf die fehlenden Sprachkenntnisse vieler Kinder – übrigens auch solcher deutscher Muttersprache! – schwierig ist und besondere Maßnahmen rechtfertigt.  Allerdings sind die Vorschläge von Herrn Linnemann nicht zielführend:  Ausgrenzung verzichtet auf sprachbezogene und soziale Lernchancen und ist auch gesellschaftspolitisch falsch.“

“Versuche mit Sonderklassen in den Grundschulen sind gescheitert”

Die Versuche, einer besseren Förderung der Kinder nichtdeutscher Herkunftssprache in so genannten „Vorbereitungsklassen“, die es bereits in den 1980-er und 1990-er Jahren für die so genannten „Gastarbeiterkinder“ gab, seien von fast allen Bundesländern wieder aufgegeben und durch die „flexible Schuleingangsphase“ ersetzt worden, weil diese Sonderklassen nicht die gewünschten Effekte hatten, so heißt es beim Grundschulverband. „Integration wird nicht durch Separation, sondern nur durch integrierende Maßnahmen gefördert. Die Absonderung von Kindern mit Migrationshintergrund von der allgemeinen Grundschule würde jene Parallelgesellschaften geradezu schaffen, denen der Abgeordnete Dr. Linnemann eigentlich entgegenwirken will.“

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Der Vorschlag von Linnemann sei nicht nur pädagogisch, sondern auch gesellschaftspolitisch falsch: „Die Grundschule ist die einzige staatliche Institution, die unterschiedlichste Menschen unbeschadet ihrer Herkunft obligatorisch unter einer gemeinsamen Aufgabe zusammenführt: der gemeinsamen Bildung und Erziehung aller Kinder.“

Es seien Deutschlands Grundschullehrerinnen und -lehrer, die neben den Kitaerzieherinnen und den Ausbildern in der beruflichen Bildung die eigentliche Integrationsarbeit in diesem Land leisteten. „Sie tun es mit hohem Engagement und durchaus beachtlichem Erfolg, wenngleich sie in der kurzen Zeit, die ihnen zur Verfügung steht, weder traumatische Lebenserfahrungen noch Sozialisationsdefizite aus der frühen Kindheit der kleinen Menschen vollständig kompensieren können. Wenn die Gesellschaft diese Integrationsfunktion der öffentlichen Schule durch Aussonderung einzelner Gruppen zerstört, wird sie eher den gesellschaftlichen Zerfall als das friedliche Miteinander der Menschen unterschiedlichster Herkunft in unserem Land befördern.“

Sieben Forderungen für eine notwendige Ausstattung der Grundschulen

Wer die Integrationskraft der öffentlichen Schule stärken und den Bildungserfolg aller Kinder befördern wolle, sollte sich daher für eine optimale Ausstattung der Grundschulen einsetzen – denn daran hapere es. Konkret stellt der Grundschulverband sieben Forderungen:

  1. “In die Grundschule gehören die kleinsten Klassen, die am besten ausgebildeten und am besten bezahlten Pädagoginnen und Pädagogen.
  2. Unter keinen Umständen sollten Quereinsteiger in der ersten und zweiten Grundschulklasse eingesetzt werden, weil sie für die besonderen Prozesse des Schrift-spracherwerbs nicht ausgebildet sind.
  3. Zuwandererfamilien ohne hinreichende Deutschkenntnisse sollten nach Möglichkeit in Ballungszentren nicht konzentriert, sondern in ökonomisch bevorzugten Stadtteilen untergebracht werden, wo sie zahlenmäßig eine Minderheit bleiben, so dass ihre Kinder unter ihren Mitschülern viele gute deutsche Sprachvorbilder haben.
  4. Kitas und Schulen brauchen sprachsensible Pädagoginnen und Pädagogen, die Sprachstände und Sprachentwicklungen feststellen können und zu entwickeln wissen. Die Ganztagsschule kann hier eine wichtige Hilfe sein.
  5. Mit dem Beginn der Schulpflicht sollten alle Schulanfänger – gleich welcher Herkunft – in die wohnortnahe Grundschule eingeschult werden und eine individualisierende Sprachförderung erhalten. Die Programme dafür sind vorhanden – es mangelt eher am Willen, sie zu ermöglichen und die erforderlichen Ressourcen bereitzustellen.
  6. Zuwandererkinder, die ohne deutsche Sprachkenntnisse und womöglich ohne jede Alphabetisierung ins dritte oder vierte Schuljahr eingeschult werden, können nach dem Hamburger Vorbild zunächst für maximal ein Jahr in sogenannte „Alpha-Klassen“ an der zuständigen Grundschule aufgenommen werden. Das sind internationale Kleinklassen, in denen die Kinder basale Deutschkenntnisse erhalten und die Alphabetisierung nachgeholt wird. Wichtig ist, dass die Kinder von  Anfang an möglichst vielen schulischen Veranstaltungen mit ihren deutschsprachigen Mitschülern teilhaben.
  7. Auf dem Land, wo Kleinklassen für Flüchtlingskinder ohne Deutschkenntnisse nicht zustande kommen, muss der Staat eine individuelle Förderung der Kinder an der Regelgrundschule durch zusätzliche Stundenzuweisungen sicherstellen. News4teachers

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