SCHWERIN. Angehende Landschullehrer und künftige Spitzenforscher in einem Studienkurs? Offenbar schrecken viele vor den hohen Studienanforderungen zurück oder Lehramtsstudenten werfen im Studium entnervt das Handtuch – mit dramatischen Folgen für Schlüsselfächer wie Mathematik und Physik. Muss das Niveau gesenkt werden, um endlich genügend Lehrernachwuchs vor allem für den MINT-Bereich zu bekommen?
Der Lehrermangel insbesondere an den Grundschulen sorgt bundesweit – mit unterschiedlicher Ausprägung in den einzelnen Bundesländern – für Probleme. Die Debatte darum, wie sich wieder mehr Bewerber für den Schuldienst in der Primarstufe rekrutieren lassen (News4teachers berichtete), hat einen mittlerweile schon Jahrzehnte alten Mangel an Fachlehrern aus dem Fokus der öffentlichen Debatte gerückt. Beispiel Mathematik: Das Studium gilt als besonders schwer. Wer die Herausforderung bewältigt, hat dann allerdings eine große Auswahl an Jobmöglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt. Mathematiker werden von Banken, Versicherungen, aber auch in der Gesundheitsbranche händeringend gesucht – und entsprechend bezahlt. Da kann der öffentliche Dienst oft nicht mithalten.
Lehramtsstudenten machen einen großen Bogen um die Mangelfächer
Die Linke in Mecklenburg-Vorpommern setzt das Problem wieder auf die Agenda. Ein Mangel an Lehramtsstudenten droht nach Ansicht der dortigen Opposionspartei den schon bestehenden Lehrermangel in Schlüsselfächern wie Informatik, Mathematik und Physik noch zu verschärfen. Weiterhin machten Studenten für das Lehramt an Regionalen Schulen einen großen Bogen um Fächer wie Geografie, Chemie, Informatik, Mathematik, Physik oder auch Sport und Französisch, konstatierte die Chefin der Linksfraktion im Schweriner Landtag, Simone Oldenburg.
So seien im Fach Informatik zuletzt nur 17 von 50 Studienplätzen im Land besetzt gewesen, für Physik 9 von 35 und für Chemie 18 von 35, sagte Oldenburg unter Berufung auf die Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage ihrer Fraktion. Demnach gab es in den Studiengängen für Gymnasiallehrer aber kaum Lücken, teilweise Überhänge.
Die Oppositionspolitikerin beklagte, dass sich in der Lehrerausbildung keine erkennbare Besserung abzeichne, obwohl eine vor einem Jahr vorgelegte Studie maßgebliche Defizite im Studium und Gründe für die vielfach hohen Abbrecherquoten bei den Studenten benannt habe. «Vor allem in den ersten Studienjahren werfen die meisten von ihnen das Handtuch. Die Tendenz der Lehramtsabsolventen in den Mangelfächern geht weiter gegen Null», beklagte Oldenburg.
“Ein Lehrer muss Lehrer werden können”
Vor allem die hohen fachlichen Anforderungen in gemeinsamen Studiengängen mit künftigen Physikern oder Mathematikern trieben manch angehenden Lehrer in die Flucht. «Wir fordern deshalb sofort einen eigenen Studiengang für Lehramt, ohne die Vermengung der Ausbildung mit den Fachwissenschaftlern. Ein Lehrer muss Lehrer werden können. Und von ihnen brauchen wir mehr», betonte Oldenburg. Denn Seiteneinsteiger, Fachleute ohne pädagogische Ausbildung, seien auf Dauer keine Lösung. «Niemand kommt auf die Idee, einen Altenpfleger am offenen Herzen operieren zu lassen», nannte Oldenburg als Vergleich.
Nach Angaben des Bildungsministeriums von Mecklenburg-Vorpommern sind gut 200 der zum neuen Schuljahr 2019/20 bislang neu eingestellten mehr als 600 Lehrer Seiten- und Quereinsteiger, also ein Drittel (zum Vergleich: In Berlin sind es aktuell bereits zwei Drittel, News4teachers berichtete). Etwa 100 hätten in den Sommerferien einen mehrwöchigen Pädagogik-Grundkurs absolviert. Am Dienstag will Bildungsministerin Bettina Martin (SPD) in Schwerin detailliert über die Personalsituation an den Schulen zum Start des neuen Schuljahres informieren. Auch sie hatte bereits Reformbedarf in der Lehrerausbildung an den Universitäten in Rostock und Greifswald angemeldet. Dort studieren derzeit etwa 4000 junge Leute auf Lehramt, die Hälfte will nach dem Studium Gymnasiasten unterrichten. News4teachers / mit Material der dpa
“Zahlen, Kurven und Datasets – MINT-Lehrkräfte sind gefragt wie nie. Wir suchen Rechenkünstler, Naturforscher, Chemiecracks und IT-vernarrte Lehrkräfte mit einer Leidenschaft zum Unterrichten”, so heißt es auch auf beim NRW-Schulministerium. Das hat die Perspektiven für die einzelnen Fächer in einer Übersicht zusammengestellt – hier abrufbar.
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