BERLIN. In Deutschland sind die von Neuntklässlern erreichten Kompetenzen sowohl im Fach Mathematik als auch in den naturwissenschaftlichen Fächern stabil geblieben. Dies ist das Ergebnis des IQB-Bildungstrends, der Schülerleistungen im Bundesländervergleich erfasst. Dass es angesichts der zunehmenden Heterogenität in den Klassen aufgrund der Steigerung des Migrationsanteils sowie des Anteils der inklusiv beschulten Kinder und Jugendlichen kein Absacken der Leistungen in der Breite gegeben hat, „kann als Erfolg bewertet werden“, so heißt es bei der Kultusministerkonferenz. Einige Bundesländer – und eine Schulform – müssen sich trotzdem Sorgen machen.
Im Vergleich der Ergebnisse von 2012 und 2018 sind in einigen Ländern „ungünstige Entwicklungen“ zu verzeichnen, wie es bei der KMK heißt. Im Fach Mathematik betrifft das fünf Bundesländer – insbesondere Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern sowie in geringerem Maße Rheinland-Pfalz, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein. Signifikant positive Veränderungen sind im Fach Mathematik für kein Land zu verzeichnen.
„Für die naturwissenschaftlichen Fächer zeigen die Ergebnisse, dass sich die Anteile der Neuntklässlerinnen und Neuntklässler, die mindestens den Regelstandard erreichen bzw. den Mindeststandard verfehlen, in Deutschland insgesamt ebenfalls nicht signifikant verändert haben“, so heißt es im IQB-Bericht. „Innerhalb der Länder sind jedoch auch hier teilweise deutlich ungünstige Veränderungen zu verzeichnen. In Brandenburg und Sachsen-Anhalt erreicht im Jahr 2018 in nahezu allen naturwissenschaftlichen Fächern und Kompetenzbereichen ein signifikant geringerer Anteil der Schülerinnen und Schüler die Regelstandards und verfehlt ein signifikant höherer Anteil die Mindeststandards. Für das Erreichen der Regelstandards ist ein ähnliches Muster auch in Thüringen zu beobachten. In einigen anderen Ländern sind ebenfalls vereinzelt ungünstige Entwicklungen in den naturwissenschaftlichen Fächern festzustellen.“
Schwächere Leistungen vor allem an den Gymnasien
Insbesondere an den Gymnasien zeigen sich dem Bericht zufolge in nahezu allen betrachteten Kompetenzbereichen schwächere Leistungen. Auffällig sei darüber hinaus die divergierende Leistungs- und Motivationsentwicklung der Jungen und Mädchen, die eines der zentralen Ergebnisse des Bildungstrends ist und daher einer besonderen Aufmerksamkeit bedarf. Insbesondere im Fach Mathematik, aber auch in nahezu allen untersuchten naturwissenschaftlichen Fächern und Kompetenzbereichen sind dabei für Jungen häufiger signifikant ungünstige Entwicklungen zu verzeichnen als für Mädchen. Obwohl Jungen lediglich im Fach Mathematik bessere Leistungen als Mädchen vorweisen, schätzen sie ihr eigenes Können und ihr Interesse in den Fächern Mathematik, Chemie und Physik höher ein.
KMK: “Die Heterogenität der Schülerschaft bleibt eine Herausforderung”
„Den Schulen in Deutschland ist es gelungen, mit den großen Herausforderungen der vergangenen Jahre gut umzugehen“, betont der Präsident der Kultusministerkonferenz und hessische Kultusminister Alexander Lorz (CDU). „Auch dank dieses Einsatzes konnte das Leistungsniveau der Neuntklässlerinnen und Neuntklässler in Mathematik und den Naturwissenschaften gehalten werden. Wir dürfen uns aber keineswegs zurücklehnen, sondern müssen uns ganz genau ansehen, wo weitere Anstrengungen erforderlich sind, damit wir in Zukunft besser werden. Der IQB-Bildungstrend 2018 liefert hierfür wertvolle und differenzierte Erkenntnisse für jedes einzelne Land. Sehr erfreulich ist die erneute Bestätigung, dass sich Schülerinnen und Schüler mit und ohne Zuwanderungshintergrund in ihren Schulen gut integriert fühlen.“
Die KMK zieht folgende Schlussfolgerungen aus der Studie:
- “Die Studie ist abermals ein Beleg dafür, dass eine regelmäßige Überprüfung der Kompetenzentwicklung im Rahmen der Qualitätssicherung und Qualitätsentwicklung erforderlich ist, um länderspezifische Handlungsbedarfe zu identifizieren und geeignete Maßnahmen ergreifen zu können.”
- “Die unterschiedlichen Ergebnismuster in den einzelnen Ländern erfordern deshalb eine sorgfältige und differenzierte Analyse der Befunde vor dem Hintergrund der landesspezifischen Rahmenbedingungen.”
- “Die Heterogenität der Schülerschaft bildet eine große Herausforderung im Schulalltag. Die Länder werden die Lehrkräfte verstärkt dabei unterstützen, mit dieser Heterogenität konstruktiv und professionell umzugehen.”
- “Die vorliegende Studie verweist erneut auf die besondere Bedeutung von Sprachförderung für den schulischen Erfolg auch in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern. Hierfür wird auch die Transferphase der gemeinsamen Initiative „Bildung durch Sprache und Schrift“ (BiSS-Transfer) wichtige Unterstützung liefern. Die Bildungssprache Deutsch zu stärken, wird weiter im Fokus der gemeinsamen Arbeit der Länder im Rahmen der Kultusministerkonferenz stehen.”
- “Die Entwicklung der Unterrichtsqualität muss nach wie vor ein zentrales Ziel bleiben.”
Im IQB-Bildungstrend 2018 untersucht das Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) im Auftrag der Kultusministerkonferenz zum zweiten Mal, inwieweit Neuntklässlerinnen und Neuntklässler die länderübergreifend geltenden Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz in den Fächern Mathematik, Biologie, Chemie und Physik in der Sekundarstufe I erreichen.
Durch einen Vergleich mit den Ergebnissen des IQB-Ländervergleichs 2012 ist es möglich zu prüfen, inwieweit sich das Kompetenzniveau der Schülerinnen und Schüler der 9. Jahrgangsstufe in den einzelnen Ländern in einem Zeitraum von sechs Jahren verändert hat. Der IQB-Bildungstrend hatte 2012 den PISA-Bundesländervergleich abgelöst.
Zentrale Ergebnisse der Studie
Die wichtigsten Ergebnisse im Fach Mathematik
- Rund 45 Prozent aller Schülerinnen und Schüler erreichen bereits in der 9. Jahrgangsstufe mindestens die Regelstandards für den Mittleren Schulabschluss im Fach Mathematik.
- Knapp ein Viertel der Neuntklässlerinnen und Neuntklässler erreicht zu diesem Zeitpunkt noch nicht die Mindeststandards für den Mittleren Schulabschluss.
- Diese Ergebnisse sind gegenüber dem Vergleichsjahr 2012 insgesamt stabil geblieben.
- Dagegen haben sich an Gymnasien die mittleren Kompetenzwerte gegenüber 2012 ungünstig entwickelt.
Die wichtigsten Ergebnisse für die naturwissenschaftlichen Fächer
- Im Fach Biologie erreichen oder übertreffen fast 71 Prozent (Fachwissen) bzw. 60 Prozent (Erkenntnisgewinnung) der Schülerinnen und Schüler, die den Mittleren Schulabschluss anstreben, die Regelstandards. Im Fach Chemie erreichen etwa 56 Prozent (Fachwissen) bzw. 64 Prozent (Erkenntnisgewinnung) mindestens die Regelstandards. Im Fach Physik sind es gut 69 Prozent (Fachwissen) und knapp 77 Prozent (Erkenntnisgewinnung).
- Den Mindeststandard verfehlen in den beiden Kompetenzbereichen im Fach Biologie gut 5 bzw. knapp 8 Prozent, im Fach Chemie fast 17 Prozent bzw. knapp 11 Prozent sowie im Fach Physik fast 9 bzw. fast 6 Prozent der Schülerinnen und Schüler.
- Für die mittleren Leistungen in den Gymnasien ist in allen naturwissenschaftlichen Fächern außer im Kompetenzbereich Erkenntnisgewinnung im Fach Biologie ein ungünstiger Trend zu verzeichnen.
Leistungsunterschiede nach sozialer Herkunft und Zuwanderungshintergrund
- Die Kopplung von sozialem Hintergrund und erreichten Kompetenzen hat sich nicht verstärkt.
- Die Nachteile für Jugendliche aus zugewanderten Familien sind in den naturwissenschaftlichen Fächern stärker ausgeprägt als im Fach Mathematik.
- Für Jugendliche der zweiten Zuwanderergeneration zeigen sich in den Naturwissenschaften einige positive Entwicklungen, sodass sich die Leistungsunterschiede für diese Gruppe teilweise verringert haben.
- Die zuwanderungsbezogenen Disparitäten lassen sich zu großen Teilen auf Merkmale der sozialen Herkunft zurückführen.
