In einer Welt, in der technologische Veränderungen rasant vonstattengehen und die Kürzel KI und AI täglich in den Medien auftauchen, macht es durchaus Sinn, sich darauf zu besinnen, was uns als Menschen einzigartig macht. Nun ging in Katar der World Innovation Summit for Education, kurz WISE, zu Ende und stellte unter anderem genau diese Frage. Unter dem Motto „Learn and unlearn – What it means to be Human” tauschten mehr als 2000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus über 100 Ländern Ideen und Erfahrungen rund um Themen wie Lebenslanges Lernen und Ganzheitliche Bildung aus. Ein Kernelement: Wie können wir das Potenzial neuer Technologien sinnvoll für Unterricht und Lehre nutzen?
Bereits im zehnten Jahr fand vom 19.-21. November 2019 der Bildungsgipfel in Katars Hauptstadt Doha statt. Seit 2014 gibt der Veranstalter, die Qatar Foundation unter dem Vorsitz von Sheikha Moza bint Nasser, auch jungen innovativen EdTech-Projekten eine besondere Plattform und die Möglichkeit, sich weltweit zu vernetzen. Der sogenannte „WISE Accelerator“ soll quasi als „Beschleuniger“ für vielversprechende Initiativen fungieren, die Technologie und Bildung zusammenbringen. Die Gründer sollen Zugang zur globalen Bildungs-Community bekommen, die WISE im Laufe der Jahre aufgebaut hat. Mentoren und Trainer sollen dabei helfen, Wachstum und Wirkung der Projekte zu optimieren. Und es geht auch darum, Unterstützer, Spender oder Investoren zu finden. Die Voraussetzung ist allerdings, ganz im Sinne der globalen Bildungsgemeinschaft, dass die Geschäftsmodelle skalierbar und anpassungsfähig sind. Soll heißen: Sie müssen international verwendbar und erweiterbar sein.
Dieses Jahr hat eine Jury acht Projekte aus Argentinien, Äthiopien, Großbritannien, Frankreich, den USA und dem Libanon für unterschiedliche Bildungsbereiche – von der Kita bis zur Berufsbildung – ausgewählt. Wir können gespannt sein, ob sich einige davon oder ähnliche Modelle auch in Deutschland durchsetzen werden.
“Alexa, ask my class to calm down!”
Zum Beispiel „AskMyClass“: Die sprach-basierte Plattform soll es Lehrkräften im Grundschulbereich erleichtern, emotionales und soziales Lernen in den Unterricht zu integrieren. Co-Gründerin Aparna Ramanathan arbeitete elf Jahre als Ärztin in Australien mit dem Schwerpunkt mentale Gesundheit, bevor sie in den USA die AskMyClass-App entwickelte. Keine Bildschirme, freie Hände, kostengünstig und sofort zugänglich, beschreibt Ramanathan die Vorteile von Voice-Technologie auf ihrer Website. Hunderte einsatzbereiter Spiele und Übungen – von Entspannungs- und Hörübungen bis hin zum Einsatz von Musik zum Aufräumen – können über die Sprachassistentin Alexa abgerufen werden. Ganz gleich wo sich der Lehrer oder die Lehrerin im Raum befindet. Das heißt, eine Lehrkraft kann der Klasse zum Beispiel eine Aufgabe mithilfe der digitalen Assistentin geben und sich zeitgleich einem Schüler zuwenden, der persönliche Hilfestellung benötigt. Darüber hinaus können Lehrkräfte auch eigene Inhalte produzieren und jederzeit auf Sprachbefehl einsetzen. Der digitale Begleiter scheint übrigens eine gewisse Autorität auf Kinder auszuüben. So zitiert das Online-Magazin International Studies News zum Beispiel eine Grundschullehrerin mit den Worten: „Was wirklich komisch ist: Sie hören Alexa viel fröhlicher zu als sie uns zuhören.“ Ob ein solches Tool auch für unsere Klassenzimmer geeignet wäre, ist momentan aus Datenschutzgründen allerdings mehr als fraglich, auch wenn die App mit Alternativen zu Alexa funktioniert. Amazons Dienst war in den Fokus öffentlicher Debatte gerückt, als bekannt wurde, dass das Unternehmen teilweise Gespräche aufnimmt und zur Verbesserung des Produkts auswertet.
EdTech für kollegiale Kooperation
Mit über 2.000 teilnehmenden Schulen und über 70.000 registrierten Lehrern besteht das 2014 gegründete Start-Up Teacherly bereits erfolgreich am EdTech-Markt. Teacherly ist eine Plattform, die Lehrkräften Zeit und Arbeit ersparen möchte, indem sie Synergien schafft. Gründer Atif Mahmood war selbst Lehrer in Großbritannien und beobachtete, dass viele Kollegen den Beruf wechselten: Zu viele Arbeitsstunden gingen für das Vorbereiten von Unterrichtsstunden verloren, Arbeitsteilung funktionierte nur schleppend via E-Mail. Seine EdTech-Lösung setzt daher auf die Zusammenarbeit und kollegiale Beratung, insbesondere wenn es um den Einsatz neuer Technologien im Unterricht geht. Lehrkräfte, die beispielsweise das gleiche Fach unterrichten, werden so ortsunabhängig zu Teams, teilen Material, Wissen und Best Practices. Mahmoods Ziel: Eine globale Gemeinschaft von Lehrern und Lehrerinnen, die sich gegenseitig entlasten. Allein im Vereinten Königreich würden vier von zehn jungen Lehrern den Beruf aufgeben, erklärte der Gründer gegenüber dem Online-Magazin Business Cloud. Durch Roboter und Künstliche Intelligenz seien diese Lehrer nicht zu ersetzen.
Wiloki und Wumbox: Adaptiv in Echtzeit
Zwei weitere vorgestellte und von WISE unterstützte EdTech-Innovationen sind „Wiloki“ aus Frankreich und die argentinische „Wumbox“. Bei Wiloki geht es um adaptives Lernen. Die Online-Lernplattform unterstützt individuelles Lernen für Schüler und Schülerinnen aller Altersstufen außerhalb der Schule und will teure Nachhilfe ersetzen. Über 300.000 Nutzer können die Gründer und Geschwister Manon, Hugo und Thibaut Oskian bereits verzeichnen. Tausende Videos, Kurse, Übungen und Tests stehen Lernern und Eltern größtenteils kostenlos zur Verfügung. Künstliche Intelligenz sorgt dafür, dass das Materialangebot passgenau auf das Lernniveau des Schülers oder der Schülerin zugeschnitten ist. Darüber hinaus setzt Wiloki auf Gamification als Schlüssel zu motiviertem, individuellem Lernen. Ähnlich funktioniert auch die Lernplattform Wumbox des argentinischen Start-Ups OX. Allerdings ist sie für den Einsatz in der Schule bestimmt. Sie soll Lehrkräfte dabei unterstützen, Kindern im Altern von vier bis etwa zwölf Jahren individuelle Lernangebote zur Verfügung zu stellen. In Echtzeit misst die Plattform die Interaktion der jungen Nutzer und passt die Lerninhalte entsprechend an.
Viele weitere EdTech Projekte des diesjährigen oder der vergangenen WISE Accelerator Programms finden Sie unter https://www.wise-qatar.org/wise-works/wise-accelerator/
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