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Ist Bayern in der Bildungspolitik ein Vorbild? Meidinger: Der Freistaat „macht einiges mehr richtig als andere Länder“

MÜNCHEN. Muss Bayern in der Bildungspolitik als Vorbild für die anderen Bundesländer gelten? Ja – meint jedenfalls die Arbeitsgemeinschaft Bayerischer Lehrerverbände (abl), in der vor allem konservative Lehrerverbände zusammengeschlossen sind. Das nach wie vor dreigliedrige Schulwesen sei Garant für die Qualität des Bildungssystems im Freistaat. „Jedes Kind hat alle Chancen, leistungsgerecht und begabungsgerecht gefördert zu werden und alle Übergänge zu schaffen“, betont abl-Präsident Jürgen Böhm. Der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, sieht vor allem in der Kontinuität, mit der in Bayern Bildungspolitik betrieben werde, einen Erfolgsfaktor.

Ist in Bayern die Welt noch in Ordnung? Foto: Shutterstock

Die abl beruft sich in seiner Beurteilung der bayerischen Bildungspolitik auf den „Bildungstrend“, ein Ranking von Schülerleistungen im Bundesländervergleich, das vom Institut für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB) 2013 und vor kurzem vorgelegt wurde (News4teachers berichtete). Tatsächlich war Bayern bei beiden Studien in allen Kategorien in der Spitzengruppe vertreten. „Das differenzierte Schulwesen sorgt für den Bildungserfolg in Bayern. Unsere Schulen in Bayern mit ihren unterschiedlichen Bildungsgängen, getragen von hervorragend ausgebildeten Lehrkräften an der jeweiligen Schulart, sind qualitativ hochwertig und eröffnen jungen Menschen ideale Arbeits- und Lebensperspektiven“, meint abl-Präsident Böhm, der auch Bundesvorsitzender des Verbands Deutscher Realschullehrer (VDR) ist.

Anlass für die Eloge: das 40-jährige Bestehen der Arbeitsgemeinschaft. „Als Verfechterin eines differenzierten Schulsystems hat sich die abl in den vergangenen 40 Jahren intensiv dafür eingesetzt, Kinder begabungsgerecht zu fördern und fordern, Bildungsqualität zu erhalten und sogenannten Bildungsreformen, die oft ideologisch und populistisch motiviert waren, entgegenzutreten. Die verschiedenen, anerkannten Schularten eröffnen den jungen Leuten vielfältige Chancen. Jegliche Vereinheitlichungstendenzen und Gleichmacherei sind nachweislich in einigen Bundesländern gescheitert und stellen einen bildungspolitischen Irrweg dar, der den Kindern in Bayern nicht zugemutet werden darf“, erklärt Böhm.

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Und er unterstreicht: „Die differenzierten Schularten Bayerns bieten Schülern neben der persönlichen Entwicklung verschiedene Optionen, gut in der Arbeitswelt Fuß zu fassen. Dafür verantwortlich sind unter anderem die unterschiedlichen Schulabschlüsse und die Durchlässigkeit der einzelnen Schularten.“

Bayern hat schnelle Bildungsreformen vermieden – bis auf G8

Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes (DL), befindet: Der Freistaat „macht einiges mehr richtig als andere Länder“. Abgesehen vom „Sündenfall des achtjährigen Gymnasiums“ habe Bayern anders als andere Bundesländer schnelle Reformen vermieden. Meidinger, der ein bayerisches Gymnasium leitet, unterstreicht außerdem, dass Schüler im Freistaat mehr Unterricht bekommen als ihre Altersgenossen in anderen Bundesländern. Das betreffe alle Schularten. Im neuen neunjährigen Gymnasium zum Beispiel würden 285 Jahreswochenstunden unterrichtet, in den meisten anderen Bundesländern seien es nur 265 Jahreswochenstunden.

Eine gute Basis legen nach Ansicht von Walburga Krefting, Landesvorsitzende der Katholischen Erziehergemeinschaft in Bayern (KEG), die Grundschulen im Freistaat. Dort würden Kinder „von fachlich und pädagogisch hochqualifizierten Lehrkräften in einem umfassenden pädagogischen Konzept gefördert und gefordert und können sich individuell auf begabungs- und leistungsgerechten Wegen durch die Schuljahre navigieren“. In einem Punkt schimmert leichte Kritik durch: In allen Übertrittphasen benötigten die Familien intensive Beratung. Hierfür erfordere es nach Ansicht der KEG eine noch engere Zusammenarbeit zwischen Kita, Eltern, Grund- und weiterführenden Schulen.

Für die Hauptschule, die auch ein Bayern einen zunehmend schweren Stand hat und deshalb bereits in „Mittelschule“ umgetauft wurde, sieht Krefting im Freistaat eine Zukunft: „Unsere Mittelschulen sind starke Schulen mit Berufs- und Praxisorientierung. Das Stiefkinddasein in der öffentlichen Wahrnehmung muss ein Ende haben. Akzeptiert die Gesellschaft diese Bildungschance, wird auch der Leistungsdruck in der Grundschule reduziert. Eine ehrliche, leistungs- und kindgerechte Förderung in der passenden Schulart hat sicherlich eine positive Wirkung auf die psychische Stabilität unserer Schüler.“

Differenzierung gibt es innerhalb des Gymnasiums – sagen die Philologen

Jürgen Böhm, der auch Vorsitzender des Bayerischen Realschullehrerverbandes (brlv) ist, lobt die Realschule im Freistaat: „Die Verbindung von Theorie und Praxis ist das Wesensmerkmal der bayerischen Realschule. Die ausgeprägten Kompetenzen in den naturwissenschaftlichen Fächern, IT und Digitalisierung sind zukunftsorientiert und machen die Absolventen der hoch anerkannten Realschule zu begehrten Fachkräften für heimische Unternehmen.“ Mit dem Qualitätssiegel Realschulabschluss könnten Schüler vielfältige Wege entweder in die berufliche oder die akademische Ausbildung einschlagen und erfolgreich meistern.

Die Differenzierung im bayerischen Schulwesen höre aber nicht bei den einzelnen Schularten auf, erläutert Michael Schwägerl, Vorsitzender des Bayerischen Philologenverbandes (bpv). Auch innerhalb jeder Schulart würden individuelle Wege angeboten, etwa durch die unterschiedlichen Ausbildungsrichtungen am Gymnasium. „Ein Mehr an Profilierung wird es zudem zukünftig in der Oberstufe im neuen G9 geben, zum Beispiel über das angestrebte Leistungsfach und auch durch die Möglichkeit, in den Grundlagenfächern Mathematik und Deutsch zusätzlich differenziert zu fördern“, sagt Schwägerl.

Für die berufsbildenden Schulen setzt sich Pankraz Männlein ein: „Die berufliche Bildung fördert die Bildungsgerechtigkeit dadurch, dass sie einerseits gerade Jugendlichen aus weniger bildungsnahen Elternhäusern Chancen für einen schulischen und damit auch beruflichen Aufstieg durch ein Lernen im Medium des Berufs bietet und andererseits z. B. an FOS und BOS höhere Bildungswege eröffnet“, erläutert der Vorsitzende des Verbandes für berufliche Schulen in Bayern (VLB). „Damit verbessern die berufsbildenden Schulen die Durchlässigkeit im Bildungssystem und lösen damit den früheren Einbahnstraßencharakter des Schulsystems auf.“

BLLV sieht “erhebliche inhaltliche Differenzen” zu konservativen Lehrerverbänden

Die GEW und der Bayerische Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV) gehören der abl nicht an. BLLV-Präsidentin Simone Fleischmann begründet die Nicht-Mitgliedschaft des BLLV gegenüber der „Schwäbischen Zeitung“ mit erheblichen inhaltlichen Differenzen zu den „beharrenden Kräften“ in der abl. Zudem, so merkt Fleischmann spitz an, sei sie die einzige Vorsitzende eines bayerischen Lehrerverbands ohne Parteibuch – und fühle sich deshalb frei in ihrer Verbandspolitik. News4teachers

Der Beitrag wird auch auf der Facebook-Seite von News4teachers diskutiert.

Absturz für Bayern: „Chancenspiegel“ attestiert Schulsystem im Freistaat, veraltet zu sein (und: Wie die anderen Bundesländer abschneiden)

 

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